Schwäbische Zeitung: Die SPD macht sich zum Juniorpartner - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Natürlich waren die alten Zeiten, in denen um Weltanschauungen gestritten wurde, überhaupt nicht besser. Als die SPD noch die Partei der Arbeiter war und die CDU als Klub des Kapitals galt. Aber diese alten Zeiten waren übersichtlicher, für die Wähler und für die Parteien selbst auch. Da wussten alle, wer wofür und wogegen ist. Heute ist die Politik verwirrender, wo doch alle für das Gleiche sind: soziale Gerechtigkeit, Atomausstieg, gesundes Essen, Nachhaltigkeit und Frieden.
Die Zielkrise der Sozialdemokraten, die in Augsburg auf dem Parteitag der SPD zu besichtigen war, scheint sich gar nicht so sehr zu unterscheiden von dem, was die CDU durchmacht - mit ihren dramatischen Kurswechseln etwa beim Mindestlohn und beim Atomausstieg. Die Konservativen haben allerdings die überzeugendere Galionsfigur, die mit Amtsvorteil und Gelassenheit beeindruckt.
Vielleicht war es ein choreografischer Fehler dieses Parteitags, dass die Grüne Claudia Roth ein Grußwort an die Delegierten richtete. Angela Merkel hätte besser gepasst, weil sie weiß, wie man in ideologiefreien Zeiten überlebt. Was in Augsburg sicher viele dachten, aber keiner offen zu sagen wagte: Die CDU scheint den Sozialdemokraten oft näher als der grüne Wunschpartner von Peer Steinbrück.
Das Augsburger Getöse um Steuererhöhungen, soziale Gerechtigkeit und Waffenexporte wird bald vergessen sein. Die sozialdemokratische Partei, einst der Stolz der Arbeiterbewegung und Hort des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, irrlichtert durch eine neue bundesdeutsche Wirklichkeit, die viele Spitzen-Genossen nicht wirklich zu verstehen scheinen. Die SPD hat kluge Köpfe, aber eben auch viele Parteibeamte, die aus Gewohnheit meinen, alles werde gut, wenn man nur ordentlich auf den politischen Gegner eindrischt. Das reicht aber allenfalls, um als Juniorpartner der Grünen oder der Christdemokraten Koalitionär zu werden. Das Land überzeugen muss die deutsche Sozialdemokratie anders.
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