Polizeipräsidium Mittelhessen - Pressestelle Marburg-Biedenkopf
POL-MR: Falsche Polizeibeamte - Tatverdächtiger festgenommen - Untersuchungshaftbefehl- Teil der Beute ausgehändigt Gemeinsame Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft und Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf
Marburg-Biedenkopf (ots)
Phänomen falsche Polizeibeamte - Tatverdächtiger festgenommen - Untersuchungshaftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt- Teil der Beute an ein Opfer wieder ausgehändigt
Kreis Marburg-Biedenkopf, Dresden und Freiburg
Immer wieder muss die Polizei über falsche Polizeibeamte berichten. Dabei sind dem Ideenreichtum der Betrüger keine Grenzen gesetzt. Die europaweit agierenden Täter verfeinern und variieren immer wieder ihr Vorgehen, wobei das Ziel immer gleich ist. Sie wollen an das Ersparte der ausgesuchten Opfer. Erfahrungsgemäß geraten insbesondere ältere, arglose Menschen in das Visier der Täter. Die Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei aus Marburg nahmen dazu bereits Anfang Januar einen 24 Jahre alten Mann aus dem Landkreis fest. Die zuständige Richterin des Amtsgerichtes Marburg erließ den von der Staatsanwaltschaft Marburg beantragten Untersuchungshaftbefehl wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr.
Ende Dezember und Anfang Januar erhielten zwei Senioren (78 und 90 Jahre alt) aus Freiburg und Dresden Anrufe eines Unbekannten, der sich als Mitarbeiter der örtlichen Polizei ausgab. Der geschulte Anrufer suggerierte den Opfern, dass ein internationaler Haftbefehl wegen illegaler Tätigkeiten in der Türkei gegen sie vorliegen würde. Er übermittelte dabei die Rufnummer eines vermeintlichen Beamten des Bundeskriminalamtes, der über weiteres Detailwissen verfüge. Über die angegebene Rufnummer riefen die Senioren den angeblichen BKA-Beamten an. Der teilte ihnen mit, dass die drohende Festnahme und Auslieferung sowie jedwede weiteren repressiven Maßnahmen der Behörden nur durch die Zahlung einer Kaution zu verhindert seien. Tage später erhielten die beiden Rentner per Post bzw. E-Mail eine täuschend echt aussehende Anklageschrift, unter anderem mit einem Wappen von Interpol, um den Ernst der Lage zu untermauern. Mit den Schreiben ging eine fingierte, gefälschte Verschwiegenheitserklärung des Bundeskriminalamtes ein, welche die Opfer zu absolutem Stillschweigen verpflichtete.
Letztendlich übersandten beide Opfer unter dem enormen Druck einen Betrag von 12500 bzw. 6500 Euro per Post (Expresssendung) an eine Anschrift mit einem erfundenen Namen im Landkreis Marburg-Biedenkopf.
Die nachfolgenden Ermittlungen führten die Staatsanwaltschaft und Polizei Marburg-Biedenkopf zu dem 24-Jährigen aus dem Landkreis. Die Ermittler nahmen den jungen Mann nach operativen Maßnahmen fest und stellten bei zwei anschließenden Wohnungsdurchsuchungen umfangreiches Beweismaterial sicher. Unter anderem sicherten die Ermittler einen Teil der Beute, hier die 12500 Euro. Das Geld erhielt eines der Opfer mittlerweile im Rahmen der sogenannten Rückgewinnungshilfe zurück. Nach Erkenntnissen der Behörden handelt es sich bei dem geständigen Festgenommenen lediglich um einen Mittelsmann, der für die Entgegennahme und Weiterleitung des Geldes ins Ausland eine Provision kassiert. Der Richter setzte den gegen ihn erlassenen Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug, sodass sich der Mann derzeit nicht in Haft befindet. Die tatsächlich Verantwortlichen sitzen im Ausland. Die Ermittlungen dauern an.
Weitere Auskünfte in dem Verfahren erteilt ausschließlich die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Marburg, Tel. 06421- 290224.
