Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Merkel-Besuch in Algerien

17.09.2018 – 21:00

Bielefeld (ots)

Angela Merkels Tagestrip nach Algier hatte viele Gründe - nur einen nicht: algerischen Schülerinnen beim Unterricht in Physik und Deutsch zuzuschauen. Die Botschaft war klar. Seht her, kluge junge Frauen unter Kopftüchern lernen für ein weltoffenes Land auf dem Sprung in die Moderne. Tatsächlich aber ging es um eine Begegnung mit dem schwerkranken und seit langem nicht mehr gesehenen Dauerpräsidenten Abdelaziz Bouteflika (81). Es heißt, er sei an den Rollstuhl gefesselt und kaum des Sprechens fähig. Ohne überzeugende Zusicherung des - je nach politischer Haltung des Betrachters - greisen oder weisen Herrschers alten Schlags wird der größte Flächenstaat Nordafrikas am Freitag im Bundesrat nicht als sicheres Herkunftsland durchgehen. Ohne Bouteflika kann es beim nächsten europäischen Flucht- und Migrationsgipfel keine Lösung geben. Die europäischen Staatschefs werden Merkel bohrende Fragen stellen, was das Wort des algerischen Übervaters wert ist. Hält er die Zügel noch in der Hand, oder ist der angebliche Stabilitätsanker mehr denn je Marionette der Militärs? Algerien ist nach einem Putsch und zehn Jahren Bürgerkrieg unter dem 1999 mit Wahlbetrug ins Amt gemogelten Bouteflika zur Ruhe gekommen - allerdings um den Preis fortwährender Unterdrückung. Das totalitäre Regime und sein allgegenwärtiger Geheimdienst halten die Fassade aufrecht. Dahinter geschieht kaum etwas ohne Verstrickungen der Offiziellen mit mafiösen Strukturen. Aus den Weiten der algerischen Sahara stammt das Wort von den Gangster-Dschihadis. Gemeint sind bewaffnete Milizen, die sich ein politisches Label verpassen, vor allem aber auf Profit aus sind. Menschenschleusungen, Drogenhandel und Waffenverkäufe aus alten libyschen Beständen an Tuaregs und Islamisten in Mali - es gibt nichts, was Kenner der Szene nicht dem Milieu aus käuflichen Militärs, korrupten Beamten und organisierter Kriminalität zutrauen. Mehr noch: Der einzige ganz große Terroranschlag 2013 auf ein Gasfeld bei Amenas wird bis heute in der Literatur nicht unbedingt Al-Kaida zugerechnet. Er wird von vielen als mögliche Inszenierung des Sicherheitsapparates eingeschätzt, um die Daumenschrauben im Innern noch stärker anziehen zu können. Angesichts des unlösbaren Migrationsproblems zählt in Berlin und Brüssel allerdings nur eines: Bouteflika ist schlau genug, es sich nicht mit den Nachbarn im Norden zu verderben. Seine Mittelmeerküste diente schon einmal als Ausgangspunkt für Fluchtrouten nach Südfrankreich und auf die Balearen. Dann war plötzlich Pause. Inzwischen steigt die Zahl der Überfahrten wieder. Höchste Zeit also für Merkel, einem der finsteren Türsteher Europas ihre Aufwartung zu machen.

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