Bundeskanzler Gerhard Schröder exklusiv in der ZEIT
Hamburg (ots)
Zur CDU und 1968: "Erstens wird der Versuch gemacht, die politische Existenz von Joschka Fischer und, abgesehen davon, auch die von Jürgen Trittin anzugreifen und zu vernichten. Mit dem Ziel, die Koalition in Verlegenheit zu bringen und die Regierung auch. Zweitens geht es aber auch um die Diskreditierung der 68-Bewegung, die ja der Union immer schon ein Dorn im Auge war. Im Grunde zeigt das, dass - Merkel hin, Merkel her - die Christdemokraten zurück wollen in eine formierte Gesellschaft, wie Ludwig Erhard sie mal verkündet hat. Formiert heisst in diesem Fall: Jeder, der sich nicht zu den Zielen der Union bekennt, muss sich von irgend etwas distanzieren."
Zu Springer und den Medien: "Mein Eindruck ist, dass die Christdemokraten deutlich hinter 1998 zurück wollen und, dass es jetzt eine Konstellation gibt, in welcher diese Strategie der Union unterstützt wird. Das ist eindeutig. Dort findet eine Re-Ideologisierung statt. Ohne, dass ich aufgeregt werde, sehe ich da schon eine abgesprochene Strategie. Und zwar abgesprochen zwischen CDU, bestimmten Medien und bei bestimmten Medien insbesondere den neuen Leuten bei Springer, die offenkundig diesen Verlag politisch einsetzen wollen. Den Schmuddelpart übernehmen die Bauer-Gazetten. Ich neige nicht zu konspirativem Denken. Ich persönlich glaube nicht, dass sie Erfolg haben werden. Das können sie gar nicht. Denn zum einen hat sich das Bewusstsein in Deutschland geändert, es ist geprägt von dem, was an Offenheit nach 1968 erreicht worden ist. Und zum anderen verhindert das die Forderung nach mehr Internationalität. Wer hofft, dass Joschka Fischer die Segel streicht, der irrt. Diese Kampagne wird die Regierung weder beeindrucken noch zu Fall bringen. Inzwischen merkt jeder, dass es eine Kampagne ist. Sie ist gezielt, aber sie geht am Bewusstsein der Bundesrepublik 2001 vorbei."
Zum Schweigen der liberalen CDU: "Die liberale CDU gibt es offenbar nicht mehr. Alle diejenigen, die mit Frau Merkel Hoffnung auf Offenheit in der Union verbunden haben, müssen erkennen, dass sie sich, aus welchen Gründen auch immer, total der konservativen Linie angepasst haben. Die liberale Linie der Union wird von Heiner Geißler repräsentiert, und der hat nichts mehr zu sagen."
Zur "Enthüllung" von Spiegel Online, Schröder habe als Anwalt einen der Professoren verteidigt, die unter Berufung auf Meinungsfreiheit die Veröffentlichung des Mescalero-Aufsatzes verteidigten: "Ich war damals Strafverteidiger und ich habe einen der Professoren in Oldenburg vertreten, mit anderen Anwälten zusammen. Soll ich mich davon etwa distanzieren? Da kann ich doch wohl nur sagen, die haben nicht alle Tassen im Schrank. Soll ich als junger Anwalt sagen, nein, ich übernehme so ein Mandat nicht? Das ist doch mein Beruf!"
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 5/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 25. Januar 2001 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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