Schwäbische Zeitung: Berlin, aufgepasst! - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Der Bundestag will am Freitag über eine neue Griechenlandhilfe abstimmen. Dabei geht es um 730 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt, mit denen eine Finanzierungslücke geschlossen werden soll. Da werden die Laufzeiten von Krediten verlängert und ein Schuldenrückkaufprogramm aufgelegt. Ist die Lücke dann überbrückt, bekommt Athen mehr Geld. 730 Millionen Euro, das ist ja nicht viel, im Vergleich zu den Milliarden, die es sonst kostet, wenn Griechen und andere zu retten sind.
Viele Abgeordnete in Berlin, allen voran die Kanzlerin, scheinen aber zu verkennen, dass es kocht. Es brodelt nicht nur am Stammtisch, wo ja meist schlechte Laune herrscht, wenn es um Politik geht. Nein, wütend sind auch jene Bürger, die durchaus dafür sind, die Griechen, vor allem aber den Euro, zu retten. Die burschikose Art, mit der die Union, die Grünen, die FDP und große Teile der SPD ihre Zustimmung zu der anberaumten Abstimmung signalisiert haben, ignoriert die Wähler. Die abgehobene Eile, mit der das Programm durchgezogen wird, wirkt, als fürchteten die Politiker die Fragen der Bürger. Kein Berliner Politiker, nicht einmal der Bundesfinanzminister, macht den Eindruck, dass er von der Wirksamkeit der Hilfe überzeugt wäre.
Das eigentlich Beunruhigende an Tagen wie diesen ist, wenn die Politik so tut, als blicke sie durch und die Bürger merken, dass das nicht stimmt. Was die Bundeskanzlerin und alle Parteien, außer der Linken, heute versuchen, ist ein Durchmarsch, vorbei an den Wählern. So werden auch kluge Menschen verprellt, die wissen wollen, warum es notwendig ist, jetzt und heute und am liebsten bereits gestern diese Griechenlandhilfe durch das Parlament zu peitschen, als gelte es eine Katastrophe zu verhindern.
Im Lager der Bundeskanzlerin heißt es: Augen zu und durch. Erklärt wird nicht, debattiert schon gar nicht. Die 730 Millionen Euro, die am Freitag verabschiedet werden sollen, wird dieses Land verkraften. Aber der Verlust an politischer Kultur, der wird schmerzen.
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