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Börsen-Zeitung: Gelebte Aktionärsdemokratie - Kommentar zur Hauptversammlung der Deutschen Börse von Dieter Kuckelkorn

26.05.2005 – 18:00

Frankfurt (ots)

Auch wenn es auf der Hauptversammlung der
Deutschen Börse nicht zu dem von einigen Zuschauern erhofften
„Showdown“ zwischen der Verwaltung und den opponierenden Aktionären
gekommen ist, es hat sich zweifellos um eine denkwürdige
Veranstaltung gehandelt. Die Vorschläge der Verwaltung wurden nicht
mit den sonst üblichen astronomisch hohen Zustimmungsquoten goutiert,
wie sie früher jedem Ostblock-Politiker zur Zierde gereicht hätten.
Zwar wurde Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung gewährt, sie trugen
jedoch ein blaues Auge davon.
Bei einem wichtigen Tagesordnungspunkt scheiterte die Verwaltung
sogar: Es konnten sich nicht genügend Aktionäre für die Idee
erwärmen, dem Vorstand per Vorratsbeschluss die Genehmigung für
Kapitalerhöhungen in einem stattlichen Umfang zu geben. Dies
verwundert nicht: Bei der Deutschen Börse geht es in nächster Zeit
eher um die Rückführung von Kapital an die Anteilseigner. Zudem hatte
die Gesellschaft versucht, eine Akquisition zu einem hohen Preis
gegen den Willen der Mehrheit der Aktionäre durchzusetzen. Dass die
Anteilseigner künftig in jedem Einzelfall gefragt werden wollen, ist
verständlich. TCI-Chef Christopher Hohn nennt das zu Recht „gelebte
Aktionärsdemokratie“ und gute Corporate Governance. Obwohl die
gegenwärtige, von angelsächsischen Adressen dominierte Struktur des
Aktionariats der Börse eher die Ausnahme bei den deutschen
Publikumsgesellschaften bleiben wird, so ist mit Nachwirkungen über
das Unternehmen hinaus zu rechnen. Künftig werden auch deutsche
Investoren Vorstände und Aufsichtsräte enger an die Kandare nehmen.
Dieser Trend birgt natürlich auch Gefahren. Unter anderem droht die
Ausrichtung der Gesellschaften bei stärkerem Druck der Aktionäre noch
kurzfristiger zu werden. Allerdings fällt auf, dass es bei der
Deutschen Börse gerade die nach eigener Aussage langfristig
orientierten deutschen Institutionellen sind, die längst verkauft
haben. Die vielgescholtenen Hedgefonds wie TCI und Atticus sind
hingegen nach wie vor engagiert und betonen die langfristige
Wertschöpfung.
Per saldo deutet sich damit ein durchaus fruchtbarer Dialog
zwischen den Gesellschaften und ihren Aktionären an, der auf längere
Sicht positiv zur Entwicklung des Standorts Deutschland beitragen
wird.
(Börsen-Zeitung, 27.5.2005)

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