Schwäbische Zeitung: Mit Vernunft den Bauch erreichen - Leitartikel zum FDP-Dreikönigstreffen
Ravensburg (ots)
Für ihn macht sogar einer wie Wolfgang Kubicki, schleswig-holsteinischer FDP-Chef und kameraverliebter Talkshow-Veteran, gerne das Vorprogramm. Die Rede ist von Christian Lindner. Sein Auftritt beim Dreikönigstreffen der Liberalen am Freitag war bemerkenswert. Bemerkenswert kämpferisch und rhetorisch bemerkenswert gut. Der junge Parteivorsitzende ist der Star der freien Demokraten. Er macht in Jeans und Turnschuhen eine genauso gute Figur wie im Anzug. er versteht es, den Ton zu treffen zwischen neoliberaler Kälte und sozialer Kuschelrhetorik. Doch ob ein Lindner reicht, um die FDP zurück in den Bundestag zu führen, muss sich erst noch zeigen.
Der Schleswig-Holsteiner Kubicki kann seinem Parteichef mit einem guten Ergebnis bei den Landtagswahlen im Mai immerhin Rückenwind geben. Bei der Abstimmung in Nordrhein-Westfalen eine Woche später steht Lindner als Spitzenkandidat selbst in der Verantwortung, bevor es im Herbst zur großen Nagelprobe kommt.
Die Ausgangslage für die FDP ist klar. Sie muss die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, sonst droht der Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Der von Lindner eingeschlagene Kurs kann zum Erfolg führen. Weltoffen, ohne die negativen Nebenwirkungen von Migration und Globalisierung zu negieren. Regeln durchsetzen, ohne den Bürger rund um die Uhr zu überwachen. Religion oder Herkunft nicht überhöhen, Politik für Jüngere statt Wahlgeschenke für Ältere. Solche Positionen können Anhänger finden in diesen Tagen, in denen mancher Regierende sich von Terrorgefahr und populistischer Angstmacherei treiben lässt. Allzuoft wirken die Antworten hilflos oder sie spielen Feinden von Demokratie und Toleranz in die Hände.
Doch differenzierte Lösungen auf komplexe Fragen lassen sich nicht unbegrenzt bewerben. In emotional geprägten Zeiten muss selbst eine Politik der Vernunft auch den Bauch der Wähler treffen. Und hier wird es auf einen ankommen, der mit 38 Jahren noch sehr jung ist im großen Politikbetrieb: auf Christian Lindner.
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