Schwäbische Zeitung: Vergleichsweise arm dran
Ravensburg (ots)
In Deutschland muss niemand hungern und frieren. Und wer schon mal in Indien war, der weiß, was wahre Armut ist. Und wenn es allen sehr gut geht, dann ist der, der 60 Prozent vom Durchschnitt hat, doch nicht wirklich arm, oder? So kontern die Kritiker des Armutsberichts. Sie liegen falsch. Man kann nicht nur, man muss von Armut reden, wenn es vor allem alleinerziehenden Müttern, Erwerbslosen und Rentnern in Deutschland von Jahr zu Jahr schlechter geht und keine Trendwende in Sicht ist. Wenn ganze Bevölkerungsgruppen nicht mehr am steigenden Wohlstand teilhaben können, und das in einem der reichsten Länder der Welt.
Nicht erst seit dem weltweit großen Erfolg des Kapitalismuskritikers Piketty schwant vielen: So lange sich mit Kapitalanlagen weit mehr Geld verdienen lässt als mit Arbeit, wird sich an der Aufteilung des Reichtums nichts Grundlegendes ändern. Wer seine Zinsen mit 25 Prozent versteuert und seine Arbeit mit 30 oder 40 Prozent, ahnt, dass etwas faul ist, dass über Gerechtigkeit neu nachgedacht werden muss. Diejenigen, die vergleichsweise arm leben, und auch ihre Kinder haben geringere Chancen auf Bildung und Gesundheit. Für sie verschlechtern sich die Perspektiven auf eine gute Zukunft. Wer hier spart, spart am falschen Ende: Letztlich an der Zukunftsfähigkeit des Landes.
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