POL-GÖ: (152/2023) Polizeiliche Kriminalstatistik 2022 der Polizeiinspektion Göttingen: Straftatenaufkommen leicht gestiegen, Aufklärungsquote in Stadt und Landkreis auf dem Landesdurchschnitt
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Göttingen (ots)
GÖTTINGEN (vb/jk) - Der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion (PI) Göttingen Kriminaldirektor (KD) Oliver Tschirner (Foto) hat am Mittwochvormittag (22.03.23) im Dienstgebäude in der Göttinger Otto-Hahn-Straße 2 die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2022 für die Stadt und den Landkreis Göttingen vorgestellt.
An der Bekanntgabe der Jahresbilanz nahmen außerdem die stellvertretende Leiterin des Zentralen Kriminaldienstes (ZKD) Polizeioberrätin Vicky Berkhan sowie Polizeioberrat Thomas Reuter in seiner Funktion als Leiter Einsatz der PI Göttingen teil. Eine Auswahl der bei dem Pressegespräch präsentierten Grafiken sind als Anlage beigefügt.
Die nachgeordneten Polizeikommissariate (PK) in Bad Lauterberg, Duderstadt, Hann. Münden und Osterode werden ggf. in den kommenden Tagen für ihren lokalen Bereich die Medien informieren.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2022 für Stadt und Landkreis Göttingen im Detail:
- Kriminalitätsaufkommen leicht über dem Wert des Vorjahres - Aufklärungsquote wieder auf dem Landesdurchschnitt - Anstieg bei Straftaten im Kontext Häuslicher Gewalt - Senkung im Bereich der Tötungsdelikte - Fallzahlen bei Verbreitung pornografischer Schriften auf gleichbleibend hohem Niveau - Weiterer Rückgang bei den Wohnungseinbrüchen, aber Steigerung der Fahrraddiebstähle - Senkung der Fallzahlen zur Geldausgabeautomatensprengung - Weiterhin hohe Fallzahlen und Schadenssummen bei Straftaten zum Nachteil älterer Menschen - Mehr Widerstandsdelikte zum Nachteil von Einsatzkräften registriert - Anstieg im Bereich der Kinder- und Jugenddelinquenz
Das Kriminalitätsaufkommen im Bereich der PI Göttingen liegt für 2022 bei 21.454 Straftaten (2021: 20.661) und damit leicht über dem Wert des Vorjahres. Die Häufigkeitszahl (Taten pro 100.000 Einwohnenden) steigt auf 6.674 (2020: 6.254, 2021: 6.403).
Der Fallzahlenanstieg von 793 Delikten (plus 3,84 % zum Vorjahr) ist auf eine Steigerung der Körperverletzungsdelikte, Delikte des einfachen und des schweren Diebstahls, insbesondere des Fahrraddiebstahls, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Verbreitung, Erwerb, Besitz u. Herstellung von kinderpornografischen Schriften), Straftaten gegen die persönliche Freiheit (Nötigung, Bedrohung und Stalking) sowie Widerstand gegen Einsatzkräfte, aber auch auf den Anstieg der Fälle Häuslicher Gewalt zurückzuführen. Dies ist zum Großteil mit den Besonderheiten dieses weiteren Corona-Jahres zu erklären und korrespondiert mit den Lockerungen und Aufhebungen von Maßnahmen.
Aufklärungsquote
Die Aufklärungsquote der PI Göttingen liegt im Berichtsjahr 2022 mit 61,75% gleichauf mit dem Landesdurchschnitt. Der hohe Wert des Vorjahres (65,89%) konnte nicht gehalten werden. "Der Anstieg der Fallzahlen und die Senkung der Aufklärungsquote ist u.a. mit den Lockerungen und den Aufhebungen der Corona-Maßnahmen zu begründen, die seit 2020 die Fallzahlen beeinflusst haben. Somit haben wir uns wieder den Fallzahlen vor der Pandemie angenähert" so der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes (ZKD) der PI Göttingen, Kriminaldirektor (KD) Oliver Tschirner.
