CSU-Landesgruppe
Pressestelle: In der nächsten Ausgabe des
Bayernkurier erscheint nachfolgendes Interview mit dem Vorsitzenden
der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Glos:
Berlin (ots)
Bayernkurier: Bringt das neue Jahre eine neue Regierung?
Michael Glos: Es wird eine neue Regierung in Niedersachsen bringen, weil dort die Regierung Gabriel abgewirtschaftet hat und weil sich in Niedersachsen auch der berechtigte Zorn der Bürgerinnen und Bürger über den Betrug bei der Bundestagswahl entladen wird. Zudem gehe ich davon aus, dass die Regierung von Roland Koch in Hessen bestätigt wird, weil unsere Freunde gute Arbeit geleistet haben.
Bayernkurier: Können diese beiden Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 2. Februar 2003 zum Stolperstein für Rot-Grün werden?
Michael Glos: Damit wird auf jeden Fall die Mehrheit der Union im Bundesrat stabiler und die Gestaltungskraft des Bundesrates höher. Das heißt aber noch lange nicht, dass Rot-Grün das Handtuch wirft. Rot-Grün hat eine knappe Parlamentsmehrheit, die sich bis jetzt als belastungsfähig erwiesen hat. Der Wille zur Macht ist stärker als der Wille, die Erwartungen der eigenen Klientel wirklich zu erfüllen.
Bayernkurier: Aber es ist schon viel über eine mögliche Große Koalition zu hören.
Michael Glos: Das sind ausschließlich Spekulationen und Latrinengerüchte, die immer angestellt werden, wenn eine Regierung in Schwierigkeiten ist. Auch Charakterlosigkeit schweißt zusammen. Allerdings könnte die deutsche Beteiligung an einen möglichen Irak-Krieg verbunden mit dem erneuten Test der Mehrheit in namentlichen Abstimmungen noch Überraschungen bringen.
Bayernkurier: Also doch eine Große Koalition, um das Land voranzubringen?
Michael Glos: Rot-Grün will politisch überleben. Das Wohl unseres Landes ist dabei zweitrangig. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass Große Koalitionen oft nur Einigungen auf den geringsten gemeinsamen Nenner bringen. Die Union kann an einer solchen Lösung nicht interessiert sein.
Bayernkurier: ... aber auch in Ihren Reihen wird darüber spekuliert.
Michael Glos: Es gibt natürlich immer wieder so genannte ungenannte Kreise, die sich eine Zusammenarbeit mit der SPD vorstellen können. Man kann bei vernünftigen Vorschlägen auch zu gemeinsamen Lösungen kommen, wie bei der Zinsabschlagssteuer. Ein für unser Land wichtiges Zusammenwirken in einzelnen Fällen kann auch ohne einen Regierungswechsel zustande kommen.
Bayernkurier: Käme es dennoch zum Bruch: Würde die CSU mitmachen?
Michael Glos: Nicht mit einem abgewirtschafteten und in seiner Glaubwürdigkeit zutiefst erschütterten SPD-Bundeskanzler. Wir sind kein Rettungsfallschirm für eine gescheiterte Bundesregierung. Kann man das vom Wahlvolk übertragene Mandat nicht mehr ausüben, ist es besser, das Mandat an das Volk zurückzugeben. Mit anderen Worten: Neuwahlen herbeizuführen.
Bayernkurier: Halten Sie das für eine realistische Variante in absehbarer Zeit?
Michael Glos: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als Gerhard Schröder freiwillig aus dem Kanzleramt.
Bayernkurier: Spüren Sie seit dem gemeinsamen Bundestagswahlkampf eine engere Bindung zwischen CSU und CDU?
Michael Glos: Die Zusammenarbeit zwischen CDU und CSU war außerhalb einer gemeinsamen Bundesregierung noch nie so gut wie im letzten Jahr. CDU und CSU haben sich gemeinsam für Dr. Edmund Stoiber als Kanzlerkandidaten entschieden. Er wäre jetzt Bundeskanzler, wenn nicht die SPD das mit Lug und Trug verhindert hätte. Wir hatten einen guten gemeinsamen Wahlkampf, auch die CSU hat den CSU-Vorsitzenden voll und ohne Vorbehalte unterstützt. Jetzt nach der Wahl ist in der Opposition die Gemeinsamkeit ebenfalls sehr groß. Wir stimmen unsere Entscheidungen in sehr fairer Weise ab und bekunden damit, dass wir weiterhin auch nach der Wahl alles tun wollen, damit Deutschland besser regiert wird.
Bayernkurier: Gibt diese Einigkeit der Union zusätzliche Kraft?
