Grundschüler als Möbeldesigner
An der Peter Gläsel Schule in Detmold gestalten die Kinder ihre Klassenräume selbst. Beim Planen und Bauen lernen sie fächerübergreifend.
Detmold. Wenn Ende August die neuen Erstklässler in der Peter Gläsel Schule eingeschult werden, erwarten sie nicht nur klassische Schulmöbel aus der Fabrik. Bereits jetzt werkeln die älteren Schüler an den Tischen für die neuen Schülerinnen und Schüler. Denn an der Grundschule in freier Trägerschaft in Detmold erfasst das Lernen auch die Mitgestaltung der Schulräume - ein gutes Beispiel, wie das einzigartige PRRITTI-Bildungsmodell funktioniert.
In der Werkstatt im Keller der Schule hört man Schleifgeräusche. Man sieht konzentrierte Kinder, die mit Schulmitbegründer und Bildungskünstler Josef Köhler an der Inneneinrichtung der Schule arbeiten. "Das erfahrungsbasierte Lernen ist wesentlicher Bestandteil unseres Schulkonzeptes", skizziert Köhler die Idee hinter dem Möbelbau. Im Lernatelier Kunst und Philosophie, wie auch im gesamten Schulkontext, können die Kinder einfach und selbständig konstruieren und bauen lernen. Köhler begleitet und unterstützt die Kinder dabei, ist aber immer wieder überrascht von ihrer Selbständigkeit: "Die Kinder gehen mit Leichtigkeit an eine so komplexe Herausforderung heran", beobachtet er. "Sie sind schnell in der Lage, mit Maßstäben zu arbeiten und die direkte Anwendung von komplexen mathematischen Zusammenhängen fällt ihnen leicht."
Dabei können die Kinder ihren Interessen folgen. Während ein sechsjähriges Mädchen gerade ausdauernd die Seitenteile eines Spielhauses mit Handschleifpapier bearbeitet, rechnen ein paar andere Kinder aus, wie groß ein Tisch in echt sein muss, wenn der Maßstab 1:50 beträgt. Andere Kinder sägen, schrauben oder lackieren lieber.
Verwendet werden ausschließlich Holz und andere nachhaltige Materialien wie Lacke auf Bio-Basis. Als "zeitlos und plastikfrei" bezeichnet Köhler die fahrbaren Paletten, multifunktionalen Sitzmöbel und Tische, die mittlerweile in allen Räumen der Schule benutzt werden. "Bildung für nachhaltige Entwicklung ist eines unserer Schulziele", begründet Köhler den ausschließlichen Einsatz von natürlichen Materialien. "Unsere Meisterstücke sind zwei selbst entworfene Spielhäuser", sagt er nicht ohne Stolz. Was Köhler und die anderen Lernbegleiter in ihrer Herangehensweise an das Lernen bestärkt, ist der Umstand, dass die Kinder sich mit den Dingen, die sie selbst geschaffen haben, viel besser identifizieren können. Sie sind stolz darauf, weil sie maßgeblich beteiligt sind. Und vor allem: Alle Möbel werden tagtäglich benutzt. Die Spielhäuser sind Treffpunkt für unterschiedlichste Spiele oder werden einfach zum Ausruhen genutzt.
"Partizipation bedeutet, dass wir Kinder wirklich an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligen. Der Raum und das Mobiliar werden oft als "dritter Pädagoge bezeichnet", betont Köhler. "Wir entwickeln mit den Kindern nicht nur einfach Möbel. Wir verbinden die Gestaltung mit den Bedürfnissen der Kinder." Alle Möbel haben mehrere Funktionen, die den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden. So ist ein Palettentisch zugleich fahrbar, bespielbar, er ist so konstruiert, dass man ihn als Fahrzeug, Liegefläche und auch als Basteltisch in Kniehöhe nutzen kann. Tische sind auch Bänke und Sitze werden als Spieltürme stapelbar. "Die Fantasie der Kinder wird hier in einer sinnvollen und kindgerechten Form und Nutzbarkeit realisiert. Ich kann nur allen Schulen raten, es mal auszuprobieren. Gerne können Sie sich bei uns informieren", sagt Köhler.
Die Tische für die neuen Erstklässler erhalten in den Wochen vor den Sommerferien noch den letzten Schliff. Im Herbst werden auch die neuen Kinder in einer Schule lernen, die Kinder nach ihren eigenen Bedürfnissen mitgestalten.
Über die Peter Gläsel Schule
Die Peter Gläsel Schule in Detmold ist eine private Ersatzschule. Sie ist 2015 als einzügige Grundschule von der Peter Gläsel Stiftung gegründet worden. Mittlerweile lernen hier 60 Kinder in vier jahrgangsübergreifenden Gruppen nach dem PRRITTI-Bildungsmodell, das künstlerisch-kulturelle Bildung unter Beteiligung der Kinder als zentralen Zugang zum Lernen in den Fokus stellt - ein weltweit einzigartiges Bildungsmodell. Die Peter Gläsel Schule will mit ihrem PRRITTI-Bildungsmodell eine Antwort auf die Frage liefern, welche Bildung Kinder im 21. Jahrhundert benötigen, um die Veränderungen in einer globalisierten und digitalisierten Welt selbständig mitzugestalten. Für eine kindgerechte und nachhaltige Bildung verzichtet das PRRITTI-Modell auf alles, was einem kindgerechten Lernen im Weg steht: Es gibt keine Noten, keine Hausaufgaben, keinen Druck und keine Schulfächer; denn die Welt besteht aus komplexen Zusammenhängen, nicht aus einzelnen Fächern. Zum Lernen nach PRRITTI gehört eine neue Organisations- und Zeitstruktur: So gibt es an der Peter Gläsel Schule keine Unterrichtseinheiten von 45 Minuten, sondern einen gebundenen Ganztag von 8 bis 15 Uhr sowie davor und danach eine Betreuung ab 7 und bis 17 Uhr. Zu Beginn des Tages treffen die Kinder sich zum Morgenkreis, tauschen sich aus und planen, was sie an dem jeweiligen Tag tun und lernen wollen. Sie entscheiden gemeinsam mit ihren Lernbegleiter*innen, wie sie ihren Tag und ihr Lernen strukturieren und dokumentieren.
Peter Gläsel Stiftung Allee 15 32756 Detmold Tel.: 05231 30826-12 Fax: 05231 30826-10 Internet: www.pg-stiftung.net