Wolfgang Schäuble, ehemaliger Partei- und Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten in der ZEIT: Der geplante Ethikrat ist ein Fehler
Hamburg (ots)
Ein Nationaler Ethikrat, wie Gerhard Schröder ihn berufen hat, dürfe nicht "in der Verfügung der politischen Mehrheit oder des jeweiligen Bundeskanzlers sein". In einem Gespräch mit der ZEIT hat Wolfgang Schäuble, der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten, bemängelt, daß das jetzige Verfahren der Sache schweren Schaden zufüge. Wenn schon, dann hätte ein Ethikrat beim Bundespräsidenten oder beim Parlament angesiedelt werden sollen, so aber gerate er zu einer "medialen Inszenierung".
Im Streit um die Forschung an Stammzellen, die nicht erlaubt ist, plädiert Schäuble für eine offene, engagierte Debatte. Eine Normierung von Seiten des Gesetzgebers sollte erst am Ende einer solchen Debatte stehen. Damit wirbt der CDU-Politiker dafür, nicht vorschnell auf Forschungsoptionen in der Gentechnik und Biomedizin zu verzichten. Prinzipiell ist er der Ansicht, es bestehe zwar Klarheit darin, daß menschliches Leben vom Anfang bis zum Ende unantastbar bleiben müsse. Und dennoch könne man auf dieser Grundlage "zu unterschiedlichen Antworten kommen". Die Frage müsse erlaubt sein, "ob wir uns menschliches Leben unabhängig von der Mutter vorstellen wollen".
Wolfgang Schäuble, der auch dem Präsidium der CDU angehört, hält sich mit jeder Kritik an Silvio Berlusconi und der Forza Italia zurück. Die Partei des neugewählten italienischen Regierungschefs gehöre zur Europäischen Volkspartei (EVP), und er habe dafür plädiert, sie auch aufzunehmen. Es gäbe nicht den geringsten Anlaß, an der Loyalität gegenüber den Zielen der EVP zu zweifeln. Im übrigen erinnert er daran, daß man sich in den europäischen Parteien auch "gegenseitig beeinflußt".
Den europapolitischen Vorstoß Gerhard Schröders, der in einem SPD-Leitantrag formuliert ist, bewertet Schäuble differenziert. Die CDU stimme mit den Vorschlägen zur Institutionenreform überein. Die Vorfrage werde aber nicht einmal gestellt, "wofür Europa oder die Mitgliedstaaten zuständig sein sollen". Wenn man Europa nach dem Prinzip der Zentralisierung aufbauen wolle, wie es der SPD-Leitantrag - jedenfalls aus der Sicht Schäubles - insgesamt will, "wird es scheitern".
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 21/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 17. Mai 2001, ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Interviews kann angefordert werden.
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