Schwäbische Zeitung: Die eiserne Kanzlerin - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Der Brüsseler Gipfel endet mit achtbaren Erfolgen für Angela Merkel. In letzter Minute haben die Kanzlerin und ihre Kollegen die Pleite Griechenlands und den Kollaps der Euro-Zone abgewendet. Am wichtigsten aber ist, dass sich die Banken mit erklecklichen Summen an der Euro-Rettung beteiligen. Sie sollen den Griechen die Hälfte ihrer Schulden erlassen. Griechenland bekommt so den Hauch einer Chance, eines Tages wieder ein handlungsfähiger Staat zu werden. Auch abseits der großen Beschlüsse fällten die Politiker wichtige Entscheidungen. So kontrollieren europäische Aufseher ab sofort permanent die griechische Regierung. Außerdem steht nun schwarz auf weiß, wie Pleitekandidat Italien zu sparen gedenkt. Das ist keine sanfte Diplomatie mehr, sondern ein Diktat. Hier zeichnen sich Konturen einer mächtigen europäischen Wirtschaftsregierung ab.
Die Euro-Rettung hat allerdings einen hohen Preis. Europa wählt die Krisenlösung nach amerikanischer Art: mit billigem Geld. Um die Schulden zu bezahlen, bleibt wohl gar keine andere Wahl, als die Notenpresse anzuwerfen. Die Folge der steigenden Geldmenge ist eine Inflation, das Geld wird also weniger wert. In höchster Not schreckt Europa nicht einmal vor einem Pakt mit China zurück. Chinesen sollen in großem Stil Schuldtitel Italiens kaufen. Kaum vorstellbar, dass die Asiaten sich diese Gelegenheit entgehen lassen, ihren Einfluss in Europa auszudehnen.
Die ruchbaren Geschäfte mit China zeigen, wie brenzlig die Situation ist. Umso wichtiger, dass Europas Politiker sich zusammengerauft haben. Das ist Merkels Verdienst. Der Kanzlerin gelang es, Frankreich von aberwitzigen Ideen abzubringen und die Banken niederzuringen. Sie redete den Franzosen ihre Lieblingsidee aus, den Euro-Rettungsschirm mit einer Lizenz zum Gelddrucken auszustatten. Und als die Banken sich weigerten, Griechenlands Schulden freiwillig zu senken, drohte die Kanzlerin den Gläubigern mit einem Gesetz. Merkel verlässt Brüssel als eiserne Kanzlerin.
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