Oliver Rust (Staatsanwalt als Gruppenleiter und Pressesprecher) Jürgen Schlick (Pressesprecher der Polizei)
Hinweise der Polizei
Lassen Sie sich am Telefon nicht unter Druck setzen! Seien Sie wachsam, misstrauisch und besprechen sich mit einer Vertrauensperson, bevor Sie überhaupt an eine Abhebung von Bargeld oder Überweisung denken oder das daheim gelagerte Geld an Fremde aushändigen! Geben Sie niemals vertrauliche Informationen preis. Behörden und seriöse Unternehmen agieren nicht in dieser Form und fragen niemals am Telefon nach sensiblen Daten. Rufen Sie zurück - Verwenden Sie dabei aber niemals Rufnummern, die man Ihnen mitteilt, sondern immer nur die selbst herausgesuchten Telefonnummern. Wählen Sie bewusst neu! Benutzen Sie nicht die Rückruftaste! Wählen Sie die Notrufnummer 110 oder die Festnetznummer der zuständigen Polizei, die Sie im Telefonbuch oder über das Internet ermitteln können.
Phänomen Anruf durch falsche Polizeibeamte
Ältere Menschen werden zunehmend von Unbekannten angerufen, die sich als Polizeibeamte ausgeben. Oft erscheint dabei im Display des Telefons die Rufnummer der örtlichen Polizeidienststelle, des Bundeskriminalamtes oder gar die Rufnummer 110 mit einer Ortsvorwahl. Die Anzeigen im Display sind manipulierbar und täuschen oftmals über den tatsächlichen Standort oder den tatsächlichen Anrufer hinweg. Die rhetorisch geschickten Anrufer manipulieren ihre Opfer, indem sie ihnen überzeugende Geschichten über aktuelle Straftaten erzählen und sie zum vermeintlichen Schutz ihres Eigentums auffordern, Geld oder Wertgegenstände auszuhändigen. Die sicher auftretenden, glaubhaften Anrufer finden für alle Vorbehalte oder Einwände durchaus plausible Erklärungen. Die Tatbegehungsweise dieses europaweiten Phänomens schädigt in erheblichem Maße das Vertrauen der Bürger in den Staat und in die Polizei.
Unter sehr detailliert geschilderten Vorwänden, wie beispielsweise die Polizei habe Hinweise auf einen geplanten Einbruch beim Geschädigten, gelingt es den Betrügern immer wieder, ihren Opfern mittels geschickter Gesprächsführung glaubwürdig zu vermitteln, dass ihr Geld und ihre Wertsachen zuhause nicht sicher seien. Die Betroffenen werden zu absoluter Verschwiegenheit gegenüber Jedermann verpflichtet. Ein anderer Vorwand ist, dass die Ersparnisse auf untergeschobenes Falschgeld hin überprüft, beziehungsweise Spuren gesichert werden müssten. Auch auf die Konten und Bankdepots ihrer Opfer haben es die Betrüger abgesehen. Unter dem Hinweis, Bankmitarbeiter seien korrupt, sollen die Angerufenen ihre Konten und Bankdepots leeren und das Geld übergeben. Reagiert ein Opfer misstrauisch, wird es unter anderem mit dem Hinweis auf die Behinderung einer polizeilichen "Aktion" unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Auch bei der Übergabe von Geld/Wertsachen gibt es verschiedene Varianten. So erfolgt zum Beispiel mit einem sogenannten "Läufer/Abholer" eine direkte Geldübergabe an der Haustüre des Geschädigten. In anderen Fällen werden die Geschädigten aufgefordert, ihr Bargeld an einem Ablageort (Briefkasten, Mülltonne ect.) zu deponieren. Es kommt aber auch vor, dass Geschädigte aufgefordert werden, per Überweisung oder mit "Money-Transfer-Diensten" Geld ins Ausland zu überweisen. Nach den polizeilichen Erkenntnissen agieren die Täter in der Regel aus ausländischen Callcentern heraus. Sie sprechen ein nahezu akzentfreies Deutsch und suchen sich ihre Opfer im gesamten Bundesgebiet aus. Die regionalen Abholer befinden sich in Deutschland. Diese übergeben das betrügerisch erlangte Geld an weitere Personen, die den Transfer mittels Überweisungen oder Geldboten in das Ausland veranlassen. Jeder erhält dann seine "Provision". Ermittlungen in diesem Deliktsfeld können nur über den Weg der internationalen Rechtshilfe erfolgen und sind meist sehr langwierig.
Jürgen Schlick
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