Bauturbo dank Bau-Novelle? So schöpfen Bauherren ihre rechtlichen Möglichkeiten aus
One document
Der § 246e soll den Wohnungsbau in angespannten Wohnungsmärkten vereinfachen und beschleunigen. In einem entsprechenden Gebiet – entgegen der eigentlichen Vorschriften des BauGBs – soll ein Bauvorhaben zugelassen werden, wenn die Gemeinde ihre Zustimmung erteilt und die Abweichung mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist. Einige Akteure sprechen sich vehement gegen eine solche Klausel aus.
Gäbe es bei Umsetzung einer solchen Novelle Gewinner unter den Bauherren? Friedrich Geschwinder, Rechtsanwalt bei Koenen Bauanwälte, schlüsselt auf, wer von einer solchen Regelung profitieren würde.
Münster, März 2025. Was genau unter einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu verstehen ist, regelt § 201a BauGB. Maßgeblicher Faktor: die Gefährdung von ausreichender Versorgung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn
- die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
- die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
- die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
- geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
„In diesen Gebieten will das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen den Wohnungsbau durch das neue Gesetz erleichtern“, so Friedrich Geschwinder. „Städte und Gemeinden könnten auf der bewährten Grundlage des Städtebaurechts wo nötig und möglich von Bebauungsplänen abweichen, dort nachverdichten, Gebäude aufstocken oder Flächen für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ausweisen“, erklärt der Koenen Bauanwalt. Beispielsweise wäre so das Errichten eines Hauses in zweiter Reihe auf Grundstücken denkbar, wodurch besonders in Gebieten mit großen Höfen und Hintergärten mehr Wohnraum geschaffen werden könnte.
Das Ministerium erhofft sich auf diese Weise eine Annäherung an das gesetzte Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen und davon 100.000 Sozialwohnungen zu errichten. Letztes Jahr verfehlte die zuständige Stelle diese Marke um fast die Hälfte.
Voraussetzungen
Der Idee nach soll die Novelle § 246e BauGB nur unter folgenden Bedingungen zum Einsatz kommen:
- Die Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen
- Die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird
- Die Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage für Wohnzwecke, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung
Mindestens eine dieser Anforderungen muss zur Anwendung erfüllt sein. Die Norm ist bis zum 31.12.2027 gültig. „Im Außenbereich, also in Arealen außerhalb bebauter Ortschaften und Bereichen von Bebauungsplänen, tritt die Wirkung des § 246e BauGB nur ein, wenn die Flächen im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die entweder in bebauten Ortschaften oder im Bereich eines Bebauungsplanes liegen.“
Kritik
Sowohl die Bundesarchitektenkammer als auch der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten kritisieren dieses Vorhaben. Sie formulierten gemeinsam mit verschiedenen Umwelt- und Sozialverbänden schon Anfang 2024 einen Appell gegen die Einführung des „Bauturbos“.
Demnach wäre der Rückgang von Wohnungsneubauten keinesfalls mit zu strengen Anforderungen des Baugesetzbuchs zu erklären. Zum Zeitpunkt des Appells seien erteilte Baugenehmigungen für fast 900.000 Wohneinheiten ungenutzt. „Grund für das reduzierte Neubauvolumen sind laut Appell nicht zu wenig erteilte, sondern zu wenig genutzte Baugenehmigungen! Den Autoren zufolge hat §246e darauf überhaupt keine Auswirkungen“, fasst Geschwinder zusammen. Vielmehr hätte die Norm nur zur Folge, dass der einzelne Bürger noch weniger Einflussmöglichkeit auf die Planungskultur hätte. Denn mit der Novelle könnten Beteiligungen der Öffentlichkeit und damit die Anhörung, Berücksichtigung und Abwägung von öffentlichen und fachlichen Belangen übersprungen werden. „Dies führt zu einer Entdemokratisierung der Planungskultur.“ Außerdem müsse sichergestellt werden, dass der neue Wohnraum auch bezahlbar bliebe oder für das Einrichten von Sozialwohnungen genutzt würde. Das könne § 246e BauGB nicht leisten.
