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Schwäbische Zeitung: Volker Kauder: "Erfolg hat seinen Ursprung nicht im Fahrradladen"

Leutkirch (ots)

Die Schwäbische Zeitung (Leutkirch) berichtet in ihrer morgigen Ausgabe (Freitag, 23.3.2012):

(Abdruck frei ohne Sperrfrist bei Nennung der Quelle)

Berlin - Arbeitsverträge für junge Menschen sollten nur zum Einstieg in den Job befristet sein, meint Unionsfraktionschef Volker Kauder. "Nach einem Jahr muss man wissen, ob man zueinander passt", sagte Kauder im Interview mit der Schwäbischen Zeitung. Zu den anstehenden drei Landtagswahlen sagte Kauder, die CDU könne als stärkste Kraft aus allen drei Wahlen hervorgehen. Kauder wünscht sich ein Jahr nach der verlorenen Wahl, dass Baden-Württemberg erfolgreich bleibt. "Es haben wohl alle zur Kenntnis genommen, dass zumindest der grüne Teil der neuen Landesregierung den Bau von eher weniger als mehr Autos will", sagte Kauder. Dabei wüssten doch die Arbeitnehmer, dass wirtschaftlicher Erfolg seinen Ursprung nicht in Fahrradläden habe. Trotzdem ist der CDU-Politiker zuversichtlich. "Ich sage manchmal ironisch, dieses Land ist so stark, dass es auch fünf Jahre Grün-Rot überleben wird. "

Das Interview im Wortlaut:

"Die Wirtschaft muss jungen Familien Sicherheit geben"

Volker Kauder zu befristeten Arbeitsverhältnissen, zum Solidarpakt und zu Wahlen

Berlin - Arbeitsverträge für junge Menschen sollten nur zum Einstieg in den Job befristet sein, meint Unionsfraktionschef Volker Kauder. "Nach einem Jahr muss man wissen, ob man zueinander passt", sagt Kauder im Interview mit unseren Redakteurinnen Claudia Kling und Sabine Lennartz. Zu den anstehenden drei Landtagswahlen sagte Kauder, die CDU könne als stärkste Kraft aus allen drei Wahlen hervorgehen.

SZ: Herr Kauder, diese Woche kocht eine neue Diskussion hoch. Bürgermeister von Nordrhein-Westfalen wollen den Solidarpakt kürzen. Zu Recht?

Kauder: Das ist eine gespenstische Debatte. Der Solidarpakt läuft bis 2019. Dabei muss es bleiben. Verlässlichkeit ist entscheidend in der Politik. Es stimmt auch nicht, dass Kommunen im Westen für Kommunen im Osten zahlen. Für die Finanzierung der Kommunen sind vielmehr die Länder zuständig. Aber NRW stellt die Kommunen schlechter als Baden-Württemberg. Auch die SPD-Forderung, der Bund solle die Kommunen bei den Sozialausgaben entlasten, ist schon erfüllt. Der Bund hat gerade erst beschlossen, die Grundsicherung für Ältere zu übernehmen - das sind über 12 Milliarden Euro bis 2015.

SZ: Grundsicherung für Ältere wird ein immer größeres Problem. Wird es nicht durch Zeit- und Leiharbeit verschärft?

Kauder: Die Grundsicherung führt vor allem in den neuen Ländern zu steigenden Belastungen, weil dort lange die Situation auf dem Arbeitsmarkt schlecht war. Das hat sich geändert, die Jugendarbeitslosigkeit ist halbiert.

SZ: Aber viele junge Leute haben keine festen Arbeitsverträge.

Kauder: Befristete Arbeitsverhältnisse halte ich zum Einstieg für akzeptabel, weil wir ein strenges Kündigungsrecht haben. Aber nach einem Jahr muss man wissen, ob man zueinander passt. Die Wirtschaft trägt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wie sollen junge Menschen eine Familie gründen, wenn sie keine feste Arbeitsstelle haben? Sie brauchen Sicherheit. Sie dürfen auch nicht schlechter gestellt werden als Fachkräfte aus dem Ausland. Die kommen nur, wenn ihr Vertrag von Anfang an unbefristet ist. Wir können aber nicht diese ausländischen Fachkräfte unbefristet einstellen und die aus dem eigenen Land befristet. Das darf nicht passieren.

SZ: Drei Landtagswahlen in diesem Frühjahr, die nicht geplant waren. Schwächt das die Regierung?

Kauder: Aus allen drei Wahlen kann die CDU als stärkste Partei hervorgehen. Das wäre natürlich insgesamt gut für die CDU und die Regierung. Am Ende glaube ich, dass die Ergebnisse der Landtagswahlen keinen Einfluss auf die Koalition in Berlin haben.

