Europäischer Rechnungshof - European Court of Auditors
Medizinische Agenturen der EU brauchen einen Booster
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Medizinische Agenturen der EU
brauchen einen Booster
- Als die Corona-Krise ausbrach, waren die medizinischen Agenturen der EU nicht umfassend auf eine anhaltende Pandemie vorbereitet.
- Trotzdem passten sie sich gut an die Krisenlage an und ergriffen die nötigen Maßnahmen.
- Ob die bisher unternommenen Versuche, die Krisenfestigkeit des Gesundheitswesens weiter zu stärken, erfolgreich sind, muss sich erst noch zeigen.
Die durch die Corona-Pandemie verursachte Gesundheitskrise hat die EU teilweise unvorbereitet getroffen. Zwar haben die beiden medizinischen Agenturen der EU die Situation letztlich gut bewältigt, doch hat die Pandemie ein Schlaglicht auf die bestehenden Mängel und Lücken geworfen. In jüngster Zeit hat die EU Schritte unternommen, um Abhilfe zu schaffen. Allerdings ist die EU noch nicht umfassend auf die Bewältigung von Notlagen größeren Ausmaßes im Bereich der öffentlichen Gesundheit vorbereitet. Zu dieser Einschätzung gelangen die Prüfer des Europäischen Rechnungshofs in einem heute veröffentlichten Sonderbericht.
Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie hätten die beiden medizinischen Agenturen der EU – das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) – eine Schlüsselrolle gespielt. Den Prüfern zufolge habe das ECDC den Ernst der Lage jedoch zunächst unterschätzt, da es die Einschleppung des Virus in die EU für nicht sehr wahrscheinlich gehalten habe. Erst am 12. März 2020, drei Tage nachdem Italien einen nationalen Lockdown verhängt hatte, räumte das ECDC ein, dass unverzüglich gezielte Maßnahmen ergriffen werden müssten.
"Wie viele andere Einrichtungen auch wurden die medizinischen Agenturen der EU von der Wucht der sich rasch ausbreitenden Corona-Pandemie überrascht", so João Leão, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. "Vier Jahre später müssen die aus der Pandemie gezogenen Lehren nun wirksam auf EU-Ebene umgesetzt werden, damit sich die Geschichte nicht wiederholt."
Das ECDC habe nach Ausbruch der Krise begonnen, Daten über die Pandemie zu erheben, doch sei die Zahl der gemeldeten Infektionen in hohem Maße von den Teststrategien der einzelnen EU-Länder abhängig gewesen. Dies treffe auch auf die Zahl der Todesfälle zu, die als coronabedingt gemeldet worden seien. Die EU-Prüfer betonen, dass zuverlässigere Methoden wie Analysen der Viruskonzentrationen im Abwasser häufiger hätten eingesetzt werden können. Zudem habe das ECDC seine Risikobewertungen, Leitlinien und für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen mitunter zu spät herausgegeben (z. B. seien erst im April/Mai 2020, d. h. gegen Ende der ersten Welle, Leitlinien zu Masken und zur Kontaktnachverfolgung veröffentlicht worden). Die Prüfer weisen auch darauf hin, dass mehrere Länder den Empfehlungen des ECDC nicht nachgekommen seien. So hätten sie über einen langen Zeitraum an Reisebeschränkungen festgehalten, obwohl das ECDC diese für wirkungslos hielt.
Die EMA wiederum habe sich rasch an die Krisenlage angepasst. In den frühen Phasen der Pandemie habe sich die Agentur an potenzielle Impfstoff- und Arzneimittelentwickler gewandt und mehrere andere Maßnahmen ergriffen, um die Zulassung zu beschleunigen. Nach Ansicht der Prüfer hat die EMA auch dazu beigetragen, medizinische Engpässe zu bewältigen, die im Laufe der Pandemie auftraten. Allerdings habe sich die EMA nicht erfolgreich dafür einsetzen können, dass klinische Studien verstärkt in der EU durchgeführt werden.
Die Kommission habe die aus den frühen Phasen der Pandemie gezogenen Lehren genutzt, um eine Reihe von Beschlüssen und Plänen anzunehmen. Die Mandate des ECDC und der EMA seien klarer festgelegt und gestärkt worden, und mit der vorgeschlagenen Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts solle die Zulassung neuer Arzneimittel beschleunigt werden. Diese Maßnahmen dürften nach Auffassung der Prüfer einige Lücken schließen und die Fähigkeit der EU verbessern, auf gesundheitliche Notlagen zu reagieren. Allerdings sei der organisatorische Rahmen dadurch komplexer geworden. Die Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) sei 2021 eingerichtet worden, um in Notlagen die Entwicklung, Herstellung und Verteilung von Arzneimitteln, Impfstoffen und anderen Produkten zu überwachen. Allerdings überschnitten sich ihre Zuständigkeiten und Befugnisse teilweise mit denen des ECDC. Daher fordern die Prüfer eine enge Zusammenarbeit, um Doppelarbeit zu vermeiden.
Hintergrundinformationen
Der Auftrag des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) besteht darin, bestehende und neue Risiken für die menschliche Gesundheit, die von ansteckenden Krankheiten ausgehen, zu ermitteln, zu bewerten und darüber zu informieren. Die Mittelausstattung des ECDC belief sich 2020 auf 61 Millionen Euro und 2023 auf 90 Millionen Euro. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ist für die wissenschaftliche Bewertung von Anträgen auf Zulassung von Arzneimitteln im zentralisierten Verfahren zuständig. Die Mittelausstattung der EMA belief sich 2020 auf 358 Millionen Euro und 2023 auf 458 Millionen Euro. Die Zuständigkeit der beiden Agenturen erstreckt sich auf den Europäischen Wirtschaftsraum, d. h. die 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen.
Der Sonderbericht 12/2024 "Reaktion der EU auf die COVID‑19-Pandemie: Die medizinischen Agenturen der EU haben ihre Aufgabe trotz der beispiellosen Umstände im Allgemeinen gut bewältigt" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar.
Diese Prüfung ist Teil einer Reihe von Analysen und Prüfungen, die der Rechnungshof zur Reaktion der EU auf die COVID‑19-Pandemie durchführt. Dazu zählen u. a. die Sonderberichte zur Beschaffung von COVID‑19-Impfstoffen durch die EU, zur Sicherheit der Lebensmittelversorgung während der COVID‑19-Pandemie und zum digitalen COVID-Zertifikat der EU.
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