Mittelbayerische Zeitung

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur allgemeinen Dienstpflicht: Aus dem Sommerloch von Reinhard Zweigler

13.08.2018 – 18:26

Regensburg (ots)

Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht statt der ausgesetzten Wehrpflicht könnte man als das Thema im politischen Sommerloch des Jahres 2018 betrachten. Zumindest liegt es deutlich vor der Aktion der niedersächsischen Straßenbaubehörde, die allen Ernstes die Dienste einer Elfenbeauftragten in Anspruch nahmen, um die unfallträchtige A2 sicherer zu machen. In der politischen Sommerpause schaffen es immer wieder skurrile Themen in die Schlagzeilen der Presse und in die sozialen Medien. Tiere gehen offenbar besonders gut. Man erinnere sich nur an den Kaiman Sammy, der vor 24 Jahren in einem Baggersee verschwunden war und Deutschland wochenlang beschäftigte. Der Killer-Wels Kuno soll vor 17 Jahren sogar einen Dackel gemeuchelt haben. Hohes Erregungspotenzial hatte erst recht der Bär Bruno, der kurz vor dem Fußball-WM-Märchensommer 2006 in Bayern auftauchte. Dass der "Problem-Bär" (Originalton Edmund Stoiber) schließlich abgeschossen wurde, wuchs sich fast zu einer Staatsaffäre aus. Und wenn die erste Reihe der Politik größtenteils im Urlaub weilt, bietet sich eine Chance für Hinterbänkler, nun selbst einmal in den medialen Fokus zu rücken. Der einstige CSU-Abgeordnete Dionys Jobst schlug vor 25 Jahren glatt vor, Mallorca zum 17. deutschen Bundesland zu machen. Dass er das eigentlich im Scherz gesagt hatte, tat der Empörung über den Vorschlag keinen Abbruch. Eine höhere Steuer auf Currywürste, weil die so ungesund seien, verlangte eine Grünen-Abgeordnete. Und manche Schnapsidee feierte sogar Wiederauferstehung. Die einstige CSU-Landrätin Gabriele Pauly plädierte vor elf Jahren für die Ehe auf Probe. Lebenslänglich gebe es nur, wenn die Ehepartner sieben Jahre nach der Trauung die Verlängerung beantragten. Vier Jahre nach Paulys Vorschlag machte das selbe Thema noch einmal Schlagzeilen. Beliebte Themen in eher nachrichtenarmen Zeiten sind auch die Urlaubsgewohnheiten von Regierungsmitgliedern. So wie der verstorbene Alt-Kanzler Helmut Kohl jedes Jahr zum Wolfgangsee reiste und dort mit der Familie für schöne Bilder posierte, war für Angela Merkel eigentlich immer Wandern in den Dolomiten angesagt. Oder vielleicht auf der Insel Ischia im Golf von Neapel. Dass die Kanzlerin heuer nicht in Italien beim Wandern gesichtet wurde, ließ sogleich Gerüchte über eine Ehekrise aufkommen. Dabei zeigte sie sich mit Ehemann Joachim Sauer gleich bei drei Opern-Events in Bayreuth, München und Salzburg. Klassik zur Erbauung und als Gegenprogramm zum Stress in der Regierung, etwa zum Dauerclinch mit CSU-Chef Horst Seehofer. Allerdings ließ das Kanzleramt auch in diesem Jahr offiziell nichts über die Urlaubspläne der Regierungschefin verlauten. Und dass sie wegen der Dürre ihren Urlaub unterbrechen sollte, verlangte nur der Chef einer Umweltorganisation. Regnen lassen, kann es Merkel auch nicht. In dieser Woche taucht die Kanzlerin, wenn man so will, aus ihrem zweieinhalbwöchigen Sommerloch wieder auf. Ihr Terminkalender ist prall gefüllt. Ohnehin sind sie und die anderen Spitzen der Regierung "ständig im Dienst", über die modernen Kommunikationsmittel jederzeit erreichbar. Zum Fall Özil - fast schon vergessen - äußerte sich Merkel aus unbekannter Ferne. Das klassische Sommerloch, dass es vielleicht noch vor zwei, drei Jahrzehnten gab, existiert in der Welt von Facebook, Twitter und Co. eigentlich nicht mehr. Die Netzgemeinde ist ständig aktiv, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Und nicht nur Donald Trump spielt auf dieser Klaviatur - und löst regelmäßig Erregungswellen aus, quer über den Globus. In der heutigen, medial schnelllebigen Zeit kann sich die Politik, können sich Politiker eigentlich kein Sommerloch leisten, sie müssen ständig präsent, ständig erreichbar und sprechfähig sein. Dabei wäre ab und zu mal abschalten, mal offline sein, einfach mal in Ruhe nachdenken, so wichtig.

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