All Stories
Follow
Subscribe to dpa-Faktencheck

dpa-Faktencheck

Hetze im Netz nach tödlichem Messerangriff in Berlin - Täter ist Deutscher

Berlin (ots)

Den tödlichen Messerangriff auf einen Chefarzt in Berlin haben Menschen im Internet für fremdenfeindliche Hetze genutzt. Nach der Tat vergingen einige Stunden, in denen die Polizei keine genauen Angaben zum Verdächtigen machte. Während dieser Zeit wurde in sozialen Medien etwa fälschlicherweise spekuliert, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen Migrant handele oder dass die Tat in einem Zusammenhang mit der deutschen Flüchtlingspolitik stehe.

BEWERTUNG: Die Polizei gibt an, dass der Festgenommene ein 57-jähriger Deutscher ist.

FAKTEN: Am Abend des 19. November 2019 ist der Mediziner Fritz von Weizsäcker in der Berliner Schlosspark-Klinik erstochen worden. Der 59 Jahre alte Chefarzt hielt dort gerade einen medizinischen Vortrag, als kurz vor 19.00 Uhr ein Mann aus dem Zuschauerraum mit dem Messer auf ihn losging. Für den Mediziner kam jede Hilfe zu spät. Ein Zuhörer aus dem Publikum, der dazwischengehen wollte, wurde verletzt.

Der Tatverdächtige wurde noch vor Ort festgenommen und in der Nacht verhört. Eine Mordkommission übernahm die Ermittlungen. Details zum Festgenommenen waren zunächst nicht veröffentlicht worden.

Am Morgen des 20. November teilte die Polizei dann mit, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen 57 Jahre alten Deutschen handelt. Er sei nicht polizeibekannt und kein Patient der Klinik gewesen. Am frühen Nachmittag wurde bestätigt, dass der Mann aus Rheinland-Pfalz kommt. Weitere Angaben zur Identität und zum Motiv des mutmaßlichen Täters machten die Behörden zunächst nicht (Stand: 20.11./15.00 Uhr).

Ohne jegliche Belege war zuvor im Netz unter anderem behauptet worden, dass der Tatverdächtige «wie immer ein Migrant» sei (http://dpaq.de/bPAIf) oder dass die Tat in Wirklichkeit «am Aussentor der Klinik» verübt worden sei (http://dpaq.de/39uKA). Zudem wurde fälschlicherweise spekuliert, der Festgenommene sei ein «Merkel-Gast ohne Papiere» (http://dpaq.de/KYeJ8).

Die Polizei ermittelt nach Angaben einer Sprecherin in alle Richtungen. Beamte sollen demnach auch die Familie von Weizsäckers dazu befragen, ob es Bedrohungen gegeben haben könnte.

Von Weizsäcker war nach Stationen in Freiburg, Boston und Zürich seit 2005 Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I an der Schlosspark-Klinik. Sein Vater Richard von Weizsäcker (1920-2015) war von 1984 bis 1994 Bundespräsident der Bundesrepublik.

   ---

Links:

Pressemitteilung der Polizei Berlin vom 20.11.2019: https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.867344.php (archiviert: http://dpaq.de/fs6S5)

«Welt» über den Tatverdächtigen (20.11./13.46 Uhr): https://www.welt.de/vermischtes/article203663500/Fritz-von-Weizsaecker-Was-wir-ueber-den-mutmasslichen-Taeter-wissen.html (archiviert: http://dpaq.de/t89Ew)

«Frankfurter Rundschau» über Tat (20.11./13.24 Uhr): https://www.fr.de/panorama/berliner-schlossgartenklinik-fritz-weizsaecker-waehrend-eines-fachvortrags-erstochen-13234596.html (archiviert: http://dpaq.de/Zbuhx)

Schlosspark-Klinik über Veranstaltung: https://www.schlosspark-klinik.de/patienten-besucher/veranstaltungen/veranstaltung/article/fettleber-kein-grund-zur-sorge-1.html (archiviert: http://dpaq.de/bdZcr)

Schlosspark-Klinik über Weizsäcker: https://www.schlosspark-klinik.de/medizin-pflege/innere-medizin-i/chefarzt-von-weizsaecker.html (archiviert: http://dpaq.de/Plfrx)

Falschbehauptung über Migrant in Facebook-Kommentar: https://www.facebook.com/milana.wolf.313/posts/149498409728953?comment_id=149524336393027

Falschbehauptung über Tatort in Facebook-Kommentar: https://www.facebook.com/jeana.luft/posts/2726705380714075?comment_id=2726801334037813&reply_comment_id=2727073600677253

Falschbehauptung über «Merkel-Gast» in Facebook-Post: https://www.facebook.com/lutz.urbanczyk.7/posts/1407483979431657

   ---

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

© dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH. Die vorstehenden Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Jegliche Nutzung von Texten, Grafiken und Bildern ohne vertragliche Vereinbarung oder sonstige ausdrückliche Zustimmung der dpa ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe sowie Speicherung, Bearbeitung oder Veränderung. Alle Rechte bleiben vorbehalten.

More stories: dpa-Faktencheck
More stories: dpa-Faktencheck
  • 19.11.2019 – 16:48

    Tuberkulose war in Deutschland niemals ausgerottet

    Berlin (ots) - [HINWEIS: KORREKTUR IM 5. ABSATZ] Eine «große Gefahr» für die Bevölkerung beschwört ein Facebook-Post herauf, der immer wieder geteilt wird. Zuwanderer hätten massenhaft Tuberkulose nach Deutschland gebracht, heißt es, zuletzt in eine Schule in Bad Schönborn bei Karlsruhe - und das, obwohl die Krankheit doch «seit Jahrzehnten in Deutschland als ausgerottet galt». Die Schlussfolgerung: «Schutz ...

  • 19.11.2019 – 14:34

    Schoko-Weihnachtsmänner werden als Weihnachtsmänner verkauft

    Berlin (ots) - Ein Bild bei Facebook zeigt Schokoladen-Weihnachtsmänner der Firma Lindt mit einem Preisschild, das sie als «Jahresendfigur» ausweist. Dazu der Kommentar: «Neu bei Netto». (http://dpaq.de/0DJeP) BEWERTUNG: Weder beim Unternehmen «Netto Marken-Discount» noch beim Unternehmen «Netto Deutschland» werden diese Schoko-Figuren als Jahresendfiguren verkauft. Hersteller Lindt listet das Produkt als ...

  • 18.11.2019 – 22:58

    Streit in Hildburghausen: Polizei ermittelt wegen «einem Schlag»

    Berlin (ots) - Ein Streit in einem Supermarkt in Hildburghausen ist Mitte November eskaliert. Im Internet wird behauptet, ein Deutscher sei dabei von etwa zehn Ausländern zusammengeschlagen worden. BEWERTUNG: Die Polizei geht nicht von solch einer brutalen Attacke aus. Richtig ist, dass es eine Auseinandersetzung gab. Dabei kam es nach Polizeiangaben zu «einem Schlag ins Gesicht». Zuvor hat es demnach einen Streit ...