Michael Glos: Einigkeit macht immer stark, egal ob in der Regierung oder in der Opposition. Und nichts wäre für die Deutschen schlimmer, als wenn sie sehen müssten: Wir haben eine unfähige Regierung und dazu noch eine Opposition, die nichts Besseres zu tun hat, als sich zu streiten.
Bayernkurier: Die SPD ist tief in den Keller gerutscht, CSU und CDU liegen in den Umfragen bei der absoluten Mehrheit. Aber dennoch sagen viele Leute: Die Opposition könnte es auch nicht besser. Ein Vermittlungsproblem?
Michael Glos: Es gibt im Augenblick einen allgemeinen Unwillen an der Politik. Man hält Politiker nicht mehr uneingeschränkt für fähig, die Probleme des Landes zu lösen. Das muss uns Sorgen machen. Es kommt zu einem großen Teil auch durch die Erfolglosigkeit dieser Bundesregierung. Dazu kommt, dass sich Rot-Grün vor klaren Entscheidungen drückt und immer neue Kommissionen einsetzt. Das schafft kein Zutrauen in die Politik. Es muss Schluss sein mit dieser Kommissionitis. Das vom Volk gewählte Parlament muss wieder die Entscheidungsgewalt übernehmen, dann steigt auch wieder das Vertrauen in die Politik.
Bayernkurier: Wird die Alternative der Union für die Bürger ausreichend sichtbar?
Michael Glos: Hier gibt es offensichtlich ein Wahrnehmungsproblem. Unsere Alternativen sind sehr genau dargelegt im gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU. Ich kann nur empfehlen, es immer wieder nachzulesen. Unsere Rezepte, die wir darin beschrieben haben, sind nach wie vor gültig und sie sind auch Grundlage unserer Oppositionsarbeit.
Bayernkurier: Sie haben es schon erwähnt: Über Bundesrat und Vermittlungsausschuss lässt sich sicher manches erreichen. Doch die dort erzielten Kompromisse steckt sich dann die Regierung an den Hut.
Michael Glos: Sie haben Recht, das ist in der Tat zweischneidig. Verläuft etwas erfolgreich, wird es immer den Regierenden zugerechnet. Aber es geht ja nicht um einen permanenten Wahlkampf, sondern es geht vielmehr darum, über Kompromisse die bestmöglichen Lösungen zu finden und dadurch zu verhindern, dass unser Land, das jetzt schon Schlusslicht in Europa ist, noch weiter in die Zweitklassigkeit abrutscht.
Bayernkurier: Parteiinteresse muss zurückstehen?
Michael Glos: Parteiinteresse darf nicht oberste Maxime sein. Parteien haben allerdings in unserer Demokratie eine wichtige Funktion, sie haben Meinungen zu kanalisieren und zu bündeln. Und so ist es geradezu demokratische Verpflichtung, mit dem so genannten Lügen-Untersuchungsausschuss klar zu stellen, wo Rot-Grün vor der Wahl die Wählerinnen und Wähler bewusst belogen hat. Würden die Oppositionsparteien den Unmut der Bevölkerung nicht kanalisieren, würde dieser sich auf andere, unkalkulierbare Weise Bahn brechen.
Bayernkurier: Bringt der Lügen-Untersuchungsausschuss wieder Vertrauen in die Politik zurück?
Michael Glos: Er bringt vor allem Klarheit, insbesondere wenn die SPD nicht ihre Geschäftsordnungsmehrheit missbraucht und die Befragungen wichtiger Politiker bis nach den Landtagswahlen hinschleppt. Wenn man schon die Untersuchung über Fakten scheut, dann wird allein dadurch das Misstrauen gegenüber Politikern vermehrt. Der Ausschuss kann das Ergebnis der Bundestagswahl nicht mehr verändern, aber er kann wichtige Meilensteine setzen für die Zukunft. So kann er klarstellen, dass vor der Wahl deutlich erkennbare Fakten und Tatsachen nicht verschwiegen und falsch dargestellt werden dürfen, wie es Rot-Grün getan hat. Wenn dies für die Zukunft erreicht wird, hat der Untersuchungsausschuss seine Berechtigung doppelt unter Beweis gestellt.
Bayernkurier: Nicht wenige sagen: Was soll's, wir wissen doch eh', dass sie gelogen haben.
Michael Glos: Das wäre eine sehr fatalistische Haltung der Bevölkerung zum Schaden der Demokratie. Auch deshalb muss der Ausschuss das Vertrauen in die Funktionsweise unserer politischen Institutionen wieder herstellen.
Bayernkurier: War es ein Fehler, der Türkei beim Gipfel von Kopenhagen ein Prüf-Datum zu nennen?
