Dramatiker Ravenhill und Theaterintendant Ostermeier: Es herrscht kollektive Depression in England und Deutschland
Hamburg (ots)
Der englische Dramatiker Mark Ravenhill ("Shoppen und Ficken") und der deutsche Regisseur und Theaterintendant Thomas Ostermeier sind sich darüber einig, dass in ihren Ländern aufgrund der ökonomischen Lage eine kollektive Depression grassiere. In der ZEIT sagt Ravenhill: "Deutschland ist im Griff des Nihilismus ... Ich als Außenstehender erlebe die deutsche Düsternis bisweilen als eine große Ehrlichkeit, manchmal aber auch als bloße Angewohnheit." Ostermeier stimmt zu: "In Deutschland machen viele Leute eine Phase tiefer intellektueller oder seelischer Depression durch."
Über sein Heimatland sagt Ravenhill, dort sei das Klima zwar ein wenig munterer, jedoch sei auch dort die Depression virulent, sie sei nur ein wenig besser unter einer "Business-Lebendigkeit" verborgen. Immer mehr Leute aber, so Ravenhill, seien ratlos und verlören den Glauben an die Demokratie: "Das ist beängstigend."
Ravenhill, der die deutsche Erstaufführung seines Stückes "Das Produkt" an der Berliner Schaubühne besuchte, sagt über die Deutschen, sie seien ein Volk, das mehr große Kunst produziert habe als die meisten Völker; dennoch seien die Deutschen von einem Kunsthass besessen: "Sie gehen mit ihren großen Kunstwerken um, als wären sie lauter Steine auf der Straße nach Auschwitz. Sie hassen die Kunst; aber sie machen weiter Kunst, fantastische Kunst - aus Hass."
Thomas Ostermeier, der künstlerische Leiter der Berliner Schaubühne, der Ravenhills neues Stück auf deutsch inszeniert hat, sagt der ZEIT, ihn bedrücke das destruktive Klima in der deutschen Theaterszene: "Es gibt so viel zerstörerische Energie." Es herrsche kaum Solidarität zwischen alten und jungen Theaterkünstlern, und die großen deutschen Regisseure Peter Zadek und Peter Stein hätten ihm nie eine Chance zum Gespräch gegeben. Stein sei vor ihm einmal regelrecht geflüchtet: "Das", so Ostermeier, "ist so lächerlich."
Das komplette ZEIT-Interview der ZEIT Nr. 49 vom 30. November 2006 senden wir Ihnen gerne zu.
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