WHO-Empfehlung zu Süßstoffen widerspricht eigener Studie - Auswahl von Referenzstudien wirft Fragen auf
WHO-NUGAG-Leitlinie zur Verwendung von Süßungsmitteln
Bonn (ots)
Eine Untergruppe der WHO (NUGAG) gibt eine "schwache Empfehlung" ab, dass kalorienfreie Süßstoffe nicht zur Gewichtskontrolle verwendet werden sollten. Sie beruft sich dabei auf eine WHO-Übersichtsstudie, die genau das Gegenteil ergab: Der Verzehr von kalorienfreien, mit Süßstoffen gesüßten Getränken ist unbedenklich und kann die Gewichtsabnahme bzw. das Gewichtsmanagement positiv unterstützen.
Dass die WHO eine Empfehlung ausspricht, die sich nicht mit der von ihr selbst in Auftrag gegebenen Studienlage deckt und darüber hinaus eine Vielzahl qualitativ hochwertiger Studien, die den Nutzen von Süßstoffen bestätigen, aus ihrer Bewertung ausschließt, ist nicht nur wissenschaftlich fragwürdig, sondern führt ohne nachvollziehbare Begründung zu einer unnötigen Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Am 15. Mai veröffentlichte die WHO-Nutrition Guidance Expert Advisory Group (NUGAG) ihre Leitlinie zur Verwendung von Süßungsmitteln. Wie schon im letztjährigen Entwurf der Leitlinie empfiehlt die WHO-Untergruppe, dass kalorienfreie Süßungsmittel nicht als Mittel zur Gewichtskontrolle oder zur Verringerung des Risikos nichtübertragbarer Krankheiten eingesetzt werden sollten. Die WHO-NUGAG bewertet ihre Empfehlung selbst als "schwach". Ebenso schwach wie die Empfehlung selbst bleibt auch die Argumentation der Leitlinie.
Obwohl die WHO-Studie (1), auf die sich die WHO-NUGAG bezieht, ausdrücklich die nützliche Rolle von kalorienfreien Süßungsmitteln bei der Verringerung der Zucker- und Energieaufnahme und damit bei der Gewichtsabnahme unterstützt, rät die WHO-NUGAG von ihrer Verwendung zur Gewichtskontrolle ab.
WHO-Empfehlung widerspricht dem aktuellen Forschungsstand und bedient stattdessen den politischen Meinungstrend
Das Ziel der neuen Leitlinie gibt der WHO-Direktor für Ernährung und Lebensmittelsicherheit, Francesco Branca, vor: "Um ihre Gesundheit zu verbessern, sollten die Menschen schon in jungen Jahren die Süße in ihrer Ernährung reduzieren (People should reduce the sweetness of the diet altogether, starting early in life, to improve their health)." "Damit folgt die WHO-NUGAG nicht dem aktuellen Forschungsstand, sondern einem ernährungspolitischen Trend - weg von einer ausgewogenen und kalorienarmen Ernährung, hin zu einem Geschmacksdiktat, mit dem die geschmacklichen Präferenzen von Verbraucherinnen und Verbrauchern grundlegend verändert werden sollen", resümiert Anja Roth, Ernährungswissenschaftlerin und fachliche Ansprechpartnerin des Süßstoff-Verband e.V. (2).
Nach Ansicht der WHO-Untergruppe gibt es keinen eindeutigen Konsens darüber, ob Süßungsmittel langfristig zu einer Gewichtsabnahme führen oder ob sie bei gewohnheitsmäßigem Verzehr im Rahmen der zulässigen Tagesdosis langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben können.
"Die WHO-NUGAG kommt zu dieser Schlussfolgerung, weil sie die Ergebnisse ihrer eigenen Referenzstudie anzweifelt und eine Vielzahl an qualitativ hochwertigen Studien (3) nicht berücksichtigt, die den Nutzen von kalorienfreien Süßungsmitteln beim Gewichtsmanagement und die positiven Auswirkungen auf Blutzuckerspiegel und Zahngesundheit bestätigen", erklärt Anja Roth.
WHO-NUGAG gibt die methodische Schwäche ihrer Leitlinie offen zu
Die Übersichtsarbeit, die der WHO-NUGAG-Leitlinie zugrunde liegt, konzentriert sich in erster Linie auf Beobachtungsstudien. In den ausgewählten Studien wird behauptet, dass kalorienfreie Süßstoffe unter anderem das Körpergewicht beeinflussen.
