CSU-Landesgruppe
Singhammer: Für eine aktive Bevölkerungspolitik
Berlin (ots)
Zu dem Bericht des Statistischen Bundesamtes über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2050 erklärt der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Johannes Singhammer:
1. Das Megaproblem der deutschen Sozialpolitik: Der Verlust des Gleichgewichts zwischen den Generationen.
Die neue Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes belegt:
Die Deutschen werden immer älter und es werden immer weniger. Die Lebenserwartung bei der Geburt beträgt derzeit für Männer fast 75 und für Frauen fast 80 Jahre, 60-jährige können damit rechnen, 79 (Männer) bzw. 84 (Frauen) alt zu werden. Noch 1965 wurden in Deutschland 1.325.386 Kinder geboren, 1999 gerade mal 770.000. Früher hat - statistisch betrachtet - eine Frau 2,5 Kinder geboren, jetzt nur noch 1,4. Zum Erhalt der Bevölkerung sind aber 2,1 Geburten nötig.
Das Gleichgewicht zwischen den Generationen kippt: Gegenwärtig kommen auf 10 Personen im Alter von 20 bis 60 Jahren 4 Personen, die 60 Jahre oder älter sind, im Jahr 2030 sind es 7 bis 8 Personen über 60 Jahre.
Der Generationenvertrag wird faktisch aufgekündigt.
In allen sozialen Sicherungssystemen, aber zukünftig auch auf dem Arbeitsmarkt (siehe Blue-Card), wirkt sich diese demographische Entwicklung mehr und mehr aus.
- So entwickelte sich die durchschnittliche Rentenbezugsdauer von 10,5 Jahre (1965) auf 16 Jahre (1998). Das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern hat sich entschieden verändert: Die Zahl der Rentner hat sich von 1965 bis 1998 verdoppelt, die Zahl der Beitragszahler stieg nur um ein Viertel.
- Die Gesamtleistungsausgaben je Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind von 3.469,04 DM (1991) auf 4.620,07 DM (1998) gestiegen. Behandlungskosten steigen naturgemäß mit dem Alter an. So verursachen 20-jährige Männer ca. 1.124,- DM pro Jahr, 60-jährige Männer 2.357,- DM und 80-jährige Männer 6.894,- DM. Bei Frauen steigen die Behandlungskosten von 1.662,- DM (20-jährig) über 2.433,- DM (60-jährig) auf 6.721,- DM (80-jährig) an. Die Gesamtleistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind in den alten Ländern von 1970 bis 1996 von 23,9 Mrd. DM auf 196,3 Mrd. DM gestiegen, im gesamten Bundesgebiet von 173,5 Mrd. DM (1991) auf ca. 255 Mrd. DM im Jahr 2000. Die Beitragssätze sind von 8,2 Prozent (1970) auf ca. 13,5 Prozent (2000) gestiegen. Eine DIW-Studie prognostiziert allein aufgrund der Alterung bei konstanter Medizintechnik im Jahr 2040 einen Beitragssatz von etwa 15,5 Prozent; allerdings sollen es bei steigendem medizinischen Fortschritt 23 Prozent werden.
- Von der Pflegeversicherung erhalten ca. 1,7 Mio. Pflegebedürftige Leistungen, davon ca. 1,24 Mio. zu Hause. Durch die demographische Entwicklung rechnet man bis zum Jahr 2010 mit weiteren 350.000 Pflegebedürftigen. Ab 1999 stellten sich Defizite ein, die andauern (2001: 910 Mio. DM, 2002: 750 Mio. DM, 2003: 450 Mio. DM, 2004: 460 Mio. DM) und die Finanzreserve von 1998 mit ca. 10 Mrd. DM stetig abschmelzen. Diese Defizite werden auch durch die Absenkung der Beitragsbemessungsgrundlage für Pflegeversicherungsbeiträge von Arbeitslosenhilfeempfänger verursacht (rot-grüner Verschiebebahnhof).
- Auf dem Arbeitsmarkt wird der demographische Rückgang der Arbeitslosigkeit mit ca. 230.000 Arbeitslose pro Jahr prognostiziert. Diese fallen als potentielle Beitragszahler aus. Trotz der noch hohen Arbeitslosigkeit klagen heute schon Betriebe über Fachkräftemangel.
2. Bevölkerungspolitik der heimlichen Art findet durch Zuwanderung statt.
Nach dem Anwerbestopp Anfang der siebziger Jahre fiel der Zuwanderungssaldo von über 500.000 Personen pro Jahr stark ab und erhöhte sich erst in den achtziger und neunziger Jahren durch eine starke Zuwanderung. Im Jahr 1992 hatte es einen Zuwanderungssaldo von ca. 600.000 ausländischen Personen gegeben. Aufgrund der Änderung des Asylverfahrens im Jahre 1993 betrug er 1999 ca. 118.000 Personen im Jahr.
Prof. Dr. Birg vom Institut für Bevölkerungsforschung in Bielefeld errechnete: " Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks zogen in das wiedervereinigte Deutschland pro Jahr mehr Menschen aus dem Ausland zu als im Inland geboren wurden (Geburtenzahl im Inland: rd. 8000.000 pro Jahr, Zugezogene aus dem Ausland: rd. 900.000 bis über 1 Mio.)."
