Beschwerdeverfahren gegen Adidas
Deutsche Kontaktstelle der OECD bleibt hinter Erwartungen zurück
Bonn (ots)
Die Nationale Kontaktstelle der OECD (NKS) in Berlin legte am Freitag, den 24. April 2020, ihre Abschlusserklärung zum Beschwerdeverfahren gegen die Adidas AG vor. Das SÜDWIND-Institut, die internationale Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) und die indonesische Arbeitsrechtsorganisation LIPS hatten das Beschwerdeverfahren vor zwei Jahren angestrengt. Anlass waren Arbeitsrechtsverletzungen bei einem indonesischen Adidas-Zulieferer. Über die jetzt vorgelegte Abschlusserklärung äußern sich die drei Nicht-Regierungsorganisationen enttäuscht.
Die Beschwerde, die von der NKS im Jahr 2018 akzeptiert wurde, betraf Verstöße gegen die Zahlung von Mindestlöhnen und gegen Vereinigungsfreiheit bei dem indonesischen Zulieferer PT Panarub Dwikarya (PDK) (s. Hintergrund). Die Entscheidung der NKS, das Beschwerdeverfahren im Prinzip ohne Lösung zu beenden, ist enttäuschend:
Aus Sicht der Beschwerdeführer geht die Abschlusserklärung der NKS nicht angemessen auf den Fall ein. Weder Behinderung der Gewerkschaftsarbeit noch das mangelhafte Risikomanagement von Adidas werden angemessen adressiert: Bei PDK wurden im Februar 2012 mehrere Arbeiter*innen entlassen, die nach der Reduzierung der Mindestlöhne eine Gewerkschaft gegründet hatten. Adidas bestreitet, dass es sich bei den Entlassungen um Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit gehandelt hätte, und behauptet zugleich, nicht über diese Entlassungen informiert gewesen zu sein. Die NKS wiederum gibt in der Abschlusserklärung keine eigene Einschätzung zum Charakter der Entlassungen ab.
Außerdem scheint die NKS die Geschäftsbeziehung zwischen einem der wichtigsten indonesischen Schuhlieferanten von Adidas, Panarub, und der Zulieferfabrik PDK zu verkennen. Die CCC, LIPS und das SÜDWIND-Institut hatten den Zusammenhang von Panarub (Muttergesellschaft) und PDK in ihrer Beschwerde belegt. Diese enge Beziehung drückt sich auch darin aus, dass Teile des Managements beider Firmen identisch sind.
Der Einfluss, den Adidas als wichtiger und langjähriger Einkäufer der Muttergesellschaft auf die Tochterfirma PDK hätte ausüben können, wird in der Abschlusserklärung jedoch nicht reflektiert. Adidas wiederum leugnet jegliche Verantwortung für die Beschäftigten von PDK nach Mai 2012 und damit auch für die Massenstreiks und die darauffolgende Entlassungswelle ab Juli 2012, da PDK seit Mai 2012 nicht mehr für Adidas produzierte. Dass Adidas weiterhin Hauptauftraggeber von Panarub war und die Behinderung der Gewerkschaftsgründung im Februar 2012 mit zu den Streiks im Juli 2012 geführt hat, ignorieren sowohl Adidas als auch die NKS.
"Es ist enttäuschend, dass die NKS ihre eigene Rolle ausschließlich als Mediatorin betrachtet. Sie sollte die Wächterin der OECD-Richtlinien zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten sein und bei Beschwerden auch eigene Beurteilungen treffen, ob Unternehmen die Sorgfaltspflichten eingehalten oder gegen diese verstoßen haben. Wir haben erwartet, dass die NKS eine entschlossenere Haltung einnehmen würde", sagt Dr. Sabine Ferenschild vom SÜDWIND-Institut.
Dina Septi von LIPS ergänzt: "Dieser Fall verdeutlicht die extreme Verletzlichkeit der Arbeiter*innen in Zulieferbetrieben und wirft die Frage auf, was in Fällen von Arbeitsverletzungen geschieht, in denen Markenunternehmen die Verantwortung ihnen gegenüber leugnen? Die Arbeiter*innen haben mehr verdient."
