Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema anonyme Bewerbungen

15.08.2010 – 20:35

Bielefeld (ots)

Alexander soll es nicht leichter haben als Ahmet, und wenn Aishe besser ausgebildet ist als Anna, soll sie künftig auch die Stelle bekommen: Anonyme Lebensläufe sollen die Chancengleichheit von Bewerbern erhöhen. Die Idee ist gut, das Konzept aber aus mehreren Gründen nicht ausgereift. Die Frage ist erst einmal, wie weit die Anonymisierung geht. Um keinen Rückschluss auf das Alter zuzulassen, müssten die Zeitangaben im Lebenslauf und in allen Zeugnissen gestrichen werden. Nun ist es für einen Personalchef aber nicht unerheblich zu erfahren, wie lange das Studium eines Bewerbers zurückliegt oder in welchen Abständen er welche Stelle gewechselt hat. Darüber hinaus können beispielsweise Türkisch-Kenntnisse oder ein Schulabschluss aus Nowosibirsk ein sachlicher Grund sein, jemanden einzustellen oder auch nicht. Für Unternehmen sind diese Informationen notwendig. Doch so werden zugleich viele Bewerber als Zuwanderer erkannt. Und was ist mit einem Personalchef, der gezielt einen Mitarbeiter bestimmten Geschlechts und Alters sucht? Der in einer Abteilung nur 25 bis 35 Jahre alte Männer beschäftigt und mit einer etwas älteren Frau Erfahrung und eben Mischung in die Abteilung bringen will? Er bekommt mehr Arbeit, weil er sich Bewerbern widmen muss, die er sonst erst gar nicht eingeladen hätte, die er aber auch nach dem Vorstellungsgespräch nie einstellen würde. Es ist nämlich höchst unwahrscheinlich, dass jemand allein aufgrund seines anonymisierten Lebenslaufs einen Job bekommt. Spätestens beim Vorstellungsgespräch lernt das Unternehmen den Kandidaten persönlich kennen. Und dann kommen der Migrationshintergrund, Alter und Geschlecht ans Tageslicht. Wer keine 52 Jahre alte Mutter aus dem Libanon einstellen möchte, kann sie auch jetzt noch ablehnen - Qualifikation hin oder her. In vielen Firmen gehört es aber vielmehr fest zur Unternehmenskultur, die Vielfalt zu fördern. Eine multikulturelle Belegschaft kann gerade für global agierende Unternehmen einen enormen Wettbewerbsvorteil bieten. So ist es kein Wunder, dass die meisten Personalchefs nach wie vor bebilderte Bewerbungen bevorzugen, die zugleich etwas über das Alter, Geschlecht oder die Herkunft des Kandidaten verraten. Nur 17 Prozent der deutschen Personal- und Finanzmanager ziehen einen anonymisierten Lebenslauf vor, wie eine Studie des Personaldienstleisters Robert Half Finance & Accounting aus Frankfurt ergeben hat. Letztendlich ist es nicht wünschenswert, wenn Politiker Unternehmern vorschreiben, wie sie ihre Mitarbeiter einzustellen haben. In den meisten Unternehmen werden die Menschen nach Qualifikation und Können ausgesucht. Jeder Arbeitgeber sollte frei entscheiden können, welche Angaben er in einer Bewerbung haben möchte und welche nicht.

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