Bürgerumfrage 2018 in der Region Stuttgart: Verbesserungsbedarf bei bezahlbarem Wohnraum, Luftqualität und Verkehr
Lebensqualität weiterhin hoch eingeschätzt
Stuttgart (ots)
Im Juni 2018 hat der Verband Region Stuttgart in den 179 Kommunen der Region nach fünf Jahren seine zweite telefonische Bürgerumfrage durchgeführt. Die Ergebnisse präsentierte Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses. "Zusammenfassend betrachtet", so Schelling, "bestätigen die Umfrageergebnisse die Zielrichtung unserer Arbeit in den letzten fünf Jahren, sie zeigen aber auch die Problemfelder auf."
Die bei über 1.300 Einwohnern der Region durchgeführte Befragung verdeutlicht, dass besonders die Themen Verkehr, Luftqualität und bezahlbarer Wohnraum den Bürgern auf den Nägeln brennen. Trotzdem ist die positive Bewertung der Lebensqualität mit 94 Prozent im Vergleich zu 2013 nur um zwei Prozentpunkte zurückgegangen. Eine Mehrheit von 58 Prozent fühlt sich mit der Region weiterhin verbun-den (2013: 59 Prozent). Auffällig ist in diesem Zusammenhang der starke Anstieg der Verbundenheit mit Europa von 64 auf 73 Prozent. Die Bekanntheit des Verbands Region Stuttgart stieg von 43 (2013) auf 46 Prozent.
Wohnungsmarkt und Verkehr als Problemfelder, Arbeitsplatzangebot verbessert
Deutlich verschlechtert haben sich die Bewertungen für den Wohnungsmarkt in der Region: Mehr als dreiviertel aller Befragten hält das Wohnungsangebot für weniger oder gar nicht gut (2013: 53 Prozent). Mit 86 Prozent bringen sie klar zum Ausdruck, dass es schwer oder sehr schwer ist, eine bezahlbare Wohnung am Wohnort zu finden. Im Kernraum Stuttgart sind es sogar 94 Prozent.
Im Vergleich zu 2013 fällt auch die Einschätzung der Verkehrssituation negativer aus. Die mehrheitlich positive Beurteilung (sehr gut oder gut) des ÖPNV sinkt von 67 auf 59 Prozent. Um den ÖPNV häufiger zu nutzen, wird der Fahrpreis nach wie vor als wichtigstes Kriterium betrachtet. Als positiven Beitrag zur Steigerung der Luftqualität in der Region nennen 87 Prozent der Befragten Verbesserungen beim ÖPNV, 76 Prozent einen besseren Verkehrsfluss (z.B. durch Verkehrsleitsysteme), 72 Prozent den Radverkehr und 68 Prozent den Ausbau von Umgehungsstraßen. 63 Prozent lehnen einschränkende Maßnahmen wie Fahrverbote als wenig oder gar nicht hilfreich ab. Auf einer offenen Vorschlagsliste wird zudem die Förderung der Elektromobilität als wirksame Maßnahme zur Luftreinhaltung hervorgehoben.
Die Einschätzung des Arbeitsplatzangebots fällt 2018 wesentlich besser aus als 2013. Die positive Beurteilung (sehr gut oder gut) nimmt hier um 8 auf 85 Prozentpunkte zu. Die Zunahme ist bei den Befragten mit Hauptschulabschluss mit 15 Prozentpunkten besonders stark (2013: 64 Prozent).
Überörtliche Zusammenarbeit, ohne freie Flächen zu bebauen Allerdings erkennen die Bürger auch, dass für die drängendsten Probleme überörtliche Lösungen notwendig sind. Bei der Frage nach der regionalen Zusammenarbeit wächst der Wunsch nach mehr gemeinsamer, regionaler Regelung beim Verkehr um 9 auf 65 Prozentpunkte und bei der Flächenplanung um 6 auf 47 Prozentpunkte.
Gleichzeitig besteht jedoch bei allen Kriterien, also Wohngebieten, Gewerbegebieten, Straßen und Bahnstrecken, eine mehrheitliche Ablehnung, freie Flächen hierfür zu bebauen. Waren 2013 die Bürger noch mit einer knappen relativen Mehrheit von 48 Prozent dafür, freie Flächen für neue Gewerbegebiete zu nutzen, so ist die Zahl der Befürworter 2018 auf 38 Prozent gesunken. Die Bereitschaft zur Bebauung freier Flächen mit Wohnungen nimmt zwar um wenige Prozent zu, die Ablehnung ist aber auch hier mit 48 Prozent immer noch mehrheitlich vorhanden (2013: 54 Prozent). Beim Straßenbau liegt die Ablehnung sogar bei 69 Prozent.
