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CSU-Landesgruppe

"CSU-Landesgruppe: Die Pressestelle teilt mit"

Berlin (ots)

In der heutigen Ausgabe des Straubinger Tagblatt
erscheint nachfolgender Namensartikel des Vorsitzenden der
CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Glos:
Der EU-Gipfel in Rom über einen Verfassungsvertrag für Europa ist
gescheitert. Dies ist nicht verwunderlich. Wer sich, wie Deutschland
und Frankreich, bei der Aussetzung des europäischen Stabilitätspakts
wie die viel zitierte Axt im Walde benimmt, der darf sich nicht
wundern, wenn andere EU-Mitglieder ihre Muskeln spielen lassen. Das
Scheitern des Gipfels ist letztlich Ausdruck des misslungenen
Versuchs der führenden EU-Staaten zur Dominierung der anderen
Mitglieder. Das Projekt der europäischen Einigung kann nur gelingen,
wenn es auf fairen Ausgleich und ausgewogenen Kompromissen aufbaut.
Das Scheitern des Gipfels muss jetzt als Chance begriffen werden.
Gefragt sind mehr denn je Realismus und eine gründliche Überarbeitung
der umstrittenen Vorschläge des Konvents. Will die EU im Zuge der
Erweiterung ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen, dann sind
eindeutige Kompetenzabgrenzen und klare Abstimmungsregelungen
erforderlich. Die CSU hat ihre Positionen eingebracht: Die
wasserdichte Verankerung des Ziels der Geldwertstabilität und der
Unabhängigkeit der Zentralbank, die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten
für die Zuwanderung und die Daseinsvorsorge, der Verzicht auf weitere
Kompetenzen der EU in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie die
Einbeziehung des Gottesbezugs.
Bei der Fortentwicklung der europäischen Einigung dürfen die
Menschen nicht überfordert werden. Die Ablösung der DM durch den Euro
und die bevorstehende Osterweiterung sind mit gewaltigen
Veränderungen verbunden. Jetzt muss die Konsolidierung des erreichten
Vorrangs haben. Die EU-Mitglieder müssen endlich den Stabilitätspakt
mit Leben erfüllen und die auf dem Gipfel in Lissabon vereinbarte
Wachstumsstrategie umsetzen.
Das Auseinanderbrechen der EU während des Irak-Konflikts hat die
offenkundigen Schwachstellen in der EU offenbart. Auf Dauer ist eine
gemeinschaftliche Währung zu wenig, um den politischen Zusammenhalt
zu sichern. Die EU wird sich nur dann zu einem ernsten Mitspieler auf
der Bühne der Weltpolitik entwickeln, wenn sie für sich ein klares
politisches Selbstverständnis entwickelt. Die Konventsvorschläge für
eine Verfassung haben hierauf keine Antwort gegeben. Die viel
gestellte Frage der Finalität bleibt weiter ungelöst.
Gleiches gilt für die Frage nach den Außengrenzen der Union. Trotz
der bekannten wirtschaftlichen Probleme hat das Wohlstandsniveau in
den Ländern der EU eine Magnetwirkung entfaltet. Für viele
Anrainerstaaten sind die gemeinsamen Agrarmärkte, die großzügigen
Strukturhilfen und die Aussicht auf Freizügigkeit der Menschen
verlockend.
Die EU wäre jedoch schnell überfordert, wollte sie die Rolle einer
Entwicklungsagentur für alle Anrainerstaaten übernehmen. Eine EU von
Marokko über den Libanon bis hin nach Georgien oder Weißrussland
würde sich ihr eigenes Grab schaufeln.
Vor diesem Hintergrund muss auch die Diskussion über einen
möglichen Beitritt der Türkei gesehen werden.
Die wirtschaftlichen Gründe gegen eine Vollmitgliedschaft der
Türkei sind bekannt. Noch vor wenigen Jahren stand das Land unter der
Aufsicht des Internationalen Währungsfonds. Das Prokopfeinkommen
liegt nach Angaben von Eurostat bei 23% des EU-Durchschnitts. Rund
1/3 der Türken ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die
Inflationsrate lag im vergangenen Jahr bei rd. 45%. In 10 bis 15
Jahren wäre die Türkei mit gut 80 Millionen Einwohnern der
bevölkerungsreichste Mitgliedstaat der Union. Vorsichtig gerechnet
müsste die EU jährlich 20 bis 25 Mrd. Euro an Transfermitteln
bereitstellen. Welche Folgen eine volle Freizügigkeit für türkische
Arbeitnehmer mit sich brächte, kann sich jeder selbst ausmalen. Eine
