Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.

Schönheits-OP im Ausland: Wenn das Beauty-Schnäppchen teuer wird

20.08.2024 – 10:20

Schönheits-OP im Ausland:

Wenn das Beauty-Schnäppchen teuer wird

Viele Kliniken werben mit deutlich günstigeren Preisen als in Deutschland, aber die Verbraucherzentrale NRW rät zur Vorsicht

Schönheitsoperationen sind medizinisch nicht notwendig. Das bedeutet nicht, dass sie harmlos sind – im Gegenteil. Egal ob Brustvergrößerung, Fettabsaugung oder Haartransplantation: Schönheitsoperationen sind wie alle OPs mit einem Risiko behaftet. Trotzdem sind sie gefragt wie nie. 2022 wurden weltweit mehr als 33 Millionen chirurgische und nicht-chirurgische Schönheitsbehandlungen durchgeführt –und damit mehr als jemals zuvor. In Deutschland unterziehen sich fast eine halbe Million Menschen pro Jahr einer Schönheitsoperation. Weil die Kosten hoch sind, reisen zudem viele Menschen für Eingriffe ins Ausland, etwa in die Türkei, nach Tschechien, Ungarn oder Polen. Doch wenn etwas schief geht und Nachbehandlungen nötig werden, können hohe Zusatzkosten entstehen. Susanne Punsmann, Gesundheitsrechtsexpertin der Verbraucherzentrale NRW im Projekt „Faktencheck Gesundheitswerbung“, erklärt mögliche Gefahren und rechtliche Fallstricke.

  • Wie ist die Rechtslage im Ausland? Innerhalb der Europäischen Union bewegen sich die medizinischen Standards weitgehend auf ähnlichem Niveau. Eine Behandlung im EU-Ausland oder außerhalb der EU muss deshalb nicht schlechter sein als in Deutschland. Doch schöne Webseiten oder Prospekte bieten keine Garantie für die Behandlungsqualität. Medizinische Standards sind aus der Ferne kaum zu beurteilen. Vor allem gilt nicht automatisch deutsches Recht, was vielen nicht bewusst ist. Misslingt eine Behandlung oder eine Operation im Ausland, können Betroffene die Klinik womöglich nicht dafür haftbar machen, was hohe Folgekosten verursachen kann. Das hängt stets vom jeweiligen Vertrag ab, den man deshalb sorgfältig lesen sollte. Deutsche Krankenkassen springen in der Regel nicht ein.
  • Was tun im Schadensfall? Wie häufig nach Schönheits-OPs Komplikationen auftreten, wird nicht erfasst. Grundsätzlich gilt aber als Gerichtsstand immer der Ort der Operation. Schadensersatz zu erhalten, ist allerdings auch in Deutschland nicht einfach. Denn Unzufriedenheit mit dem Ergebnis allein begründet keinen Anspruch darauf, da Ärzt:innen nicht haften, wenn die Operation ordnungsgemäß ablief. Und selbst wenn ein Behandlungsfehler vermutet wird, liegt die Beweislast auf Seiten der Patient:innen. Bei Anbietern im Ausland ist das nochmals schwieriger: Schlichtungsstellen gibt es meist nicht und Gerichtsverfahren im Ausland sind mit höheren Kosten verbunden, vor allem, wenn Betroffene keine Rechtsschutzversicherung haben. Gutachten werden eventuell von der Gegenseite nicht akzeptiert. Möglich sind auch Missverständnisse bei der Kommunikation über Aufklärung und Nachsorge. Man sollte deshalb zumindest darauf achten, welche konkreten Ansprechpartner es gibt und wie sie erreichbar sind. Auch sollte eine Gewährleistung im Fall von Komplikationen vorab schriftlich festgelegt werden, möglichst nach deutschem Recht.
  • Ist eine Versicherung hilfreich? Bei einer Auslandsbehandlung kann eine sogenannte Folgekostenversicherung sinnvoll sein, da die deutsche Krankenkasse in der Regel keine Kosten für Folgebehandlungen übernimmt, wenn die erste Behandlung medizinisch nicht notwendig war. Die Versicherung sollte nicht nur für Nachbehandlungen bei schlechter Wundheilung aufkommen, sondern auch für Nachbehandlungen bei Komplikationen. Zudem sollten Interessierte darauf achten, dass eine Folgekostenversicherung tatsächlich die geplante Behandlung und das gewählte Land abdeckt.
  • Welche Kosten sollten einkalkuliert werden? Viele Kliniken werben mit Sonnenschein, Urlaubs-Atmosphäre und fachlicher Expertise zu kleinen Preisen. Hinzugerechnet werden müssen jedoch die Kosten für Anreise und Übernachtungen. Wichtig ist vor allem ein detaillierter Kostenvoranschlag für Operation, Anästhesie, Labor, Unterkunft und Nachsorge, die bei chirurgischen Eingriffen mehrere Wochen dauern kann. Die Kosten lassen sich senken, wenn die Klinik oder Praxis Kooperationspartner in Deutschland hat, die die Nachbehandlung übernehmen. Sollten Kontrollen nötig sein oder Komplikationen auftreten, die Nachbehandlungen erforderlich machen, fallen dafür sonst neue Reisekosten an. Auch Dolmetscherkosten können hinzukommen.
  • Welche Standards sollten eingehalten werden? In Deutschland dürfen theoretisch alle Mediziner:innen Schönheits-OPs durchführen. Eine klare Qualifikation haben aber nur Fachärzt:innen „für plastische und ästhetische Chirurgie“ (seit 2018 heißt es „plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie“). Diese Bezeichnung dürfen sie nur führen, wenn sie eine international anerkannte mehrjährige Weiterbildung auf diesem Gebiet absolviert haben. Die Regelungen hier sind streng, bereits die Formulierung „Arzt für ästhetische Eingriffe“ ist laut einem aktuellen Urteil des Landgerichts Bochum untersagt. Andere Begriffe wie Schönheitschirurgin, ästhetischer Chirurg, kosmetischer Chirurg, Beauty Doc oder „Master Injector“ sind nicht geschützt und nicht aussagekräftig. Ärzt:innen sollten zudem konkret auf alle Risiken hinweisen und immer eine ausreichende Bedenkzeit einräumen. Der Eingriff sollte auf keinen Fall unmittelbar nach der Aufklärung erfolgen. Hilfreich ist es, wenn eine Praxis oder Klinik nach europäischen Standards zertifiziert ist, erkennbar am ISO-Zeichen, das unter anderem für eine regelmäßige Kontrolle steht. In Deutschland ist es verboten, mit Vorher-Nachher-Bildern zu werben.
  • Zahlt die Krankenkasse, wenn etwas schief läuft? Nach Faltenunterspritzungen, Piercings, Haartransplantationen oder Brustvergrößerungen kann es zu Komplikationen kommen, die behandelt werden müssen. Dann gilt Folgendes: Die deutsche Krankenkasse muss Versicherte laut Gesetz in angemessener Höhe an den Kosten beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise versagen oder zurückfordern (§ 52 Absatz 2 SGB V, Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden).

„Faktencheck Gesundheitswerbung“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

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