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Behauptung über Aufnahme von 1,5 Millionen Flüchtlingen erfunden

Berlin (ots)

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, ist seit Jahren rückläufig. Auf Facebook verbreitet sich nun die unbelegte These, Deutschland wolle "erneut 1,5 Millionen Flüchtlinge aufnehmen" (http://dpaq.de/qhb3L). Durch das beigefügte Foto von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird der Anschein erweckt, dies sei ein Vorhaben der Bundesregierung. Bereits Anfang März 2020 hatte die Online-Plattform "Bundesdeutsche Zeitung" diese falsche Behauptung aufgestellt (http://dpaq.de/cL80T).

BEWERTUNG: Kein öffentliches Statement der Regierung lässt den Schluss zu, Deutschland wolle Hunderttausende Flüchtlinge aufnehmen.

FAKTEN: Berlin setzt trotz der Corona-Krise auf Fortschritte bei der Reform des Asylrechts in der Europäischen Union. Die Bundesregierung will sich während der sechsmonatigen deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt, für einen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Staatengemeinschaft stark machen. "Es ist weiterhin unser erklärtes Ziel für die deutsche Ratspräsidentschaft, bei der Asylreform voranzukommen", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), der Deutschen Presse-Agentur (http://dpaq.de/3ikhZ).

Dabei soll etwa auch bereits an den EU-Außengrenzen geprüft werden, welche Menschen eine realistische Chance etwa auf den Schutzstatus in einem EU-Land haben. Der Vorschlag, dass Hunderttausende ins Land geholt werden sollen, ist nirgendwo zu finden.

Eine Reform der EU-Asylregeln hält neben den Regierungsparteien auch die Opposition in Deutschland für nötig - fordert aber andere Konzepte. Das wurde zuletzt am 22. April 2020 bei einer Debatte im Bundestag deutlich. Doch auch hier war von einem Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge in keinem der Vorschläge die Rede (http://dpaq.de/Hglfw).

In einem Artikel vom 3. März 2020 hatte bereits die Plattform "Bundesdeutsche Zeitung" mit einem Merkel-Foto getitelt: "Deutschland will erneut 1.5 Mio Flüchtlinge aufnehmen" (http://dpaq.de/cL80T). Der Text selbst liefert nicht ansatzweise Hinweise für diese Behauptung, sondern geht vor allem auf die damals aktuelle Diskussion über den EU-Kurs in der Flüchtlingspolitik ein.

Im Frühjahr 2020 hatten Tausende Migranten auf Einlass in die EU gehofft, doch Griechenland hielt seine Grenzen geschlossen. Die Lage hatte sich verschärft, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärt hatte, die Grenze zu Griechenland sei offen. Die Bundesregierung warnte seinerzeit vor einem Aufbruch Richtung Europa. "Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen. Das ist er natürlich nicht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am 2. März 2020 in Berlin (http://dpaq.de/jPFv2, http://dpaq.de/4qJ3Z). Auf die Frage, ob der Satz der Kanzlerin weiter gelte, dass sich 2015 mit Blick auf den Zuzug von Schutzsuchenden nicht wiederholen werde, sagte er: "Der hat seine Gültigkeit."

Zuletzt landeten Mitte April 47 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus heillos überfüllten griechischen Flüchtlingslagern in Hannover (http://dpaq.de/bHxKz). Zuvor hatte die Bundesregierung am 18. März wegen der Corona-Pandemie das humanitäre Aufnahmeprogramm für Schutzsuchende aus Krisengebieten ausgesetzt (http://dpaq.de/qHU6H).

Im Jahr 2016 wurden in Deutschland knapp 746 000 Asylanträge gestellt, seitdem geht die Zahl der Flüchtlinge immer weiter zurück. Zwischen Januar und April 2020 zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gut 43 000 Anträge (http://dpaq.de/Law9K).

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Links:

Bundesregierung über Pläne für EU-Ratspräsidentschaft (dpa-Meldung vom 20.5.2020 via "RND"): https://www.rnd.de/politik/eu-asylreform-deutschland-will-asylpolitik-soll-trotz-corona-vorantreiben-N5EJXY7Y2KB2I3ADQWDCDKPZKE.html (archiviert: http://dpaq.de/pvEWx)

Bundestags-Protokoll vom 22.4.2020: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/19/19155.pdf

Merkel-Pk über Erdogan vom 2.3.2020: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenzen/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-angela-merkel-staatsministerin-annette-widmann-mauz-bundesarbeitsminister-hubertus-heil-bundeswirtschaftsminister-peter-altmaier-sylvie-nantcha-und-dragana-nikoli%C4%87-1727030

Regierungs-Pk vom 2.3.2020: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenzen/regierungspressekonferenz-vom-2-maerz-2020-1726976

n-tv über Regierungs-Pressekonferenz am 2.3.2020: https://www.n-tv.de/ticker/Weg-aus-der-Tuerkei-in-die-EU-ist-natuerlich-nicht-offen-article21613589.html

"NZZ" über Merkel/Erdogan vom 2.3.2020: https://www.nzz.ch/international/merkel-haelt-am-fluechtlingsdeal-mit-der-tuerkei-fest-ld.1543995 (archiviert: http://dpaq.de/9BX8i)

"t-online" über Unionsfraktion/Flüchtlinge vom 3.3.2020: https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_87441488/krise-an-eu-grenze-unionsfraktion-wuerde-notfalls-deutsche-grenze-schliessen.html (archiviert: http://dpaq.de/5poBK)

Bundesinnenministerium über Aufnahme von 47 minderjährigen Flüchtlingen aus Griechenland: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2020/04/ankunft-kinder-grc.html (archiviert: http://dpaq.de/QTz3s)

"Tagesschau" über Stopp des Aufnahme-Programms für Flüchtlinge wegen Corona: https://www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge-2185.html (archiviert: http://dpaq.de/qHU6H)

Bamf-Asylzahlen April 2020: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-april-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6

Artikel in "Bundesdeutsche Zeitung" vom 3.3.2020: https://bundesdeutsche-zeitung.de/headlines/world-headlines/deutschland-will-erneut-1-5-mio-fluechtlinge-aufnehmen-974487 (archiviert: http://dpaq.de/cL80T)

dpa-Faktencheck vom 4.3.2020 über Falschbehauptung auf "Bundesdeutsche Zeitung": https://www.presseportal.de/pm/133833/4537904

Facebook-Post mit falschen Behauptung vom 11.5.2020: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2979316552127005&set=a.506163946108957 (archiviert: http://dpaq.de/qhb3L)

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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