Schwäbische Zeitung: Ankläger unter Druck - Kommentar
Ravensburg (ots)
Der Volksmund weiß es: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Bei Christian Wulff ist der Eindruck ein anderer. Der frühere Bundespräsident ist angeklagt der Vorteilsannahme im Gegenwert von 719,40 Euro. Die Anklageschrift umfasst 79 Seiten, geladen sind 25 Zeugen - ein sehr beachtlicher Aufwand.
Die These sei gewagt: Würde sich dieser Verdacht gegen einen 08/15-Beamten richten, das Verfahren wäre längst eingestellt. Man kann einwenden, dass Christian Wulff eben kein normaler Beamter war. Dass in seinem speziellen Fall deshalb jeder Anschein von Milde zu vermeiden sei. Aber das wäre rechtlich eine schräge Argumentation. Es drängt sich ein anderer Verdacht auf: Die Staatsanwälte wollen am Ende ihrer spektakulären Ermittlungen partout nicht mit leeren Händen dastehen. Sie haben während ihrer Arbeit diverse Indiskretionen nicht plausibel erklären können. Ein Freispruch Wulffs wäre für sie eine Niederlage. Auch wenn es schon oft gesagt wurde: Christian Wulff ist beruflich und privat tief gefallen. Dass er quasi um den Rest seiner Reputation kämpft, ist verständlich.
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