Michael Glos: Die Türkei wäre zum Zeitpunkt ihres Beitritts das bei weitem bevölkerungsreichste Mitgliedsland. Ihr Beitritt würde das innere Gefüge der Gemeinschaft völlig verändern. Solche Konsequenzen müssen wohl abgewogen und öffentlich erörtert werden. Mit der voreiligen Nennung eines Prüftermins wurden erneut Erwartungen geweckt, die in seriöser Weise nicht zu erfüllen sind. Es ist der Fluch der bösen Tat. Werden Beitrittsverhandlungen begonnen, ist der Zug auf die Schienen gesetzt. Insofern hätte man jetzt klarer sagen müssen: Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU kann es nicht geben, deshalb lasst uns über Sonderbeziehungen reden. Wenn 2004 zwangsläufig erneut festgestellt wird, dass die notwendigen Voraussetzungen noch in weiter Ferne sind, dann hinterlässt das bei unseren türkischen Freunden neue Enttäuschungen, die unsere Beziehungen belasten werden.
Bayernkurier: Im Moment erscheint es, als stünden CSU und CDU in der Türkeifrage isoliert.
Michael Glos: Die Position der CDU und der CSU hat auch die Positionen der Europäischen Volkspartei EVP geprägt. Die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament ist wie die CSU der Meinung, dass man der Türkei eine Perspektive außerhalb der Vollmitgliedschaft geben muss. Bei den Regierungen hat sie sich allerdings nicht durchsetzen können. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Nationalstaaten der EU in allererster Linie noch immer das Wohl und Wehe des eigenen Landes zum Maßstab nehmen. So wäre die volle Freizügigkeit des Zuzugs nach einem Beitritt der Türkei ausschließlich ein Problem Deutschlands, nicht aber Spaniens, Frankreichs oder Italiens.
Bayernkurier: Dennoch: CDU und CSU haben in dieser Frage einen schweren Stand.
Michael Glos: Oberflächlich von außen betrachtet mag das so erscheinen. Doch eine entschiedene Haltung kann Bewegung bringen. Dr. Angela Merkel und Dr. Edmund Stoiber haben in Kopenhagen beachtliches erreicht. So hat der Gipfel dem Schröder-Vorstoß, der Türkei ein festes Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu nennen, eine klare Absage erteilt.
Bayernkurier: Sie haben nach Kopenhagen davon gesprochen, die CSU müsse ihre Vision von Europa überprüfen. Was meinen Sie damit?
Michael Glos: Eine EU die bis weit nach Asien reicht kann keine echte politische Schicksalsgemeinschaft sein. Das muss und wird Auswirkungen auf die Ergebnisse des Verfassungskonvents haben.
Bayernkurier: Vermissen Sie eine Diskussion in der Bevölkerung über einen möglichen Türkei-Beitritt?
Michael Glos: Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Schicksalsfrage unseres Landes in der Bevölkerung eingehend diskutiert werden muss. Und es ist schon beklagenswert, dass im Gegensatz zu anderen europäischen Entscheidungen, die Regierung nicht einmal das Gespräch mit der Opposition gesucht hat, geschweige denn mit dem Wahlvolk. Eine so wesentliche Frage wie eine Vollmitgliedschaft der Türkei erzwingt auch in Deutschland eine Volksabstimmung.
Bayernkurier: Sie waren kürzlich in den USA. Beginnt sich das Verhältnis zu Deutschland wieder zu normalisieren?
Michael Glos: Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA ist weit von einer Normalisierung entfernt. Das Misstrauen gegenüber den Deutschen hält an, zudem hält man die Deutschen für undankbar. Es zeigt sich, dass die Wahlkampfrhetorik von Gerhard Schröder, die er unter Bruch seines Amtseids gemacht hat, Schaden vom deutschen Volk zu wenden, in den USA tiefen Endruck hinterlassen hat. Es wird sehr schwer sein, wieder zu normalen Verhältnissen zu kommen, gar nicht zu reden von der Freundschaft, die frühere Regierungen mit Washington verbunden hat und die 1990 wesentlich mitgeholfen hat, die deutsche Einheit zu erreichen.
Bayernkurier: Wird eine militärische Intervention im Irak zur Zerreißprobe von Rot-Grün?
Michael Glos: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird eine militärische Aktion der USA und ihrer Verbündeter unvermeidbar sein - mit oder ohne nochmaliger Zustimmung es UN-Sicherheitsrats. Daraus können sich neue Zerreißproben für Rot-Grün ergeben. Schröder hat erklärt, Deutschland werde sich in keiner Weise beteiligen, egal, ob mit oder ohne UN-Zustimmung. Diese Haltung wird sich in der Praxis nicht durchhalten lassen. Der Kanzler wird nicht umhin kommen, auch in diesem Fall seine unsinnigen Wahlkampfversprechen zu brechen. Die Grünen müssen damit einverstanden sein, sie müssen also klein beigeben oder die Koalition ist am Ende.
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