Dazu Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen stieg die Zahl der Straftaten im Jahr 2022 um acht Prozent und pendelten sich damit auf ein Vor-Pandemie-Niveau - wie zuletzt 2018 - ein. Die höchste Aufklärungsquote aus dem Jahr 2021 konnte leider nicht ganz erreicht werden: Sie sank leicht um drei Prozent - auf 63,84 Prozent - ab, liegt damit aber noch immer mehr als zwei Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt. Jede Polizeiinspektion in unserem Zuständigkeitsbereich erreichte in diesem Jahr ein Ergebnis über dem Landesdurchschnitt! Das Leben der Bevölkerung hat sich unter anderem nach dem Wegfall der beschränkenden Maßnahmen wieder beschleunigt: Die Menschen konnten wieder zusammenkommen. Wodurch sich auch vermehrt Situationen entwickelten, aus denen heraus Straftaten begangen werden konnten. Ich freue mich trotz des leichten Anstiegs der Fallzahlen über das Ergebnis und danke allen Mitarbeitenden meiner Behörde: Gemeinsam ist es Ihnen gelungen durch Fach- und Sachverstand, Motivation und Einsatzbereitschaft erneut den 1,24 Millionen Bürgerinnen und Bürger ein hohes Sicherheitsgefühl und Verlässlichkeit zu geben."
Häusliche Gewalt
Die Fallzahlenentwicklung im Kontext der Häuslichen Gewalt im Bereich der PI Göttingen ist stetig ansteigend. Im Jahr 2022 wurden in der gesamten PI Göttingen insgesamt 1.215 Fälle im Kontext "Häuslicher Gewalt" bearbeitet (2021: 1042). Die Erhöhung begründet sich zum Großteil durch eine Neudefinierung des Begriffes der Häuslichen Gewalt. Demnach zählt seit dem 29. August 2022, neben der partnerschaftlichen Gewalt (695 Delikte), nun auch familiäre Gewalt (349 Delikte), sowie Nicht-Opfer-Delikte (188 Delikte), wie bspw. der Diebstahl unter Familienangehörigen, zum Themenkomplex der Häuslichen Gewalt. Die Opfer sind in 70% der Fälle weiblichen Geschlechts. In der PI Göttingen wurden im Jahr 2022 zwei Hochrisikofälle bearbeitet. Ein Hochrisikofall ist immer dann anzunehmen, wenn sich Frauen und ihre Kinder subjektiv von (auch wiederholter) schwerer Gefahr bzw. einer Tötung durch ihren (Ex-) Partner bedroht fühlen und den involvierten Behörden und Einrichtungen tatsächliche Anhaltspunkte für diese Bedrohung vorliegen.
"Häusliche Gewalt steht im Fokus unserer Arbeit und findet sich in der Schwerpunktsetzung der kriminalistischen Arbeit der PI Göttingen auch im Jahr 2023 wieder" so KD Tschirner.
Dazu Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Es kann nicht sein, dass der gefährlichste Ort für Frauen das eigene Zuhause ist. Deswegen werden wir auch in Zukunft einen besonderen Fokus auf die Bekämpfung von Straftaten im häuslichen Umfeld legen - und zwar unter Zuhilfenahme aller Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Wir schulen nicht nur unsere Beamtinnen und Beamten im Einsatz vor Ort, wir sind - auch vor dem Hintergrund der Prävention derartiger Taten - im vergangenen Jahr zahlreiche Kooperationen mit verschiedenen Behörden und Opferschutzeinrichtungen eingegangen, um schnelle und effektive Hilfe leisten zu können. Gewalt gegen Frauen ist nicht hinnehmbar. Das werden wir ganz deutlich klarmachen und an die Gesamtbevölkerung appellieren, diese Straftaten anzuzeigen - denn genau das sind sie: schwere Straftaten. Dass das zwingend erforderlich ist, zeigt auch das Ergebnis der jüngsten Dunkelfeldstudie des LKA Niedersachsen. Häusliche Gewalt darf kein Tabuthema mehr sein."
