Engagiert und gefährdet: Politische Bildung in Sachsen von rechts bedroht
Frankfurt (ots)
+++ Rechte Akteure in Sachsen greifen gezielt die politische Bildung an +++ Studie zeigt: Prekäre öffentliche Förderung begünstigt Angriffe +++ Zwei Drittel der befragten politischen Bildner*innen berichtet von gezielten Störungen und Behinderungen, 40 Prozent erleben Beleidigungen und Bedrohungen +++ Die Angriffe beeinflussen auch das private Leben der Betroffenen +++ Bund und Landesregierung müssen nachhaltige Förderstrukturen schaffen +++ Weitere Kürzungen im Bundeshaushalt 2025 wären ein fatales Zeichen +++
Wer sich in Sachsen aktiv für die Demokratie engagiert, setzt sich einem besonderen Risiko aus: Aktive in der politischen Bildung werden immer wieder zum Angriffsziel von rechten Akteuren. Zwar kommen körperliche Übergriffe bisher noch selten vor, politische Bildner*innen werden in ihrer Arbeit jedoch gezielt gestört, erleben persönliche Beleidigungen und Bedrohungen. Die Bewegung des autoritären Nationalradikalismus rund um die AfD, Freie Sachsen und der "neuen" Rechten nutzt diese Angriffe, um ihr antidemokratisches politisches Projekt voranzubringen. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie "Engagiert und gefährdet - Ausmaß und Ursachen rechter Bedrohungen der politischen Bildung in Sachsen", die die Otto Brenner Stiftung heute veröffentlicht hat.
Die Analyse der Soziolog*innen Thomas Laux (TU Chemnitz) und Teresa Lindenauer (TU Dresden) verdeutlicht, dass unterschiedliche Strategien der Rechten die Attacken motivieren. Dort, wo Institutionen der politischen Bildung lokal (noch) stark verankert sind und die menschenfeindlichen Einstellungen der Rechten (bisher) nur schwachen Widerhall in der Bevölkerung finden, dienen beleidigende und störende Aktionen vor allem der szeneinternen Mobilisierung und Radikalisierung. In Regionen, in denen in der Bevölkerung eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Gefahren des Rechtsextremismus verbreitet ist, ändert sich die Dynamik. Hier werden offensiv Träger der außerschulischen politischen Bildungsarbeit zum Ziel, um diese Stützen der lokalen demokratischen Kultur nachhaltig einzuschüchtern und zurückzudrängen.
"Aktive in der politischen Bildung setzen sich mit hoher Motivation aktiv für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein. Genau deswegen werden sie von rechts unter Druck gesetzt", sagt Studienautor Thomas Laux, der für die Untersuchung 134 politische Bildner*innen in Sachsen befragt und zehn ausführlich interviewt hat. Die Bedrohungslage für die politische Bildung entwickelt sich in Sachsen unter besonderen Bedingungen: Die AfD erhält hohe Zustimmungswerte und die extreme Rechte ist in etablierten, vernetzten und ausdifferenzierten Strukturen organisiert. Zugleich haben sächsische Landesregierungen immer wieder das Problem des Rechtsextremismus verharmlost. Politische Bildung gegen rechts wurde diskreditiert und in der Folge über lange Zeit kaum gefördert. Insbesondere die prekäre Finanzierung der politischen Bildung dient rechten Akteuren häufig als Angriffspunkt. "Dem autoritären Nationalradikalismus geht es um Präsenz in der lokalen Öffentlichkeit und um die Dominanz in konkreten Sozialräumen. Es beginnt mit kleineren Provokationen, bleibt hier jedoch nie stehen: Wer sich für Demokratie engagiert, soll sich unsicher fühlen", fasst Autorin Teresa Lindenauer die Strategie der Angreifer*innen zusammen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen die Auswirkungen der Attacken: Knapp 40 Prozent der Befragten verarbeiten erlebte Störungen oder Bedrohungen durch verstärkte kollegiale Unterstützungsstrukturen. Etwa ein Drittel gibt an, auch im Privaten Sicherheitsmaßnahmen vorzunehmen - öffentliche Sichtbarkeit oder bestimmte Stadtviertel werden gemieden, die eigene Familie wird in den sozialen Medien bewusst nicht gezeigt. Zurückdrängen lassen sich die Aktiven in der politischen Bildung jedoch nicht: Nur sieben Prozent der Befragten geben an, aufgrund der Bedrohungslage über einen Tätigkeitswechsel nachzudenken.
Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, wertet die Ergebnisse als eindeutigen Handlungsauftrag an die Politik: "Es braucht Förderstrukturen für die politische Bildung, die gute und nachhaltige Arbeitsbedingungen ermöglichen. Dass gerade jetzt Haushaltskürzungen im Raum stehen, ist ein Skandal." Zukünftig dürfte sich die Bedrohungslage noch weiter zuspitzen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass hohe Wahlergebnisse für die AfD eine entscheidende Rahmenbedingung für gesteigerte Angriffe darstellt", so Thomas Laux. Mit Blick auf die Landtagswahlen im Herbst ergänzt Teresa Lindenauer: "Der rechte Druck auf Schulen, die Landeszentrale für politische Bildung und außerschulische Bildungsträger wird sich erhöhen. Hier gilt es, entschlossen gegenzuhalten." Zur Brandmauer gegen rechts gehört, politische Bildung nicht auf die Extremismusprävention zu verkürzen, sondern in der gesamten Zivilgesellschaft demokratische Werte, die Achtung von Menschenrechten und die Entwicklung von Mündigkeit zu stärken.
Thomas Laux / Teresa Lindenauer: Engagiert und gefährdet - Ausmaß und Ursachen rechter Bedrohungen der politischen Bildung in Sachsen, OBS-Arbeitspapier 68, Frankfurt am Main, Juli 2024
Informationen zum OBS-Arbeitspapier 68: https://www.otto-brenner-stiftung.de/bedrohte-politische-bildung-sachsen/
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