Westfalenpost

Westfalenpost: Retourkutsche Glos: Rücktrittsangebot als Minister

08.02.2009 – 18:59

Hagen (ots)

Von Jörg Bartmann
Amtsmüde und verlassen, ausgelaugt und angegriffen, hintergangen 
und überfordert. Unter diesen Umständen ist das Rücktrittsangebot von
Michael Glos verständlich. Der Mann will nicht mehr einem Ministerium
vorstehen, das er nie geliebt hat. 2005 wurde er in die Große 
Koalition eingebunden, weil Stoiber die Flucht von Berlin nach Bayern
antrat. Der Müllermeister war mit dem Apparat schlicht überfordert. 
Als einflussreicher Vorsitzender der CSU-Landesgruppe fühlte sich 
Glos wohl, als Minister begann der schleichende politische 
Niedergang.
 Sein Rücktrittsgesuch wirkt in der Rezession wie eine Flucht, wie 
ein Eingeständnis des Versagens. Gleichwohl gibt es persönliche 
Gründe. Kanzlerin Merkel hat ihn eher links liegen gelassen und 
CSU-Parteichef Seehofer machte aus seiner Abneigung nie einen Hehl. 
Die Nachfolgediskussion hat Seehofer eher forciert, denn gestoppt. 
CSU-Schatzmeister Bauer hat das Signal gern aufgenommen und sich 
selbst empfohlen. Das war zu viel. Mit seinem öffentlich gemachten 
Brief hat Glos Parteichef Seehofer unter Zugzwang gesetzt. Eine 
politische Retourkutsche, die das gerade mühsam aufgestellte 
Machtgefüge der CSU beeinträchtigt.
 Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl kann sich Seehofer einen 
Nachfolgeflop im Wirtschaftsministerium nicht leisten. Deshalb die 
prompte Ablehnung des angebotenen Rücktritts. Für wie lange, ist 
offen. Das Vorpreschen von Glos ist insgesamt für die Union 
unangenehm, es ist ein Dilemma. Bleibt Glos bis zur Wahl im Amt, wird
er von der Opposition als "lahme Ente" getrieben. Wird ein 
Übergangskandidat benannt, haftet der Union der Makel an, keinen 
geeigneten Minister für ein wichtiges Ministerium zu haben. Das 
zerrüttete Verhältnis zwischen Seehofer und Glos hat zweifelsfrei 
zahlreiche Verlierer erkennen lassen:
 Bundeskanzlerin Angela Merkel, sieht sich bedrängt, weil es an der 
inneren Einigkeit der Regierung fehlt, die aktuelle Wirtschaftskrise 
durch Personalgerangel überschattet wird;
 Horst Seehofer, weil er sich gern brüstet, aus München die Berliner 
Bühne zu hinterfragen und nun selbst auf dem falschen Fuß erwischt 
wurde;
 Michael Glos, weil er als Minister mit Verfallsdatum es verpasst 
hat, mit Würde aus dem Amt zu scheiden. Wenn schon Rücktritt, dann 
sofort - hier und heute.

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