Tötungsdelikte
Im Zuständigkeitsbereich der PI Göttingen wurden 2022 insgesamt sieben (7) Tötungsdelikte, einschließlich der Versuchstaten registriert (2021: 9). "In keinem Fall mussten wir eine Mordkommission einrichten", erläutert KD Tschirner. "Es gelang den Ermittlerinnen und Ermittlern alle Taten aufzuklären." In einem Fall wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes (§ 211 StGB), in vier weiteren Fällen wegen versuchten Totschlags (§ 212 StGB) geführt. Bei den zwei anderen Fällen handelte es sich um eine fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) und um einen Sterbefall im Kontext eines Klinikaufenthaltes. Bis auf einen Fall sind die Ermittlungsverfahren justiziell noch nicht abgeschlossen.
Im Detail waren dies:
Bei dem Mordfall handelt es sich um einen Mordversuch im Oktober 2022. Ein 25-jähriger männlicher Täter mit Migrationshintergrund drohte dem 24-jährigen Opfer nach einem Faustschlag ins Gesicht, es aufsuchen und töten zu wollen. Hierzu suchte er eine Tankstelle auf, kaufte Benzin, befüllte damit eine Flasche und begab sich zur Wohnung des Opfers. Dort entzündete er den Inhalt und warf die Glasflasche gegen die Terrassentür der Wohnung, in dem sich das Opfer aufhielt. Es entstand Gebäudeschaden. Durch das Amtsgericht (AG) Göttingen wurde ein Untersuchungshaftbefehl erlassen. Es wurde Anklage vor dem Schwurgericht erhoben.
Bei den Totschlagsdelikten handelt es sich zum einen um einen Fall aus Januar 2022. Ein psychisch erkrankter 35-jähriger Beschuldigter verlies am Morgen, mit einem Küchenmesser bewaffnet, seine Wohnung und schlug hiermit mindestens zwei Mal auf das, zufällig seinen Weg kreuzende und ihm unbekannte, 57-jährige männliche Opfer ein und verletzte dieses. Durch das AG Göttingen wurde eine geschlossene Unterbringung in der Asklepios Fachklinik (AFK) angeordnet. Die Staatsanwaltschaft (StA) Göttingen beantragt die Eröffnung eines Sicherungsverfahrens.
Bei dem zweiten Fall handelt es sich um einen versuchten Totschlag im Kontext "Häuslicher Gewalt". Im Februar 2022 fuhr der 47-jährige Beschuldigte seine von ihm getrenntlebende 39-jährige Ehefrau mit seinem Pkw an. Das Opfer wurde medizinisch versorgt. Es bestand keine Lebensgefahr. Der Beschuldigte begab sich zunächst freiwillig in die AFK. Es wurde Anklage vor dem Schöffengericht erhoben.
Ein anderes versuchtes Tötungsdelikt ereignete sich im Juli 2022. Der 68-jährige Beschuldigte schlug nach verbalen Streitigkeiten mindestens einmal mit einem Hammer auf den Kopf des 32-jährigen Opfers ein, wodurch es eine potenziell lebensbedrohliche Schädelfraktur erlitt, die operativ behandelt werden musste. Der Beschuldigte und das Opfer haben denselben Migrationshintergrund. Im Weiteren drohte der Beschuldigte die Beteiligten töten zu wollen. Er wurde aber durch einen Zeugen von einer weiteren Tatausführung abgehalten. Die Ermittlungen dauern noch an.
In einem vierten versuchten Tötungsdelikt wurde im August 2022 ermittelt. Im Rahmen wechselseitiger gefährlicher Körperverletzungen wurde angezeigt, dass einer der Beschuldigten mit seinem Pkw auf das 44-jährige Opfer zugefahren sein sollte. Das Opfer wurde durch den PKW nur leicht touchiert und erlitt leichte Verletzungen. Ermittlungen ergaben, dass das Opfer den 27-jährigen Beschuldigten an der Wegfahrt hindern wollte und an die Fahrerseite herangetreten war. Der Beschuldigte flüchtete vor diesem, so dass von keinem versuchten Tötungsdelikt auszugehen war. Aufgrund der Körperverletzungen wurde durch die StA Göttingen Anklage beim Strafgericht erhoben.