"Hier lohnt sich jedoch ein Blick auf das Studiendesign. Denn es liegt in der Natur von Beobachtungsstudien, dass sie keinen kausalen Zusammenhang nachweisen können. Vielmehr besteht die Gefahr einer reversen Kausalität. Revers bedeutet: Menschen konsumieren Süßstoffe, weil sie zunehmen und nicht andersherum. Um eine wirkliche Kausalität nachzuweisen, werden andere Studiendesigns wie randomisierte kontrollierte Studien verwendet. Warum aber gerade diese Studien nicht in die Bewertung der WHO eingeflossen sind, ist - zumindest aus rein wissenschaftlicher Sicht - nicht nachvollziehbar", sagt Anja Roth.
"Schwache Empfehlung" auf einer schwachen wissenschaftlichen Grundlage sorgt unnötigerweise für Verunsicherung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern
Die WHO-NUGAG ist sich der methodischen Schwäche ihrer Argumentation bewusst. Daher spricht sie nur eine bedingte Empfehlung aus. Bei einer so genannten schwachen oder bedingten Empfehlung erkennt der Autor an, dass eine erhebliche Unsicherheit über das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Empfehlung besteht. Aber auch eine schwache Empfehlung ist eine Empfehlung: Sie wird zu einer massiven Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen.
Kalorienfreie Süßungsmittel sind eine wichtige Unterstützung für Menschen mit Diabetes. Sie verwenden Süßstoffe, weil diese einen süßen Geschmack bieten, ohne den Blutzuckerspiegel zu beeinflussen. Diese wichtige Konsumentengruppe wird in der Empfehlung jedoch einfach ausgeklammert, da dies nach Ansicht der WHO den Rahmen der Leitlinie sprengen würde. Natürlich hat eine WHOEmpfehlung trotzdem Auswirkungen auf alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Auch wenn nationale und internationale Diabetes-Fachgesellschaften die Rolle von kalorienfreien Süßstoffen in der Ernährung von Menschen mit Diabetes anerkennen, wird die Leitlinie auch hier für Verunsicherung sorgen.
Sicherheit von Süßstoffen steht nicht in Frage
Die WHO betont, dass die Bewertung der Sicherheit von Süßungsmitteln nicht Gegenstand der Leitlinie sei, und verweist auf die Lebensmittelsicherheitsbehörden weltweit, die bestätigen, dass alle zugelassenen kalorienfreien Süßungsmittel innerhalb der festgelegten ADI-Grenzwerte (zulässige tägliche Aufnahmemenge) sicher sind.
Geschmäcker sind verschieden
Mit der Kampagne #geschmaeckersindverschieden setzt sich der SüßstoffVerband gegen Ernährungsverbote, politische Rezepturvorgaben und ein Geschmacksdiktat ein und plädiert für Geschmacksvielfalt, ein großes Lebensmittelangebot sowie eine freie Wahl der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Weitere Informationen: www.geschmaecker-sind-verschieden.de
Quellen/Referenzen:
1) World Health Organization, Rios-Leyvraz, Magali & Montez, Jason. (2022). Health effects of the use of non-sugar sweeteners: a systematic review and meta-analysis. World Health Organization. https://apps.who.int/iris/handle/10665/353064 License: CC BY-NC-SA 3.0 IGO
2) Siehe auch: Pressemitteilung "Ein Geschmacksdiktat schmeckt niemandem" https://suessstoff-verband.info/blog/startschuss-fuer-die-kampagne-geschmaecker-sind-verschieden/
3) EFSA. Scientific opinion on the substantiation of health claims related to intense sweeteners http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2011.2229/epdf
Über den Süßstoff-Verband:
Der Süßstoff-Verband e.V. wurde 1970 mit dem Ziel gegründet, "die Forschung auf dem Gebiet der Süßstoffe und die Verbreitung (Veröffentlichung) der Forschungsergebnisse sowie die Information der Öffentlichkeit zu fördern" (§ 3 der Verbandssatzung). Der Verband setzt sich für eine ausgewogene und faktenbasierte Berichterstattung zum Thema "Süße" in den Medien ein. Auch im politischen Raum vertritt er die Interessen von süßstofferzeugenden und -verwendenden Unternehmen mit Sitz in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
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