Zahlreiche prominente Deutsche schreiben über ihre Einstellung zum Heimatland
Umfrage der ZEIT
Hamburg (ots)
Ist Deutschland ein Vaterland? In der ZEIT melden sich Politiker, Künstler und Forscher zu der Frage zu Wort, was ihnen das Heimatland bedeutet.
SPD-Politiker Egon Bahr: "Alles auf einmal: Innenpolitisch, wirtschaftlich, europäisch und global bedeutet, dass statt Harmonie Unruhe angesagt ist. Selbstbestimmung, deutsche wie europäische, wird unversehens zu einer unbequemen, fast bedrohlichen Vokabel. Aber es gibt kein Rezept, dass unser friedliches und friedliebendes Land in der Mitte Europas ein Ende der Geschichte genießen kann. Dieser Lernprozess bleibt den Deutschen nicht erspart."
Der ehemalige bayerische Umweltminister Peter Gauweiler: "Vaterland/Mutterland - es ist wie bei einer Familie. Die Familie wird erst dann wieder interessant, wenn man in Nort ist...Wir in Deutschland sind in einer Notsituation, stehen vor gravierenden sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen. Also: Lieber Vater Staat, ich, dein Kind, bin wieder da!...Zwischenzeitlich dämmert lagerübergreifend der Eindruck, dass selbst die stärkste Bevölkerung nicht stark genug sein wird, den Trennungsschmerz von der eigenen Kulturgeschichte auf Dauer auszuhalten.
Sänger Herbert Grönemeyer: "Dass aufgrund der enormen Aufwendungen und Anstrengungen für ein neues Land eine Zäsur eintritt oder auch eine Ermüdung, ist nur verständlich. Aber das sollte nicht missverstanden werden, dass die Menschen in Deutschland nicht arbeitswillig, motiviert und aufbruchsbereit sind. Die gemeinsame Leistung in den letzten 15 Jahren ist Beweis genug. Und das macht Mut für die zweite Halbzeit."
Fußballmanager Oliver Bierhoff: "Die Außendarstellung des Landes ist offenbar noch nicht optimal. Daran müssen wir arbeiten. Fußball ist eigentlich eine Nebensache, manchmal auch etwas mehr. Dann kann er helfen, etwas Wichtiges zu erreichen. Etwa aus Anlass der WM 2006. Da kann die Nationalmannschaft vermitteln, dass es Optimismus, Zuversicht und Lebensfreude in Deutschland gibt."
Schriftsteller Martin Walser berichtet über ein exemplarisches Erlebnis: "Wer viel unterwegs ist, erlebt ununterbrochen die ganze Wirklichkeit. Er erlebt, daß nichts von dem, was er erlebt, Bagatelle ist. Er erlebt immer das Großeganze, das Historische in jedem Augenblick. Ein Land, in dem ein junger Kerl sein Rad zwischen den Beinen behält, aber ein Ampelgrün vorbeigehen läßt, weil er sich für einen undeutlichen Altpassanten, der etwas hinter sich herzieht, einen Weg bis ins innerste Herz der Stadt ausdenkt, ein Land mit solchen Menschen ist nicht nur nicht verloren, es ist gerettet."
Medizin-Nobelpreisträger Günter Blobel: "Wenn ich bei meinen gelegentlichen Besuchen in Deutschland mit Wissenschaftlern und Freunden zusammentreffe, spüre ich bei ihnen viel Wertschätzung für Deutschland. Keine Spur von Verzagtheit. Möglicherweise habe ich aber auch einen untypischen Bekanntenkreis, was auch damit zu erklären wäre, dass ich mich ungern mit Hypochondern umgebe."
Schauspielerin Ester Schweins: "Es gibt also Bewegung in Deutschland, ein Aufwachen - aber eine Ängstlichkeit ist immer mit dabei. Selbst Menschen, die keinen Grund dazu haben, entwickeln Angst. Es gibt die Angst vor der Angst - deshalb ist ständig mit neuer Lähmung zu rechnen. Ihren Ausdruck findet sie in dem Satz: Als Einzelner kann man nichts tun in diesem Land. Diese schnelle Bereitschaft zur Verzagtheit gibt es sonst nirgendwo. Am Ende kreist wieder jeder um sich selbst, ohne bei sich anzukommen. Verpasst damit die Erkenntnis: Ich bin die kleinste Einheit Deutschland - deshalb gilt für mich die ganz konkrete Aufforderung: Tu, was du kannst, Schweins."
Die kompletten Beiträge der ZEIT Nr. 51 vom 9. Dezember 2004 stellen wir Ihne gerne zur Verfügung.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Elke Bunse, DIE ZEIT Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Tel.: 040/3280-217, Fax: 040/3280-558, E-Mail: bunse@zeit.de)
Original-Content von: DIE ZEIT, übermittelt durch news aktuell