Wissenschaftliches Institut der AOK
Gesundheitspolitik: Bevölkerung gegen Leistungseinschränkungen
Bonn (ots)
Vor die Alternative gestellt, entweder auf Leistungen zu verzichten oder höhere Beiträge zu bezahlen, spricht sich eine deutliche Mehrheit (70 %) der gesetzlich Krankenversicherten für höhere Beiträge aus. Nur knapp 20 Prozent würden es vorziehen, auf gesetzliche Leistungen zu verzichten.
Dies ist ein zentrales Ergebnis einer bundesweiten repräsentativen Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die im März und April 2002 durchgeführt wurde. Dabei wurde auch deutlich, dass viele Bürger mit dem jetzigen Gesundheitssystem unzufrieden sind. "Die Zufriedenheit bröckelt", so Klaus Zok vom WIdO, "die Versicherten blicken mit skeptischen Erwartungen in die Zukunft. Insbesondere erwartet die große Mehrheit (91,2 %) weitere Beitragssteigerungen in den nächsten fünf Jahren."
Bei den 3.000 Befragten bestehen - nur wenige Monate vor der Bundestagswahl im September - konkrete Vorstellungen, was die Politik verändern soll, und ebenfalls klare Erwartungen in Bezug auf mehr Patientenbeteiligung und Verbraucher-information.
Wirtschaftlichkeitsreserven identifizieren
Die Umfrage macht deutlich, dass die Versicherten das Gesundheitssystem kritisch beurteilen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist der Auffassung, dass im deutschen Gesundheitswesen viel Geld verschwendet wird. 60 % der Versicherten sehen beträchtliche Wirtschaftlichkeitsreserven. Als hauptverantwortlich für die Wirtschaftlichkeitsdefizite wird an erster Stelle die Politik gesehen.
Raum für mehr Beratungsqualität
Aber auch bei den Leistungen von Ärzten und Apothekern wird Verbesserungsbedarf gesehen. Die im Rahmen der Umfrage erhobenen Erfahrungen von Patienten in Arztpraxen und Apotheken lassen klare Erwartungen in Richtung mehr Behandlungs- und Beratungsqualität erkennen.
Bei einem Arztbesuch erwartet die Mehrheit der Patienten, dass sich ihr Arzt genügend Zeit nimmt, den Ursachen ihres Gesundheitsproblems nachgeht, sie in die Behandlungsentscheidung mit einbezieht und die Krankheit genau erklärt. Die Behandlungsrealität in den Praxen sieht aber offensichtlich anders aus - denn ein Viertel der Befragten kritisiert, dass der behandelnde Arzt zu wenig Zeit für sie hatte. 28,4 % beklagen, dass ihr Arzt nicht allen möglichen Ursachen nachgegangen sei. 27 % der Patienten fühlen sich nicht ausreichend in die Behandlungsentscheidung mit einbezogen, und jedem Fünften (21 %) ist seine Krankheit nicht genau erklärt worden.
Entgegen manchen Behauptungen gibt es keineswegs eine feste Verordnungserwartung bei den meisten Patienten. Nur 41,2 % der Befragten gehen mit der Erwartung zum Arzt, ein Medikament verschrieben zu bekommen. Fast drei Viertel (71,3 %) gaben jedoch an, ein Arzneimittelrezept von ihrem Arzt erhalten zu haben.
Aus den Umfrageergebnissen wird ebenfalls deutlich, so Zok, dass die anschließende Patientenberatung in der Apotheke vom Umfang her begrenzt ist - nur ein Drittel der Befragten mit einem Rezept wurde überhaupt beraten.
Wenn eine Beratung in der Apotheke erfolgte, standen dabei Dosierungshinweise für das verschriebene Medikament im Vordergrund (bei 84 %). Über die Hälfte der Patienten (56,7 %) gab an, dass in der Beratungssituation nicht über Risiken und Nebenwirkungen gesprochen wurde und zwei Drittel der Befragten (67,6 %) sagen, das Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kein Thema war.
Mehrheit für Gesundheitsabgabe
Die Reaktionen der Versicherten auf einzelne Vorschläge für eine bevorstehende Gesundheits-reform fallen unterschiedlich aus. Eine deutliche Mehrheit der Befragten spricht sich für eine Ausweitung der Versicherungspflicht aus. 68,7 % halten die Einbeziehung von Beamten und Selbständigen in die GKV für wünschenswert.
Auf relativ hohe Zustimmung stößt auch der Vorschlag einer Gesundheitsabgabe. Über die Hälfte der Befragten (56,5 %) unterstützt die Forderung, Alkohol und Tabak zu verteuern, um so einen Teil der Gesundheitsausgaben zu finanzieren. Keine Zuzahlungserhöhung
Dagegen lehnt die große Mehrheit der Befragten eine Praxisgebühr sowie höhere Zuzahlungen für Patienten klar ab. Entsprechende Forderungen stoßen nicht einmal bei 10 % der Befragten auf Zustimmung.
Wichtige Eckpfeiler einer künftigen Gesundheitspolitik werden von den Versicherten vor allem auf den Feldern der Prävention, der Qualitätssicherung und der Patientenaufklärung gesehen.
Prävention stärken
Vier von fünf Befragten (83,7 %) sind der Auffassung, dass Versicherte finanziell entlastet werden sollten, wenn sie gesundheitsbewusst leben und regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Fast ebenso groß ist der Bedarf an Information und Aufklärung über die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung. Von den Krankenkassen wird hier eine aktiven Rolle erwartet: 83,8 % der befragten GKV-Mitglieder befürworten, von ihren Krankenkassen über die Qualität von Ärzten und Krankenhäusern aufgeklärt zu werden.
Die Versicherten legen ebenfalls Wert darauf, dass die Qualität der ambulanten Versorgung besser kontrolliert wird. Fast neun von zehn Versicherten (87,0 %) sind der Ansicht, dass die Qualifikation von Ärzten regelmäßig überprüft werden sollte.
Die Ergebnisse der Befragung können direkt beim Wissenschaftlichen Institut der AOK bezogen werden (Tel.: 0228/843-131) oder sind im Internet abrufbar unter: wido.de.
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