3. Zuwanderung löst aber nicht unser demografisches Problem.
Denn selbst unter Berücksichtigung eines die heutige Einwanderung deutlich übersteigenden Zuwanderungssaldos von 100.000 bis 200.000 Ausländer im Jähr, sinkt die Bevölkerung in Deutschland von 82 Mio. im Jahr 1999 auf ca. 65 bis 70 Mio. im Jahr 2050. Um das Bevölkerungsgleichgewicht zu erhalten, wäre nach Modellrechnungen der Vereinten Nationen eine jährliche Zuwanderung nach Deutschland von 3,4 Mio. Personen nötig, damit die zahlenmäßige Relation der 15- bis 64- Jährigen zu den über 64-Jährigen konstant bleibt. Eine ungebremste und ungesteuerte Zuwanderung würde die deutsche Bevölkerung überfordern. Die heimliche Bevölkerungspolitik in Form der derzeit stattfindenden Zuwanderung muss überdacht und geordnet werden.
Die Schlussfolgerung der Zukunftskommission Gesellschaft 2000 der Landesregierung Baden-Württemberg ist bezeichnend:
"Lässt man die Entwicklung laufen wie bisher, dann kann nicht ausgeschlossen werden, dass - aufgrund der Konzentration der Zuwanderung auf Ballungsgebiete und der damit verbundenen Gefahr der Gettoisierung - in bestimmten Regionen Deutschlands Zustände eintreten, wie sie heute für manche französische Großstadt Paris oder Lyon charakteristisch sind: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Konflikt zwischen Herkunftstradition und neuer Gesellschaft heimatlos, ohne wirkliche Zukunftsperspektive. Entwicklung gruppenspezifischer Werte, Normen, Handlungsstrategien und Lebensvorstellungen, die hoch problematisch und als sozialer Sprengstoff wirken können."
4. Mehr Kinder sind nötig. Wir brauchen eine aktive Bevölkerungspolitik für die Erhöhung der Geburtenzahl.
Es geht nicht darum, die Anzahl der Deutschen zu erhöhen. Es geht darum das Generationengleichgewicht wieder herzustellen. Das immer größer werdende Ungleichgewicht zwischen den Generationen führt zu einer faktischen Aufkündigung des Generationenvertrages. Dies halten die sozialen Sicherungssysteme dauerhaft nicht aus.
Reformen in den sozialen Sicherungssystemen wie Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung bleiben nur Stückwerk, ohne eine zukunftsgerichtete Familienpolitik. Diese muss darauf ausgerichtet sein, Familien eine höhere Kinderzahl als bisher zu ermöglichen. Kein staatlicher Druck zu mehr Kinder, aber Hilfe, um den vorhandenen Kinderwunsch zu verwirklichen.
5. Unsere Forderungen:
- Eine umfassende Debatte über Bevölkerungspolitik ist in Deutschland nötig. Hierzu gehört auch eine Generaldebatte im Deutschen Bundestag.
- Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Die steigende Frauenerwerbstätigkeit darf kein Hinderungsgrund für Kinder sein.
- Eine Vernetzung familienpolitischer Maßnahmen mit der Finanz-, Steuer-, Wohnungsbau-, Schul- und Sozialpolitik. Hierzu gehört z.B. die Bündelung von Familienleistungen in einem Familiengeld mit einheitlichen Anspruchsvoraussetzungen (Transparenz). So wird dem Eindruck vom "Bittsteller Familie" entgegengewirkt. Eine Familiengeld von ca. 1000,- DM monatlich soll schon sechs Wochen vor der Geburt gewährt werden. Auch eine langfristig angelegte Förderung, welche die Verantwortung zwischen den Generationen stärkt, gehört dazu. Ein Beispiel ist unsere Kinderkomponente von 30,- DM pro Kind für die Förderung der privaten Altersvorsorge. (CSU-Parteitagsbeschluss vom Juli 2000)
- Initiativen im Bereich der Familienbildung. Die Eigenverantwortung, Erziehungssicherheit und Erziehungskompetenz der Eltern muss gefördert werden.
Es ist Aufgabe der Opposition, falschem Regierungshandeln die richtigen Konzepte entgegen zu halten. Familienpolitik, die den Namen verdient, findet unter Rot-Grün nicht statt. Verschiebebahnhöfe wie die Ökosteuer belasten kinderreichen Familien mehr als eine Kindergelderhöhung entlastet. Ein Drittel der Sozialhilfeempfänger sind Kinder und Jugendliche. Für untere und mittlere Einkommensschichten sind die 800.000,- DM, die Eltern durchschnittlich für die Erziehung von zwei Kindern bis zum 18. Lebensjahr aufwenden müssen, nicht bezahlbar. Die es dennoch tun, empfinden sich zunehmend als die Dummen.
Statt die Zentralgruppe Familie zu ermutigen, kümmert sich Rot-Grün mehr um Randgruppen.
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