Die Ermittlungen im Verdacht einer fahrlässigen Tötung führten zum Ergebnis, dass von einem tragischen Unglücksfall ausgegangen werden musste. Das 83-jähriger Opfer wurde durch die 80-jährige Ehefrau bei Gartenarbeiten mit einem Quad angefahren. Beim Rückwärtsfahren war ihr Mann unbemerkt hinter das Fahrzeug gesprungen und erfasst worden. Das Opfer verstarb später im Krankenhaus. Das Verfahren wurde eingestellt.
Bei einem nicht weiter angeführten Verfahren handelte es sich um einen Todesfall im Zusammenhang mit einem Klinikaufenthalt (möglicher ärztliche Behandlungsfehler). Die Ermittlungen dauern noch an.
Zuletzt wurde wie in 2021 auch in 2022 in einem Fall von Körperverletzung mit Todesfolge (§227 StGB) ermittelt. Im Oktober 2022 kam es in der Göttinger Innenstadt zu körperlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Beteiligten. Vor Ort wurde ein 40-jähriges Opfer in bewusstlosem Zustand vorgefunden und im weiteren Verlauf mittels Rettungswagen einem Krankenhaus zugeführt, wo es später verstarb. Im Rahmen der Ermittlungen konnten Beschuldigte ermittelt werden. Die Ermittlungen dauern noch an.
Verbreitung pornografischer Schriften
Im Jahr 2022 wurden 195 Fälle der Verbreitung pornografischer Schriften polizeilich registriert (2021: 197 Fälle), davon sind 161 Fälle dem Bereich der Kinderpornografie (KiPo) zuzuordnen (2020: 160 Fälle). Die Fallzahlen sind auf demselben Niveau wie im Vorjahr. Seit ca. fünf Jahren ist ein Anstieg in diesem Phänomenbereich zu beobachten. Wohingegen 2018 noch 51 Straftaten registriert wurden, waren es 2019 schon 68 Taten und im Jahr 2020 wurden 136 Taten in der PI Göttingen registriert. Grund für den Anstieg ist das erhöhte Anzeigeverhalten bzw. Hinweisaufkommen, auch international. Unter anderem werden Verdachtsfälle von Kinderpornographie von der amerikanischen Organisation NCMEC (National Centre for Missing and Exploited Children) an das deutsche Bundeskriminalamt gemeldet, die die Fälle deutschlandweit zum Zweck der erweiterten Ermittlungen steuert. Anhand der gestiegenen Hinweise kann das Dunkelfeld erhellt werden. Durch die in der PI Göttingen eingerichtete und seit nunmehr zwei Jahren bestehende, etablierte Ermittlungsgruppe KiPo, werden personelle, wie technische Ressourcen lageangepasst eingesetzt, um die gestiegenen Fallzahlen und die damit einhergehende Datenmenge angemessen abzuarbeiten.
Dazu Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Die Anzahl der Delikte im Kontext des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen hat auch im vergangenen Jahr einen weiteren erschreckenden Anstieg erfahren müssen. Das "Tatmittel Internet" wurde in diesen Fällen in 84 Prozent genutzt und stellte uns vor Herausforderungen: Aufwendige und zeitintensive Auswertungen der komplexen Datensätze führen die Ermittlerinnen und Ermittler auf die Spur weiterer Krimineller, die die schutzlosen Opfer auf abscheuliche Art und Weise missbrauchen, aber auch auf die der Konsumenten des Materials. Die Polizeidirektion Göttingen legt ihren Schwerpunkt daher auch zukünftig in diesem Bereich auf die Ressourcen "Technik" und "Personal". Optimierte Sachbearbeitung unterstützt durch den Einsatz professioneller Software führte auch im Jahr 2022 wieder zu einer hohen Aufklärungsquote von 97,8 Prozent. Den Täterinnen und Tätern muss klar sein: Das Internet wird sie nicht vor der Strafverfolgung schützen - wir heben sie aus der Anonymität. Die Landesregierung reagierte zusätzlich mit Wertschätzung: Seit 2022 erhalten die engagierten Ermittlerinnen und Ermittler vier Tage Sonderurlaub als Ausgleich für ihre stark belastende Arbeit."
