Hans-Werner Sinn in der ZEIT: "Schröder sollte sich vom Punktziel 3,5 verabschieden"
Hamburg (ots)
Der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder aufgefordert, sich von seinem Ziel, die Arbeitslosigkeit auf 3,5 Millionen zu senken, zu verabschieden. "Er kann die Arbeitslosenzahlen kurzfristig nicht verändern, es gibt keine sinnvollen Möglichkeiten, vom bloßen Verstecken der Arbeitslosen einmal abgesehen", sagt Sinn in der neuen Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Statt in Aktionismus zu verfallen, sollte sich Schröder von seinem Punktziel 3,5 Millionen verabschieden und ein Programm entwickeln, mit dem Deutschland zukunftsfähig wird." Die Regierung müsse den Arbeitsmarkt grundlegend reformieren, so Sinn: "Die Menschen haben vom Klein-Klein die Nase voll. Sie wollen eine wirkliche Wende. Eine ruhige Hand ist okay, doch Ruhe darf nicht mit Schlaffheit verwechselt werden. Was wir brauchen, ist eine Politik der starken Hand, die langfristig die Weichen richtig stellt."
ABM-Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit lehnt Sinn ab. "In den neuen Bundesländern hat man sehr viele, sehr teure ABM-Maßnahmen eingesetzt", sagte Sinn. "Trotzdem ist die Beschäftigung seit 1994 um 14 Prozent zurückgegangen. Das ist der falsche Weg." Auch die Steuerreform vorzuziehen, wie es die Opposition fordert, sei "zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch ist er viel zu klein, um nennenswerte Effekte am Arbeitsmarkt hervorzubringen". Statt dessen müsse die Regierung die Steuerreform überarbeiten: "Ich würde die Unternehmenssteuern lassen, doch bei den persönlichen Einkommen einen Stufentarif mit nur drei Stufen von 20, 30 und 40 Prozent einführen", sagte Sinn. "Die Stufen würden bei 14.000, 35.000 und 70.000 Mark beginnen. Davon würde auch der durchschnittliche Arbeitnehmer profitieren. Die Gegenfinanzierung könnte über eine lineare Kürzung bei den Subventionen und einen Verzicht auf Steigerungen im Sozialetat erbracht werden."
Wer als Reformer auftrete, werde auch gewählt, sagte Sinn. "Die Frage ist nur, ob der Leidensdruck der Deutschen schon hoch genug ist. Und ich denke, er ist es. Wir sehen zum Beispiel in den neuen Bundesländern, dass sich Ärger anstaut. Wer jetzt ein wirkliches Alternativprogramm vorlegt, könnte eine Menge Wähler begeistern."
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 32/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 2. August 2001, ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Interviews kann angefordert werden.
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