All Stories
Follow
Subscribe to dpa-Faktencheck

dpa-Faktencheck

ARD-Moderatorin hat nicht für Abriss von Bismarck-Denkmal plädiert

Berlin (ots)

Angesichts der "Black Lives Matter"-Proteste werden das Thema Kolonialismus und der Umgang mit Denkmälern verstärkt diskutiert. Ein Beitrag auf Facebook unterstellt nun einer Moderatorin des "Morgenmagazins" der ARD, sie plädiere "für einen Abriss des Bismarkdenkmals [sic] in Hamburg". Dazu wird ein Ausschnitt der Sendung als Video verbreitet (http://dpaq.de/LnVTp).

BEWERTUNG: Die ARD-Moderatorin hat sich nicht für einen Abriss des Bismarck-Denkmals ausgesprochen.

FAKTEN: Am 12. Juni 2020 hat sich das ARD-"Morgenmagazin" der Debatte um Erinnerungskultur und Denkmäler für Vertreter des deutschen Kolonialismus gewidmet. Zunächst werden in einem Beitrag Beispiele aus Hamburg gezeigt (http://dpaq.de/Zvs61), wo unter anderem in der Nähe der Landungsbrücken ein großes Denkmal an den ehemaligen deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) erinnert (http://dpaq.de/AkkmM). Im Beitrag heißt es über ihn: "Auch als Begründer des deutschen Kolonialreichs in Afrika ging der Reichskanzler in die Geschichte ein." Unter Historikern ist zwar strittig, wie stark Bismarck die Kolonialpolitik selbst befürwortete, denn lange Zeit hegte Bismarck eine Abneigung gegen Kolonialpolitik. Gesichert ist aber, dass er als Reichskanzler in den 1880er Jahren maßgeblich an der deutschen Aneignung von Kolonien in Afrika und im Südpazifik beteiligt war (http://dpaq.de/ORFha, http://dpaq.de/hilpb).

Im Anschluss an den Beitrag führt die "Morgenmagazin"-Moderatorin Anna Planken ein Interview (http://dpaq.de/QB49o) mit dem Historiker Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg (http://dpaq.de/NSBMf), der als Kritiker der deutschen Kolonialismus-Aufarbeitung gilt (http://dpaq.de/SmuP7). Das Interview ist in voller Länge auch im Facebook-Post zu finden. Planken und Zimmerer nehmen Bezug auf das kurz zuvor erwähnte Bismarck-Denkmal und sprechen darüber, wie bei Statuen der "koloniale Kontext" erwähnt werden kann. Zimmerer schlägt vor: "Ich würde sagen, solche Statuen muss man nicht nur kommentieren, das ist das Mindeste, sondern man muss sie zu Gegen-Denkmälern machen, und mein Vorschlag wäre, solche Statuen einfach hinzulegen oder auf den Kopf zu stellen oder zu brechen."

Diese Aussagen sind interpretationsoffen: Während mit "hinlegen" und "auf den Kopf stellen" wohl bauliche Veränderungen an Denkmälern gemeint sind, scheint Zimmerer "brechen" auch im übertragenen Sinn auf die Ausstrahlung und Wahrnehmung von Denkmälern zu beziehen. In Bezug auf das rekonstruierte Berliner Stadtschloss schlägt er vor, man könne die "Fassade mit Stacheldraht aus den Konzentrationslagern brechen, so dass die Sehgewohnheit herausgefordert wird und wir in eine Auseinandersetzung mit der Geschichte, die dahintersteht, gezwungen werden".

Für den Abriss von Denkmälern oder deren Tilgung aus dem Stadtbild spricht Zimmerer sich nicht aus. Er sagt: "Als Historiker bin ich nicht dafür, dass man Quellen, und das sind ja auch historische Quellen, völlig abräumt, dann sind sie verschwunden, sondern in Gegen-Quellen, in Gegen-Denkmäler verwandelt."