Wohnungseinbrüche
Auch im Jahr 2022 ist die Anzahl der Wohnungseinbrüche von 209 Taten auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau, wie bereits seit Beginn der Pandemie (2020: 314, 2021: 221). "Homeoffice-Tätigkeiten sowie weniger Abwesenheit durch Urlaube können hierfür ursächlich sein." führt Kriminaldirektor Tschirner aus.
Fahrraddiebstahl
In der Polizeiinspektion Göttingen ist ein starker Anstieg von 533 Taten (41,25%) des Fahrraddiebstahls von 2021 (1292) zu 2022 zu verzeichnen. Hierbei handelt es sich überwiegend um die Entwendung von E-Bikes. Die Schadenshöhe für 2022 liegt bei über 2,1 Mio. Euro. Die PI Göttingen ist diesem Problem mit einer Ermittlungsgruppe begegnet, die sich intensiv mit dieser Thematik beschäftigt hat. "Auch im Jahr 2023 steht die Problematik des Fahrraddiebstahls im Fokus der Ermittlerinnen und Ermittler", so KD Tschirner.
Rauschgiftkriminalität
Bei der Rauschgiftkriminalität ist eine Senkung der Fallzahlen von 1760 Taten (2021) auf 1545 (2022) festzustellen. 1 454 Taten konnten 2022 aufgeklärt werden (2021 > 1653). Die Aufklärungsquote ist mit 94% deliktsspezifisch gleichbleibend hoch.
Sprengung von Geldausgabeautomaten
In Westeuropa, Deutschland, Niedersachsen und auch in der PI Göttingen ist es weiterhin zu Sprengungen von Geldausgabeautomaten, in der Regel des nachts, gekommen. Ziel der Täter und Täterinnen sind hohe Geldbeträge, die meist im sechsstelligen Bereich liegen. In der PI Göttingen waren davon in 2022 nur zwei vollendete Taten (2021: 6) und drei (2021: 2) Versuche zu verzeichnen. "Trotz abnehmender Fallzahlen ist die Brisanz der Thematik sehr ernst zu nehmen, da die Täter professionell und skrupellos vorgehen. Durch die Einleitung eines Gases bzw. eines Gasgemisches und dessen anschließender Zündung werden durch die Täter erhebliche Sach-, Gebäude- bis hin zu Personenschäden billigend in Kauf genommen", so Tschirner.
Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Die Sprengung von Geldausgabeautomaten hat die Sicherheitsbehörden im Land 2022 stark bewegt. In unserem Zuständigkeitsbereich beläuft sich der Gesamtschaden auf etwa 1,5 Millionen Euro. Die Tätergruppierungen haben immer weniger Hemmungen, hochexplosive Stoffe und stark motorisierte Fahrzeuge einzusetzen. Sie nehmen dabei in Kauf, dass sowohl Anwohnerinnen und Anwohner als auch Polizeikräfte zu Schaden kommen können. Die zentralisierte Sachbearbeitung ist mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück angesiedelt, mit der unsere federführende Dienststelle - die Zentrale Kriminalinspektion - eng zusammenarbeitet. Die einzig nachhaltige präventive Möglichkeit, Geldautomatensprengungen für Täter unattraktiv zu gestalten, ist die Einführung von Sicherungsmaßnahmen mit hohen Sicherheitsstandards bei den Geldinstituten. Dieser Thematik hat sich unsere Landesregierung bereits angenommen."
Straftaten zum Nachteil älterer Menschen (SÄM)
Ältere Menschen sind auf Grund verschiedener Faktoren eine immer beliebtere Zielgruppe perfider Betrüger/innen. In 2022 Fälle im unteren vierstelligen Bereich festgestellt. Davon verblieben 92 % im Versuchsstadium. Der Gesamtschaden dieser Taten beläuft sich im Zuständigkeitsbereich der PI Göttingen auf einen hohen sechsstelligen Bereich. Im Jahr 2021 lagen die Fallzahlen im hohen dreistelligen Bereich. Auch hier machten 92 % Versuchstaten aus. Der Schaden lag im mittleren sechsstelligen Bereich. "Straftaten zum Nachteil älterer Menschen (SÄM) haben damit die Wohnungseinbrüche in Fallzahlen und Schadenshöhe quasi abgelöst," kommentiert Tschirner die Entwicklung in diesem Bereich.