Für die Umweltverbände wichtig: Der Bauturbo würde dem allgemeinen Ziel der Verringerung des Flächenverbrauchs entgegenwirken. Bis 2030 ist geplant, den Verbrauch auf höchstens 30 ha pro Tag zu reduzieren. Die fortschreitende Versiegelung von Grünflächen zulasten von Naturschutzbelangen und Landwirtschaft würde durch die Umgehung der im BauGB getroffenen einschlägigen Schutzvorkehrungen nur weiter beschleunigt werden.
Was haben Bauherren davon?
Besitzt ein Grundeigner viel freie Fläche, beispielsweise einen großen Innenhof oder alte, ungenutzte Stallungen, so könnte der § 246e helfen, per Sonderregelung diese Fläche nutzbar zu machen. Besitzer könnten so zum Wohle der Gesellschaft beitragen, indem sie neuen Wohnraum schaffen an Orten, in denen dieser äußerst knapp ist. Sie bewirtschaften also ungenutzte Fläche. Im besten Fall verdienen sie damit Geld, während andere eine neue Bleibe bewohnen.
Allerdings sind die Zweifel der Bundesarchitektenkammer und des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten durchaus berechtigt. „Sozialer Wohnungsbau wird auf diese Weise eher selten gefördert. Außerdem könnte, je nachdem, wie weit das neue Gebäude vom bereits bestehenden entfernt liegt, das Wohlempfinden der Bewohner leiden“, gibt der Koenen Anwalt zu bedenken. Bauherren müssten also viele Faktoren berücksichtigen, abgesehen von der Befürwortung der Gemeinde. Für einzelne Fälle, beispielsweise in Kleinstädten oder in Städten mit brachliegendem Land, könnte diese Genehmigung durchaus eine für alle lohnende Maßnahme sein. Die Gefahr, dass Großgrundbesitzer diese Möglichkeit für noch mehr Profit nutzen, liegt jedoch äußerst hoch.
Über die Koenen Bauanwälte
Koenen Bauanwälte ist eine auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierte Kanzlei, die im gesamten Bundesgebiet tätig ist. Das Leistungsspektrum der vielfach prämierten Kanzlei mit Standorten in Essen, Hannover, Münster und Bielefeld umfasst ausgehend vom klassischen Baurecht alle juristischen Angelegenheiten rund um den Bauprozess – von der baubegleitenden Rechtsberatung bis hin zur Prozessführung. In holistischer Arbeitsweise mit Fokus auf private und institutionelle Bauherren decken die juristischen Expert:innen-Teams alle Bereiche rund um Kosten, Termine und Qualität ab. Von einem im Kanzleigewerbe unüblichen, teamorientierten Menschen- und Arbeitsbild ausgehend, gründete Prof. Dr. Koenen 2004 seine Kanzlei in Essen mit der Idee, das althergebrachte Arbeitsverhältnis tradierter Kanzleien zu ändern. Dem kulturellen Wandel hin zu New Work folgend, setzte Koenen seine Vision 2022 in die Tat um, fokussierte die Teamarbeit in seinem Unternehmen und stockte seine Anzahl der Mitarbeitenden um fast das Doppelte auf derzeit 16 Berufsträger und weitere juristische Fachkräfte auf. Mehr Details zur Kanzlei und aktuelle Informationen zu juristischen Themen über die eigene Publikation Legal Report unter bauanwaelte.de.
Borgmeier Public Relations
Tanja Muhme Rothenbaumchaussee 5 D-20148 Hamburg
fon: +49 40 413096-15 e-mail: muhme@borgmeier.de LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/tanja-muhme
www.borgmeier.de Ein Geschäftsbereich der Borgmeier Media Gruppe GmbH Geschäftsführer: Carsten Borgmeier Amtsgericht Oldenburg HRB 201817 Sitz der Gesellschaft: Delmenhorst
Datenschutz ist uns wichtig.
Unsere Datenschutzerklärung entsprechend der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) finden Sie hier: https://www.borgmeier.de/datenschutz/
Fragen zum Datenschutz richten Sie bitte an: datenschutz@borgmeier.de