Das Erste
"ttt - titel thesen temperamente" am 19. November 2006
München (ots)
"ttt" am 19. November 2006 um 23.00 Uhr kommt vom MDR. Folgende Themen sind geplant:
1. Die Macht der Camorra - Italiens Bestsellerautor Roberto Saviano im Visier der Mafia Roberto Saviano hat in die Tiefen von Neapels Unterwelt geblickt. Der 27-jährige Autor sah dabei zu, wie Süchtigen ein neuer Drogenmix injiziert wurde. Er ließ sich von Chinesen die Fälscherwerkstätten zeigen und die Lagerhallen am Hafen, wo jährlich 1,6 Millionen Tonnen Ware aus China legal anlanden und eine Million illegal. "Gomorra" heißt das Buch, in dem der Neapolitaner Saviano auch die Camorra-Geschäfte rund um den Globus beschreibt. Saviano stützt sich dabei auf Ermittlungsakten. Und er schreibt ganz offen über die Bosse, benennt sie mit Namen. Seit Wochen lebt der Autor deshalb unter Polizeischutz - gehetzt von der Camorra, unerreichbar für die Medien. In "ttt" erklärt sein Kollege und Freund Nicola Lagioia, warum Saviano so schnell nicht wieder auftauchen wird. Seine Berichte aus der Unterwelt sind so brisant wie niederschmetternd: Camorra-Bosse sind in Neapel beliebt wie Popstars. Ihre Geschäfte gehen gut wie nie, weil die Camorra wie internationale Konzerne operiert, Märkte monopolisiert und Interessenskonflikte mit dem Staat in freundlichem Einvernehmen löst. Seit Jahresanfang wurden in der Stadt und Provinz Neapel über 70 Menschen erschossen. Mitte voriger Woche starb das zwölfte Opfer in zehn Tagen. Giorgio Bocca, Journalist und Publizist, meint zu der Verfolgung Savianos, der Staat habe vor dem Verbrechen kapituliert, die Camorra den Krieg gegen die Menschen gewonnen. Schöne Aussichten, nicht nur unter dem Vesuv. Es ist gefährlich für einen Schriftsteller, zu dicht an der Wahrheit zu schreiben. Roberto Saviano hat einen brillanten und aufsehenerregenden Bestseller über die Camorra geschrieben. "Gomorra" ist jetzt in Italien erschienen. Autor: Andreas Lueg
2. Deutschland und die Raubkunst - Wie deutsche Sammlungen massiv mit Restitutionsansprüchen konfrontiert sind Deutsche Museumsdirektoren stehen zurzeit unter erhöhtem Druck. Seit Jahren fordern Erben die Rückgabe der Sammlerstücke ihrer Vorfahren, die teils enteignet, teils unter Druck oder "mittelbarem Zwang" der Nazis verkauft werden mussten. In einigen Fällen ist die Restitution schon erfolgt, so im umstrittenen Fall von Ernst Ludwig Kirchners "Berliner Straßenszene", das noch im August dieses Jahres im Berliner Brücke Museum hing. In der vergangenen Woche wurde es bei Christie's in New York für 30 Millionen Euro versteigert. Forderungen nach Rückgabe liegen auch für Bilder von August Macke, Lyonel Feininger und Franz Marc vor. Die Stuttgarter Staatsgalerie soll nun Franz Marcs "Die kleinen blauen Pferde" zurückerstatten. Beim Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen liegt ein Restitutionsbegehren für "Das Urteil des Paris" von Kirchner vor, ebenso bei der Moritzburg in Halle für Franz Marcs "Die weiße Katze". Befürchtet wird, dass insgesamt über 50 Meisterwerke aus deutschen Museen in die Villen und Tresore von Sammlern in aller Welt abwandern könnten. Die Erlöse, die Werke des deutschen Expressionismus bei internationalen Auktionen erzielen, haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Die deutschen Museumsdirektoren werfen einigen Akteuren vor, die moralische Schuld, in der Deutschland steht, geschickt zu benutzen, um Kasse zu machen. Dabei spricht niemand den Nachfahren verfolgter oder ermordeter deutscher Juden das Recht ab, Kunstwerke, die in Folge der Naziherrschaft abgepresst wurden, zurückzuverlangen. Doch nicht immer ist die Rechtslage klar. Um so schnell wie möglich eine Regelung zu finden, die den Ausverkauf deutscher Museen verhindert, aber die berechtigten Ansprüche jüdischer Erben wahrt, hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann deshalb am 20. November Vertreter wichtiger Kulturinstitutionen und Museen sowie Rechtsexperten zu einem Krisengespräch gebeten. Autor: Rayk Wieland