EG SäM Südniedersachsen:
Zum 01. Januar 2022 wurde die Ermittlungsgruppe (EG) SäM Südniedersachsen im ZKD der PI Göttingen gegründet. Die EG ermittelt ausschließlich in diesem Phänomenbereich, um einerseits Strukturen und Bandennetzwerke offenzulegen und andererseits fallbezogen Straftaten aufzuklären. Davon konnten Taten operativ durch Kräfte der PI Göttingen unter Führung der EG SäM begleitet werden. Es folgten Festnahmen von Geldabholenden. Aufgrund der immer steigenden Anzahl von Straftaten in diesem Deliktsfeld ist eine Sensibilisierung potentieller Opfer von enormer Bedeutung. Unter die typischen kriminellen Vorgehensweisen fallen "falsche Polizeibeamte/innen", der "Enkeltrick", Schockanrufe und der kürzlich hinzugekommene "WhatsApp/SMS-Betrug". Bei dem letztgenannten Phänomen erhält das Opfer über den Messenger-Dienst WhatsApp als auch über SMS, eine Nachricht des angeblichen Kindes, mit der Bitte eine Rechnung zu begleichen. Entsprechende Bankverbindungen für eine Transaktion werden mitgeteilt. In dem Glauben das angebliche Kind in einer Notsituation zu unterstützen, überweisen die Geschädigten Geldbeträge in zumeist vierstelliger Höhe auf die Konten der Täter/-innen.
Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Im Jahr 2022 sind die Straftaten zum Nachteil älterer Menschen um rund 30 Prozent auf eine mittlere vierstellige Anzahl angestiegen. In rund 84 Prozent der Taten blieb es beim Versuch. In den übrigen 16 Prozent der Taten ist ein Schaden im niedrigen einstelligen Millionen Euro-Bereich erfasst worden. Diese Entwicklung dürfte im Wesentlichen damit zu erklären sein, dass dieses Vorgehen trotz aller medialer Befassung und (polizeilicher) Präventionsarbeit noch immer funktioniert und Täter weiterhin genug Geld bei relativ geringem Entdeckungsrisiko generieren können. Wir stellen vor diesem Hintergrund fest, dass wir dieses Phänomen nur mithilfe intensiver Präventionsarbeit aller beteiligten Akteurinnen und Akteure von Polizei, Bankenwirtschaft, Medien und Opferhilfeeinrichtungen wirksam eindämmen können: Bleiben Sie daher wachsam und achten Sie auf Seniorinnen und Senioren in Ihrem Umfeld!"
Gewalt gegen Kräfte des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und Polizeivollzugsbeamte
Für 2022 mussten im Phänomenbereich der Gewalt gegen Kräfte des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und Polizeibeamte 173 Fälle verzeichnet werden (2021: 166 Fälle). Unter der Begrifflichkeit wird neben der Bedrohung und der Körperverletzung u.a. auch der Widerstand und der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen subsumiert. Hierbei wurden 9 Feuerwehrleute (2021: 0), 24 Kräfte des Rettungsdienstes (2021: 22) und 389 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte (2021: 372) Opfer.
KD Tschirner führt hierzu an:
"Dieser Anstieg ist nicht tolerierbar! Wir begegnen diesem Umstand u.a. mit erweiterten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen und dem Einsatz von technischem Gerät (Bodycams) im Bereich der Beweis- und Eigensicherung, um die eingesetzten Kräfte zu stärken".
Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Gewalt gegen Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und der Feuerwehr ist nach wie vor ein Problemfeld: Die Zahl der Taten bleibt auf einem hohen Niveau. Die Zahl der Angriffe gegen Mitarbeitende der Polizei stiegen um 17 Prozent, gegen Rettungskräfte - also Rettungsdienste und Feuerwehr - sogar um fast 65 Prozent. Und die vielerorts diskutierten Vorfälle in der Silvesternacht sind hierbei nicht einmal berücksichtigt - sie fließen erst in die Statistik von 2023 ein. Die einschreitenden Kräfte werden von einigen Bürgerinnen und Bürgern anscheinend immer weniger akzeptiert. Dieses Verhalten ist moralisch zu tiefst verwerflich und schwächt die Allgemeinheit. Gleichzeitig sind Gewaltprävention und vor allem eine gesellschaftliche Ächtung erforderlich - in der Bevölkerung muss ein Umdenken einsetzen. Man muss sich klarmachen: Verletzte Einsatzkräfte sind oftmals für eine gewisse Zeit nicht dienstfähig und stehen ihren Mitmenschen in dieser Zeit nicht zur Verfügung."
Kinder- und Jugendkriminalität
Die Gesamtzahlen der bekannt gewordenen Fälle sind im Jahr 2022 (1267) gegenüber 2021 (1000) um 26,7% angestiegen. Bei den tatverdächtigen Kindern gab es Veränderungen von +30,5 % (2022: 291; 2021: 223), bei den jugendlichen Tatverdächtigen von +25,6% (2022: 976; 2021:777). Die Aufklärungsquote liegt mit 61,75% auf einem sehr hohen Niveau und ist vergleichbar mit den Zahlen vor der Pandemie. Die in den Jahren 2020/21 verhängten Kontaktverbote, Schließungen des Einzelhandels und fehlende Freizeitangebote führten mitunter dazu, dass die Körperverletzungs- und Diebstahlsdelikte leicht gesunken sind. Durch die Lockerungen im Jahr 2022 stiegen dagegen die Straftaten gerade in diesen Bereichen wieder deutlich an und liegen teils auf Vor-Pandemie-Niveau. Diesbezüglich lassen sich insbesondere die stark zunehmenden Zahlen der Diebstahlsdelikte bei den Jugendlichen (2022: 273; 2021: 163) und den Kindern (2022:158; 2021: 77) erklären. Die gestiegenen Zahlen der Roheitsdelikte (umfasst alle Raub, Körperverletzungsdelikte sowie Bedrohung, Nötigung etc.) können u.a. in der Änderung des § 241 StGB aus dem Jahr 2021, der auch schon die Androhung von Gewalt unter Strafe stellt, und mit einem einhergehenden Anzeigeverhalten erklärt werden. Als weiteren Grund ist zu vermuten, dass es nach den zwei Jahren der Pandemie einen Nachholeffekt bei klassischen Entwicklungsschritten, so auch im Kriminalitätsverhalten bei Minderjährigen gibt. Zudem lässt sich annehmen, dass die Distanz sowie längere Kontaktlosigkeit untereinander (fehlende Freizeitangebote) auf Defizite beim Erlernen sozialadäquater Konfliktbewältigungsstrategien schließen lassen. Des Weiteren ist durch aktuelle Studien (u.a. des RKI) belegt, dass durch die Pandemie gerade bei Minderjährigen psychische Belastungen hervorgerufen worden sind, die möglicherweise Katalysator für kriminelles Verhalten sein können.
Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Die Statistik im Bereich der Kinder-und Jugenddelinquenz macht mich nachdenklich: In diesem Bereich ist erwartungsgemäß ein deutlicher Anstieg erkennbar. Das Vor-Corona-Niveau wurde noch nicht erreicht, jedoch stieg der Anteil von tatverdächtigen Kindern, also Jungen und Mädchen unter 14 Jahren, im Vergleich zu 2021 um 34 Prozent, bei jugendlichen Täterinnen und Tätern um rund 28 Prozent Die jungen Menschen fallen dabei in dem meisten Fällen bei Ladendiebstählen und Körperverletzungen auf. Mit Sicherheit tragen auch die sozialen Medien mit immer wieder aufkommenden gewaltverherrlichenden Beiträgen und Videos dazu bei, dass das Unrechtsempfinden und die Anwendung von Gewalt, insbesondere bei unseren jungen Mitmenschen, einen anderen Stellenwert eingenommen haben. Wir setzen hier auf Prävention und arbeiten mit Kindergärten, Schulen und Landkreisen zusammen."
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