Berliner Zeitung: Kommentar zum EuGH-Urteil zu humanitären Visa
Berlin (ots)
Wie die Götter Tantalos mit Wasser lockten, um es ihm immer wieder zu verweigern, so halten es die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mit dem Recht auf Asyl - sie gaukeln es den Gefolterten, den Vertriebenen und Verfolgten vor, greifen die Flüchtlinge aber danach, zieht es sich zurück wie vor Tantalos das Wasser im Teich. So ist es Praxis, so ist es gewollt, und der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass es so auch rechtens sei. Auch künftig können Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern in Notlagen außerhalb Europas keine Einreise in ein Land der Europäischen Union beantragen. Das bedeutet: Das europäische Asylsystem kommt nur jenen Menschen zugute, die - auf welchen lebensgefährlichen Wegen auch immer - Europa erreichen. Und weil das europäische Asylsystem vor allem in Sonntagsreden und Oster- und Weihnachtspredigten funktionieren soll, tut Europa alles, um die lebensgefährlichen Zugänge noch lebensgefährlicher zu machen. Die Qualen, die die Flüchtlinge erleiden, entsprechen denen des Tantalos. Nur anders als dieser haben jene keine Verbrechen begangen - bis auf eines: Flüchtlinge zu sein.
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