3. Der Fotograf der Klimakatastrophe - die Fotos des kanadischen Fotografen Edward Burtynsky Kann man heute die Schönheit der Natur in der Kunst noch unbefangen feiern, wie es die Maler im 19 Jahrhundert getan haben? Wohl kaum, denn zu angegriffen, zu sehr zerstört ist unsere Umwelt. Der kanadische Fotograf Edward Burtynsky zeigt in seinen Naturfotos konsequenterweise eine geschundene, deformierte Erde: giftig verfärbte Flüsse, durch Abbau geschaffene Kraterlandschaften, riesige Müllhalden - Folgen unserer Industriegesellschaft. Ursprünglich hatte Burtynsky damit angefangen, unberührte Landschaften zu fotografieren, bis er begriff, "dass es hundert Jahre zu spät dazu war." Deshalb fotografiert Burtynsky von Menschenhand geschaffene Landschaften, "Manifactured Landscapes", wie er sie nennt: stilisierte, surreal anmutende Bilder einer kaputten Welt - eine Ästhetik des Grauens. Edward Burtynsky zeigt Orte eines Umbruchs, dessen Ausmaß in der Geschichte ohne Beispiel ist. Was der Künstler nicht moralisch überhöhen will: "Für mich stellt sich nicht die Frage, ob wir unseren konsumistischen Lebensstil aufgeben können. Wir werden es ohnehin nicht tun." In Nairobi findet zurzeit der Welt-Klimagipfel bis zum 17. November statt, wo unter anderem die Folgen der Erderwärmung diskutiert werden. Wie gehen Künstler mit dem Thema um? Autor: Lars Friedrich
4. Der Malerstar Neo Rauch - das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt die erste große Retrospektive des berühmten Malers Neo Rauch, Jahrgang 1960, gehört zu den gegenwärtig erfolgreichsten Künstlern weltweit. Seine anspielungsreichen Gesellschaftsbilder sind bei Sammlern so begehrt, dass es für Interessenten beträchtliche Wartezeiten für "Rauch-Bilder" gibt. Rauch beargwöhnt eher das überhitzte Treiben auf dem Kunstmarkt und wehrt sich erfolgreich gegen das Vorurteil, seine Malerei sei ein Symptom des Kunstmarktes. Sein Stil ist zwischen der plakativen Kunst der fünfziger Jahre und den amerikanischen Comics der Neuzeit angesiedelt: Heroisch wirkende Werktätige, aktive Nobodys in der modellierten Naturkulisse voller Gegenstände und damit voller neuer Aufgaben - und doch wirken die Bilder wie vergilbt. Die Landschaften werden zu Seelenlandschaften. Neo Rauch, von vielen Kunstkritikern als Komet am deutschen Kunsthimmel bezeichnet, ist der Star einer neuen deutschen Malerei, die ihre Wurzeln in der Leipziger Schule hat. Rauch war Meisterschüler bei Bernd Heisig und vertritt in der Kunst das realistisch-allegorische Erzählen. Jetzt zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg eine große Retrospektive des Leipziger Superstars. Bis zum 11. März 2007 zeigt die Ausstellung "Neo Rauch: Neue Rollen. Bilder von 1993 bis heute" mit 74 Werken die bislang umfangreichste Einzelausstellung seiner Bilder. Autor: Meinhard Michael
5. Karl May als Sexualforscher - das erste Werk "Das Buch der Liebe" erfährt jetzt eine Neuauflage Er steht bis heute ganz oben auf der Liste der meistgelesenen deutschen Autoren. Sein Werk wird seit Jahrzehnten bis in jeden Winkel erforscht, es gibt gleich mehrere Gesamtausgaben. In allen aber fehlte ein Werk, nicht irgendeines, sondern das erste Werk des Schriftstellers überhaupt. Nur wenige wussten von seiner Existenz, über 100 Jahre war es verschollen: "Das Buch der Liebe". Es zeigt Karl May von einer völlig neuen Seite, nämlich als Sexualaufklärer. Obwohl es zahlreiche, zum Teil erst jetzt ermittelte Fremdtexte enthält, darf es zugleich als Karl Mays Erstlingsbuch gelten. Als er es verfasste, war Karl May Anfang 30 und als ein völlig Unbekannter gerade aus achtjähriger Zuchthaushaft entlassen worden. Begonnen wurde es auf Wunsch seines Verlegers, der das von der Zensur verbotene, von einem unbekannten Verfasser stammende Aufklärungswerk "Die Geschlechtskrankheiten" in einem neuen Gewand wieder auf den Markt bringen wollte. "Das Buch der Liebe" erschien als Band 87 der Gesammelten Werke in Karl-May-Verlag Bamberg/ Radebeul. Autor: Rayk Wieland
Moderation: Caren Miosga
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