Studie zeigt: Klimaziel 2020 durch "Fuel Switch" in 5 Jahren erreichbar
Berlin (ots)
Deutschland kann das Klimaziel für 2020 in der Stromerzeugung - eine 40-prozentige CO2-Reduktion gegenüber 1990 - durch eine Stilllegung von neun Gigawatt Braunkohleleistung und eine höhere Auslastung von Gas- und Steinkohlekraftwerken bis 2023 erreichen. Das ist eines der Ergebnisse einer Kurzstudie zum deutschen Strommarkt des unabhängigen Beratungsunternehmens Aurora Energy Research. Die Studie wurde im Auftrag von Zukunft ERDGAS erstellt und heute in Berlin vorgestellt.
Im Rahmen der Untersuchung wurden die Auswirkungen eines teilweisen Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung im Jahr 2023 in drei Szenarien analysiert. Das erste Szenario berücksichtigt die Fortführung der Stromerzeugung unter heutigen Bedingungen, während in den beiden anderen Modellrechnungen die Abschaltung von fünf bzw. neun Gigawatt Braunkohlekraftwerksleistung angenommen wird. Das Ergebnis: Durch einen Umstieg, bei dem neben Steinkohle- insbesondere Gaskraftwerke verstärkt eingesetzt werden, ließe sich für die Stromerzeugung eine CO2-Minderung von knapp 43 Prozent im Vergleich zu den Emissionen des Jahres 1990 verwirklichen. Und das zu geringen Mehrkosten von maximal 0,4 Cent pro Kilowattstunde.
"Bis zum Jahr 2020 ist eine 40-prozentige CO2-Minderung nicht mehr zu schaffen. Wir dürfen jetzt aber nicht den Fehler begehen, den Blick nach dieser Niederlage starr auf das Ziel für 2030 zu richten. Denn je früher wir das für 2020 anvisierte Klimaziel erreichen, desto besser ist es für unser Klima. Jedes heute eingesparte Gramm CO2 kommt uns morgen doppelt zugute. Daher muss uns ein Einstieg in den Braunkohleausstieg in den kommenden fünf Jahren gelingen", fordert Stephan Kohler, Aufsichtsratsvorsitzender von Zukunft ERDGAS.
Derzeit sind emissionsarme Gaskraftwerke in Deutschland im Schnitt zu 35 Prozent ausgelastet. Anders steht es um Braunkohleanlagen, ihre Auslastung liegt bei 78 Prozent. Auch Hanns Koenig, Projektleiter bei Aurora Energy Research und Autor der Studie, zieht aus den Ergebnissen eine klare Schlussfolgerung: "Im aktuellen Marktumfeld sind Gaskraftwerke niedrig ausgelastet. Daran hat auch der im vergangenen Jahr stark gestiegene CO2-Preis nichts geändert, da die Erdgaspreise ebenfalls stark gestiegen sind. Die in den analysierten Szenarien stillgelegten Braunkohlekraftwerke könnten durch bestehende Gas- und Steinkohlekraftwerke sowie Importe aufgefangen werden."
Ein Beispiel, das die schwierige Marktlage illustriert, ist das 2010 in Betrieb genommene Gaskraftwerk Irsching nahe Ingolstadt. Die Anlage mit einer Leistung von 845 Megawatt hat einen Wirkungsgrad von rund 60 Prozent und gehört damit zu den effizientesten Kraftwerken der Welt. "Ausgerechnet der klimaschonendste fossile Energieträger wird durch Braunkohlekraftwerke, die allein im vergangenen Jahr 158 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen haben, aus dem Markt verdrängt. Hochmoderne Anlagen wie Irsching stehen still oder wandern in die Reserve ab. Dabei stoßen Gaskraftwerke pro erzeugter Menge an Energie dreimal weniger CO2 aus als Braunkohlekraftwerke. Ein wahrer Schildbürgerstreich, mit dem die bestehenden Instrumente zur Dekarbonisierung des Energiesystems ad absurdum geführt werden", betont Norbert Breidenbach, Vorstandsmitglied der Mainova AG.
Dabei kommt Gas im zukünftigen Energiesystem eine bedeutsame Rolle zu: Als Backup der Erneuerbaren gewährleisten Gaskraftwerke durch ihre hohe Flexibilität eine zuverlässige Energieversorgung auch in Zeiten von "kalter Dunkelflaute". Bis 2030 werden mindestens 54 Gigawatt zusätzliche Gaskraftwerksleistung benötigt, wie die vor wenigen Monaten veröffentlichte Leitstudie der Deutschen Energie-Agentur zeigt. Zudem wird der Anteil an grünem Gas deutlich zunehmen. Das erfordert erhebliche Investitionen, die unter den aktuellen Bedingungen jedoch ausbleiben.
"Um die emissionsintensivsten Kraftwerke zügig und kosteneffizient aus dem Markt zu drängen, sind marktwirtschaftliche Instrumente unverzichtbar. Die bestehenden Gaskraftwerke, die wir im Energiesystem der Zukunft dringend benötigen, müssen durch alternative Finanzierungsmechanismen wie beispielsweise einen Kapazitätsmarkt erhalten werden. Zusätzlich sollte eine CO2-Stilllegungsprämie eingeführt werden. Durch das Bieterverfahren würde garantiert, dass das einzusparende CO2-Budget so günstig wie möglich stillgelegt wird. So ermöglichen wir schnellen Klimaschutz im Stromsektor zum kleinsten Preis und kommen unseren Klimazielen für 2030 einen großen Schritt näher", erklärt Kohler abschließend.
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