Planken wiederum plädiert, anders als im Facebook-Post behauptet, an keiner Stelle des Interviews dafür, das Hamburger Bismarck-Denkmal abzureißen. Sie schließt sich nicht einmal den Vorschlägen Zimmerers an, sondern stellt ausschließlich Fragen ("Kann man so ein riesiges Monument einfach so stehen lassen?" - "Was sollte man machen, sollte man sie erstmal vom Sockel runterholen und immer einordnen?") oder konfrontiert den Historiker mit Einwänden ("Straßennamen verschwinden ganz oft einfach, und dann ist der Erinnerung oder der Auseinandersetzung ja auch nicht gedient").

   ---

Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/hansgeorg.mohring.33/videos/133154768402344/ (archiviert: https://archive.vn/JpSrd)

"Morgenmagazin"-Beitrag über Denkmäler und Kolonialismus (Video): https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/Denkmalstuermer-100.html (archiviert: https://archive.vn/cgRzC)

Informationen über das Hamburger Bismarck-Denkmal: https://www.hamburg.de/sehenswuerdigkeiten/1074822/bismarck-denkmal/(archiviert: https://archive.vn/9mEKs)

Historiker über Bismarcks Kolonialpolitik: https://publications.ub.uni-mainz.de/opus/volltexte/2011/2660/pdf/2660.pdf (archiviert: http://dpaq.de/YdIBN)

Deutsches Historisches Museum über Bismarcks Vita: https://www.dhm.de/lemo/biografie/otto-bismarck (archiviert: http://dpaq.de/hilpb)

Zimmerer-Profil auf der Seite der Uni Hamburg: https://www.geschichte.uni-hamburg.de/arbeitsbereiche/globalgeschichte/personen/zimmerer.html (archiviert: https://archive.vn/6HD3s)

"Deutschlandfunk Kultur" über Zimmerer: https://www.deutschlandfunkkultur.de/historiker-juergen-zimmerer-hartnaeckiger-kaempfer-gegen.2165.de.html?dram:article_id=461835 (archiviert: https://archive.vn/EH11s)

"Morgenmagazin"-Interview mit Zimmerer (Video): https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/Juergen-Zimmerer-100.html (archiviert: http://dpaq.de/KFy2A)

   ---

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

© dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH. Die vorstehenden Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Jegliche Nutzung von Texten, Grafiken und Bildern ohne vertragliche Vereinbarung oder sonstige ausdrückliche Zustimmung der dpa ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe sowie Speicherung, Bearbeitung oder Veränderung. Alle Rechte bleiben vorbehalten.

More stories: dpa-Faktencheck
More stories: dpa-Faktencheck
  • 19.06.2020 – 12:57

    Corona-Warn-App: Kamerazugriff dient zum Scannen eines QR-Codes

    Berlin (ots) - Über die neue Corona-Warn-App der Bundesregierung werden in sozialen Netzwerken auch datenschutz-rechtliche Bedenken geäußert. In einem Beitrag bei Facebook wird geraten: "FINGER WEG von der Überwachungs-App!!!!" Der Beweis für die vermeintliche Überwachung sei, dass die Software auf dem Smartphone eine Berechtigung zur Nutzung der Handykamera einfordern würde (http://dpaq.de/5yQn0). BEWERTUNG: Die ...

  • 19.06.2020 – 12:04

    CNN hat manipuliertes Bild nicht gesendet

    Berlin (ots) - Der US-Nachrichtensender CNN soll angeblich das Foto eines bewaffneten Mannes verändert haben, um seine Hautfarbe anders darzustellen. "Wie macht man aus einem schwarzen Straftäter einen Weissen [sic!]? Frag CNN", heißt es in einem Facebook-Beitrag (http://archive.vn/Z7QNJ). Zwei dazugehörige, nahezu identische Bilder zeigen einen Mann mit Baseballkappe, der eine Schusswaffe in der Hand hält. Auf dem ...

  • 19.06.2020 – 11:47

    Antifa hat keine festen Strukturen - keine Einstufung als Terrororganisation

    Berlin (ots) - "Die Antifa" sei zur Terrororganisation erklärt worden, darum würden ihre Mitglieder nun gesucht, verfolgt und verhaftet. Das behaupten mehrere User im Internet. Angeblich gebe es auch eine "Mitgliederliste für Deutschland" (http://archive.vn/RfBTS). BEWERTUNG: "Die Antifa" wurde nicht zur Terrororganisation erklärt. US-Präsident Donald Trump hat ...