SZ: Hat die CDU in NRW nicht schon dadurch Prozente verloren, dass Herr Röttgen bei einem Misserfolg nicht nach Düsseldorf will?

Kauder: Ich war fast 15 Jahre lang Generalsekretär der baden-württembergischen CDU und da habe ich mir immer Stellungnahmen von außen verbeten.

SZ: Wird Ihre Regierung auch dann nicht geschwächt, wenn für Ihren Koalitionspartner FDP alle Wahlen schiefgehen?

Kauder: Dann ist die FDP-Fraktion in Berlin immer noch gleich stark. Ich denke, die FDP weiß auch, dass sie nur eine Chance auf den Wiedereinzug in den Bundestag hat, wenn sie mit uns erfolgreich regiert.

SZ: Vor einem Jahr hat Baden-Württemberg Grün-Rot gewählt, und viele Bürger haben das noch gar nicht groß gemerkt. Macht Ihnen das Sorge oder freut Sie das?

Kauder: Meine Heimat ist Baden-Württemberg. Ich wünsche mir, dass das Land erfolgreich bleibt. Dass sich etwas verändert hat, haben die Leute schon gemerkt. Es haben wohl alle zur Kenntnis genommen, dass zumindest der grüne Teil der neuen Landesregierung den Bau von eher weniger als mehr Autos will. Dabei wissen doch die Arbeitnehmer, dass der wirtschaftliche Erfolg und die gute Arbeitsmarktlage in den Produktionshallen und der mittelständischen Wirtschaft ihren Ursprung haben und nicht in den Fahrradläden.

SZ: Bisher hält der wirtschaftliche Erfolg an.

Kauder: Ich sage manchmal ironisch, dieses Land ist so stark, dass es auch fünf Jahre Grün-Rot überleben wird.

SZ: DGB und SPD demonstrieren heute für bessere Bezahlung von Frauen. Welche Folterwerkzeuge wollen Sie anwenden, um mehr Gleichbehandlung zu erreichen?

Kauder: Die ungleiche Entlohnung von Frauen und Männern muss aufhören. Ich bin im Gespräch mit Gewerkschaften und Arbeitgebern, um die Ursachen herauszufinden. Wir haben beispielsweise im öffentlichen Dienst volle Lohngleichheit, trotzdem gibt es Unterschiede, weil bestimmte Positionen eher von Männern ausgeübt werden. Auch im Handel gibt es untere Lohngruppen, in denen mehr Frauen beschäftigt sind. Wir müssen uns fragen: Ist das gerechtfertigt? Hier sind aber auch die Gewerkschaften gefordert. Sie handeln die Tarifverträge aus. Sie müssen sich an diesem Freitag auch fragen lassen, ob sie schon alles Notwendige für die gleiche Entlohnung von Frauen und Männer getan haben. Und noch eins: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit interessiert die allermeisten Frauen mehr als jede Quote.

SZ: Wenn aber der Fisch vom Kopf her stinkt, würde dann nicht auch eine Quote für Spitzenpersonal helfen?

Kauder: Ich erwarte, dass Frauen gefördert werden und dass sie in einiger Zeit den gleichen Anteil in Führungspositionen haben. Sonst muss die Wirtschaft mit gesetzlichen Regelungen rechnen, obwohl ich grundsätzlich nicht dafür bin, mit Gesetzen in Eigentum einzugreifen.

SZ: Herr Kauder, nächste Woche kommen ESM und Fiskalpakt in den Bundestag. Ist die schlimmste Krise eigentlich schon überstanden?

Kauder: Wir sind einen beachtlichen Schritt weiter, aber noch nicht über den Berg. Der Fiskalpakt wird dazu führen, die Verschuldung langfristig in Europa zurückzufahren. Viele Befürchtungen sind nicht eingetreten. Der Euro ist nach wie vor eine stabile Währung, da hat sich die Arbeit von Angela Merkel in Europa ausgezahlt.

SZ: Reicht das bisherige Volumen des ESM?

Kauder: Wir werden voraussichtlich eine Zeitlang beide Schutzschirme, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den europäischen Finanzstabilisierungsfonds (EFSF) nebeneinander laufen lassen. Das ist ausreichend.

SZ: Für den Fiskalpakt brauchen Sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die SPD will nur zustimmen, wenn die Finanztransaktionssteuer kommt. Kommt die?

Kauder: Wir werden sicher eine Regelung bekommen müssen, die die Finanzmärkte beteiligt. Die Finanztransaktionssteuer wird in ihrer reinen Form auch in der Euro-Zone nicht durchsetzbar sein. Aber es gibt einen Alternativvorschlag von der Europäischen Kommission, auf den man sich einigen könnte. Dem wird sich die SPD nicht entziehen können.

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