Der Krieg in der Stadt
Streifzug durch militärische Dienstvorschriften
(ots)(ots) Hannover - Ob Basra oder Bagdad: Eine Stadt ist der denkbar ungeeignetste Ort für die Führung eines Krieges. Auszüge aus militärischen Fach- und Lehrbüchern, die das Onlinemagazin TELEPOLIS jetzt unter http://www.telepolis.de veröffentlicht, zeigen, dass sich gerade bei der Ortskampftaktik die ganze Absurdität der "Kriegskunst" offenbart.
Trotz ihrer bagatellisierenden Trockenheit können die Heeresdienstvorschriften aus verschiedenen Ländern, die zwar frei verkäuflich, aber nicht für eine große Öffentlichkeit bestimmt sind, ihre kalte Menschenverachtung kaum kaschieren. "Der einzelne Soldaten wird in einen mörderischen Kampf geschickt, den er nur durch Zufall überleben kann", so der TELEPOLIS-Autor Gerhard Piper in seinem Artikel "Krieg in der Stadt".
In der militärischen Literatur zum Orts-, Straßen-, bzw. Häuserkampf werden die betroffenen Einwohner einer Stadt fast vollständig ignoriert. Sie tauchen nur am Rande auf, etwa bei den Themen "Razzia", "Flüchtlinge" und "Besatzungsregime". Auch die Zerstörung der städtischen Infrastruktur interessiert die Militärs nur in soweit, als Truppenbewegungen durch Trümmerschutt behindert oder die Versorgung der Soldaten gefährdet werden.
So stimmen die Vorschriften und Fachbücher darin überein, dass der Soldat vor Betreten eines jeden Raumes unbedingt erst eine Handgranate hinein werfen soll, selbst ohne vorher einen Blick ins Zimmer riskiert zu haben. Da eine entsicherte Handgranate bis zwei Sekunden vor dem Wurf festgehalten werden soll, um das Aufheben und Zurückwerfen durch den Feind zu verhindern, wird dabei der Tod von Soldaten, die sich ergeben wollen, oder von Zivilisten, die sich zufällig im Zimmer aufhalten, bewusst in Kauf genommen.
Einer der Militärautoren, der frühere britische Oberst Michael Dewar, warnte in seinem Buch "War in the Streets" von 1992 die Soldaten davor, den Ausführungen der militärischen Lehrbücher allzu viel Glauben zu schenken: "Die ziemlich klinische Beschreibung der Methoden im Häuserkampf schenkt der schrecklichen Realität einer solchen Operation nur dürftige Beachtung. Häuserkampf im modernen Ortskampf kann physisch erschöpfend, nervenaufreibend, immens stressig und enorm erschütternd sein. Diejenigen, die an solchen Einsätzen teilnehmen, können dies kaum über einen längeren Zeitraum machen."
Auf diese enormen Anforderungen, die der Krieg in der Stadt stellt, können sich die Soldaten trotz gegenteiliger Behauptungen des Militärs nur schwer vorbereiten. In der Ausbildung für eine "realistischen" Ortskampf gibt es erhebliche Defizite. Der Hauptgrund ist, dass fast alle gängigen Infanteriewaffen für den Feld-, Wald- und Wieseneinsatz entwickelt wurden. In einem Zimmer eine Panzerfaust oder Panzerabwehrrakete abzufeuern, ist für jeden Schützen lebensgefährlich, da er durch den Abgangsstrahl den ganzen Raum und sich selbst in Brand setzen würde. Jeder Ortskampf kommt daher nach wie vor einem Himmelfahrtskommando gleich.
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