Für Dr. Nicola Schelling "ist der Wunsch nach mehr regionaler Zusammenarbeit in unseren zentralen Arbeitsfeldern absolut begrüßenswert." Schelling weiter: "Die Umfrage ist eine wichtige Arbeitsgrundlage für uns, sie zeigt aber auch die Hürden auf, wenn es darum geht, den Ausbau der regionalen Infrastruktur - Mobilität. Wohnen, Arbeitsplatzangebot - mit den vorhandenen Flächenkapazitäten in Einklang zu bringen. Das gilt ebenso für die Gemeinderäte, wo die erforderlichen Mehrheiten für Wohnen, Gewerbe, Infrastruktur gefunden werden müssen."
Die Diskussion
Andreas Koch (CDU) betrachtete die Bürgerumfrage als Widerspiegelung von Zielkonflikten: "All diese Erwartungen unter einen Hut zu bringen, entspricht der Quadratur des Kreises - aber es bleibt unsere Aufgabe." Er verwies auf die zum 1. April 2019 in Kraft tretende VVS-Tarifzonenreform als Beispiel für die Steigerung der Attraktivität des ÖPNV, allerdings werde parallel auch der Komfort im öffentlichen Nahverkehr immer wichtiger. "Die Luftverschmutzung stellt die hohe Lebensqualität in der Region in Frage," meinte Dr. Cleo Becker (Grüne). Wenn in der Umfrage auch die Zustimmung für den ÖPNV zurückgehe, sei das andererseits ein Zeichen für das große Interesse am weiteren Ausbau. Hier müsse mehr für die Verbesserung des Nahverkehrs getan werden. Zum Thema Wohnungsmarkt wies er darauf hin, dass das Potenzial der Innenentwicklung stärker genutzt werden sollte.
Dr. Jürgen Zieger (SPD) sah in der kommenden Tarifzonenreform einen wichtigen Schritt zu einem attraktiveren ÖPNV. Er bezeichnete es als "Megathema, Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zu schaffen." Für die Wirtschaft müssten zudem neue Gewerbeflächen bereitgestellt werden. Positiv wertete er die Wahrnehmung der Landschaft in der Region "als lebenswert". Daran knüpfte Gerd Maisch (Freie Wähler) an. Für ihn war es "kein Wunder, dass es den Menschen in der Region gefällt - es ist eine schöne Region!" Beim Thema Verkehr und Gewerbe müsse man allerdings die längerfristige Perspektive im Auge behalten, die vom technologischen Wandel geprägt werde.
Peter Rauscher (Linke) fand die Ergebnisse der Bürgerumfrage "bemerkenswert", weil die Befragten günstigere Fahrpreise, zusätzliche Linien im ÖPNV und bessere Radwege befürworteten. Statt für neue Gewerbegebiete sprach er sich für ein Recycling bestehender Gewerbeflächen aus. Albrecht Braun (FDP) ging näher auf die Bekanntheit des Verbands ein, die in erster Linie über die klassischen Medien hergestellt werde. Er schlug vor, die sozialen Medien stärker zu nutzen, um die Bekanntheit auch bei Jüngeren zu steigern. Für Stephan Schwarz (AfD) stand das Wohnungsproblem im Vordergrund. Er wies darauf hin, dass schon bei Neubauten das altersgerechte Bauen berücksichtigt werden müsse. Und Ulrich Deuschle (Innovative Politik) schlug vor, Sitzungen häufiger vor Ort in der Region abzuhalten, um die Bekanntheit des Verbands zu steigern.
Der Verband Region Stuttgart (www.region-stuttgart.org) arbeitet daran, die Region Stuttgart mit 179 Kommunen und rund 2,8 Mio Einwohnern lebenswert, wirtschaftlich leistungsstark und nachhaltig intakt zu gestalten. Wichtige Themen wie Regionalplanung, Bereiche des Nahverkehrs, regionales Verkehrsmanagement, Regionalverkehrsplanung, Landschaftsplanung, Wirtschafts- und Tourismusförderung und Teile der Abfallwirtschaft zählen zu den gesetzlich übertragenen Pflichtaufgaben. Darüber hinaus engagiert sich die Region unter anderem bei regional bedeutsamen Sport- und Kulturveranstaltungen. Der Verband arbeitet auch aktiv in deutschen und europäischen Netzwerken mit und beteiligt sich an Wettbewerben und Projekten zu zentralen Zukunftsthemen. Der Verband Region Stuttgart wurde 1994 durch ein Gesetz des Landes Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Er ist die politische Ebene der Region Stuttgart in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Alle 5 Jahre wählen die Bürgerinnen und Bürger die Regionalversammlung. Dieses regionale "Parlament" ist einmalig in Baden-Württemberg und hat Modellcharakter für regionales Management.
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