"Unsere ernsthaften Bedenken über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch Adidas wurden in diesem Fall ignoriert. Die unzureichende Reaktion der NKS ermöglicht es den Marken, sich vor ihrer Verantwortung zu verstecken, und bringt die Beschäftigten in gefährliche Situationen", sagt Tessel Pauli (CCC).
Anmerkungen
Die Abschlusserklärung der NKS finden Sie hier:
Weitere Informationen zum konkreten Fall im Hintergrund (s.u.) und unter:
https://complaints.oecdwatch.org/cases/Case_499
Hintergrund:
Im Juli 2012 traten rund 2.000 Beschäftigte von PT Panarub Dwikarya, Teil des zentralen Adidas-Zulieferers Panarub-Group in Indonesien, in den Streik. Sie forderten die Zahlung des seit Januar 2012 geltenden Mindestlohns und ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit. Zuvor waren im Februar 2012 mehrere Beschäftigte entlassen worden, die versucht hatten, eine Betriebsgewerkschaft zu gründen. Am 23. Juli 2012 wurden 1.300 Beschäftigte, die sich an dem Streik beteiligt hatten, entlassen. Bis 2018 hatten mehr als 300 der entlassenen Beschäftigten (zumeist Frauen) keine Abfindung erhalten, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Nach dem indonesischen Arbeitsrecht hat jeder entlassene Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, deren Höhe sich nach der Dauer seines Arbeitsverhältnisses richtet.
Im März 2018 reichten die indonesische Arbeitsrechtsorganisation LIPS, die internationale Clean Clothes Campaign (CCC) und das deutsche SÜDWIND-Institut bei der deutschen Kontaktstelle (NKS) der OECD in Berlin eine Beschwerde gegen die Adidas AG ein. Inhalt der Beschwerde: Adidas reagierte nicht angemessen auf die Missstände in den Bereichen Lohnzahlung und Gewerkschaftsfreiheit bei seinem indonesischen Subunternehmer PDK Dwikarya seit Januar 2012, führte kein angemessenes Risikomanagement durch und war daher mitverantwortlich für die einbehaltenen Löhne und die Entlassung zahlreicher Gewerkschafter und hunderter Mitarbeiter im Juli 2012.
Nach Einreichung der Beschwerde und der Reaktion von Adidas auf den Inhalt der Beschwerde erklärte die NCP im Sommer 2018, dass sie die Beschwerde bezüglich der Ereignisse von Januar bis Mai 2012 (keine Anpassung des Mindestlohns, Entlassung von Gewerkschaftern) akzeptiere. Dagegen akzeptierte die NCP den Teil der Beschwerde nicht, in dem die Verantwortung von Adidas für die Massenentlassungen vom Juli 2012 benannt wurde, da die Produktion von Adidas laut Adidas im Mai 2012 endete.
CCC, LIPS und das SUEDWIND-Institut akzeptierten diese Entscheidung in der Hoffnung, dass das Beschwerdeverfahren die Möglichkeit eines direkten Gesprächs mit Adidas eröffnete, bei dem die Argumente für die Einordnung des Verhaltens des PDK-Managements als massiv gewerkschaftsfeindlich erläutert werden könnten. Auf dieser Grundlage wollten CCC, LIPS und das SUEDWIND-Institut zu einer gemeinsamen Bewertung der Ereignisse des Jahres 2012 kommen und sich gleichzeitig auf ein besseres Risikomanagement für Adidas in künftigen Fällen vermuteter gewerkschaftlicher Diskriminierung bei Zulieferern und Subunternehmern von Adidas einigen. Entgegen dieser Erwartungen beharrte Adidas auf seiner Überzeugung, keinen Fehler gemacht zu haben und sah keine Lücke bei der Überprüfung seines Subunternehmers. Darüber hinaus fühlte sich Adidas nicht verantwortlich für "angebliche" gewerkschaftliche Diskriminierung - und mehr als das: Adidas betrachtete die Entlassungen im Jahr 2012 nicht als gewerkschaftliche Diskriminierung.
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