Völkerwanderung von Anatolien nach Deutschland wäre vorprogrammiert.
All diese gewichtigen Bedenken werden von Bundeskanzler Schröder, der
nach wie vor die Hoffnungen der Türkei auf einen schnellen Beitritt
nährt, ignoriert. Wohl auch deswegen, weil er sich von seinem Kurs
weitere Stimmengewinne für seine angeschlagene SPD unter den
mittlerweile über 500 000 eingebürgerten Türken in Deutschland
erwartet. Wer aber parteipolitische Vorteile zu Gunsten deutscher und
europäischer Interessen den Vorrang gibt, handelt mehr als
fahrlässig.
Das Projekt der europäischen Einigung ging bislang von einer
gewissen Identität der europäischen Bürger aus. Diese Identität
speist sich aus einer gemeinsamen Geschichte, einer gemeinsamen
politischen Kultur und eines gemeinsamen geographischen Raums. Diese
Punkte sollen mittelfristig die Entwicklung eines – bislang nur
rudimentär vorhandenen - europäischen Bewusststeins ermöglichen.
Auch in dieser Hinsicht ist ein EU-Beitritt der Türkei wenig
plausibel. Der größte Teil der Staatsfläche der Türkei zählt zu
Asien. Die Geschichte des osmanischen Reichs ist durch die
Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten geprägt. Und ob die
staatlich angeordnete Säkularisierung der Türkei wirklich gelungen
ist, wird nach wie vor bestritten. Die von Schröders
Lieblingshistoriker Prof. Heinrich August Winkler geäußerten
Warnungen, dass sich mit einem EU-Beitritt der Türkei der Charakter
der EU dramatisch verändern würde, schlägt Bundeskanzler Schröder
nach wie vor in den Wind. Winkler ist beizupflichten, wenn er
schreibt: „Eine EU, die auch die Türkei umfasst, könnte an ein
europäisches Wir-Gefühl nicht mehr appellieren. Dazu seien die
kulturellen Prägungen der Türkei und Europa zu unterschiedlich. Die
Unterschiede haben etwas mit Christentum und Islam zu tun.“ Und
weiter: „In einem Europa, dass kein Gefühl seiner eigenen Identität
hervorbringen vermag, wird der Nationalismus sein Haupt erheben. Der
Nationalismus befriedigt Identitätsbedürfnisse und er würde es auf
eine Weise tun, die für Europa verheerend wäre.“
Daher gilt es, das Projekt der europäischen Einigung mit Mut und
Augenmaß zu betreiben.
Noch so schöne Visionen werden sich als Eigentore erweisen, wenn
sie das Gebot der Integrationsfähigkeit verletzen. Die
Integrationsbereitschaft der Bürger der EU hat Grenzen. Ein vom
fernen Brüssel gesteuertes Mega-Umverteilungssystem entfacht alles
andere als Europa-Begeisterung. Eine weitere Belastung der
Arbeitsmärkte im Falle voller Freizügigkeit kann kein ernst zu
nehmender Politiker seinen Wählern zumuten.
Deshalb gilt es nach anderen Wegen Ausschau zu halten. Deutschland
hat traditionell ein enges, freundschaftliches und vertrauensvolles
Verhältnis zur Türkei. Die Politik weiß um die geostrategische
Bedeutung dieses Landes an der Brücke zu Asien und zum Nahen Osten.
Diese Bedeutung hat nach dem Ende des kalten Krieges noch zugenommen.
Aus diesem Grunde befürwortet die CSU eine privilegierte
Partnerschaft unterhalb der Vollmitgliedschaft zwischen der Türkei
und der EU. Eine Partnerschaft „light“ mit Verzicht auf Freizügigkeit
ist kein Ausweg. Denkbar wäre dagegen die Herstellung
wirtschaftlicher Beziehungen, wie sie zwischen dem EU- und dem EWR-
Raum bestehen. Ferner wären Möglichkeiten zu einer stärker
institutionalisierten Einbindung der Türkei in die im Aufbau
befindliche Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu prüfen.
Wer eine Vollmitgliedschaft der Türkei befürwortet, dabei jedoch
die Grenzen der Integrationsfähigkeit und Integrationsbereitschaft
überschreitet, der riskiert – bewusst oder unbewusst – ein Scheitern
des Projekts der Fortentwicklung der europäischen Einigung von einem
Binnenmarkt zu einer echten politischen Union.
ots-Originaltext: CSU-Landesgruppe
Digitale Pressemappe:
http://www.presseportal.de/story.htx?firmaid=9535

Kontakt:

CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag
Pressestelle
Telefon: 030 / 227 - 5 21 38 / - 5 2427
Fax: 030 / 227 - 5 60 23

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