Wartezeiten auf Psychotherapieplätze verkürzen - geht das?
Berlin (ots)
Die Suche nach einem Therapieplatz stellt für viele Menschen, die unter psychischen Problemen wie Depressionen oder Angststörungen leiden, eine erhebliche Herausforderung dar. Dabei gibt es durchaus Ansätze, um die Situation zu verbessern und Wartezeiten effektiv zu überbrücken.
Trotz eines Anstiegs der Psychotherapeutenzahlen in Deutschland über die letzten Jahre bleibt die durchschnittliche Wartezeit für einen Therapieplatz bei etwa fünf Monaten.[1] Dieser Zustand ist für Betroffene nicht nur frustrierend, sondern beeinträchtigt auch den Erfolg der Behandlung.
Priv.-Doz. Dr. Lars Hölzel, Leiter der Versorgungsforschung an den Oberberg Kliniken, warnt: "Bei langen Wartezeiten besteht das Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf oder eine Chronifizierung der Symptomatik. Insbesondere schwerer Erkrankte haben nach unseren Untersuchungen große Schwierigkeiten, nach einem stationären Aufenthalt zeitnah einen Therapieplatz zu bekommen, was das Risiko für Rückfälle erhöht."
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will diesem Problem mit seinem Gesundheitsversorgungsgesetz entgegenwirken. Er fordert mehr Niederlassungen für PsychotherapeutInnen, die hauptsächlich die schweren Fälle betreuen. Auch Kinder und Jugendliche sollen nach Lauterbachs Vorschlag, der noch durch den Bundestag beschlossen werden muss, bei psychischen Erkrankungen besser versorgt werden.
Um dem Mangel an Therapieplätzen entgegenzuwirken, ist es, so Dr. Hölzel, aber nicht nur notwendig, neue Kassensitze zu schaffen, sondern auch die Herangehensweise an das gesamte Versorgungsmodell für psychische Erkrankungen zu überdenken.
Die Hausarztpraxis als erste Anlaufstelle
Schon länger wird von kritischer Seite angemahnt, dass deutlich mehr Menschen mit psychischen Problemen professionelle Hilfe suchen, als das in der Vergangenheit der Fall war.[2] Gleichzeitig brauchen nicht alle PatientInnen die gleiche Behandlungsintensität. Bei leichten und mittelschweren Erkrankungen, etwa bei Depressionen, Angst- oder Abhängigkeitserkrankungen, ist der Hausarzt in der Regel die erste Anlaufstelle.
"Es gibt überzeugende wissenschaftliche Belege, dass solche Erkrankungen erfolgreich in den Hausarztpraxen mit gezielten psychologischen Kurzinterventionen und gegebenenfalls Medikamenten behandelt werden können. Das kann für viele bereits ausreichend sein", so der Psychologische Psychotherapeut Hölzel. Er unterstreicht jedoch, dass politische Maßnahmen erforderlich seien, um eine angemessene Honorierung der sogenannten Psychosomatischen Grundversorgung zu gewährleisten.
Individualisierte Therapieansätze
Auch in der Richtlinienpsychotherapie sieht Hölzel, zugleich Leitender Psychologe an der Oberberg Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad und der Oberberg Tagesklinik Frankfurt am Main, Potenzial für Veränderungen: "Studien zeigen, dass nicht alle Patientinnen und Patienten den gleichen Umfang an Therapiestunden für eine nachhaltige Besserung benötigen. Manche Gruppen profitieren bereits von einer niedrigeren Dosierung der Therapie, während andere eine kontinuierliche Betreuung über einen längeren Zeitraum benötigen." Bislang wird diese Tatsache in der Versorgung jedoch noch nicht ausreichend berücksichtigt.
Um den individuellen Fortschritt einer laufenden Behandlung besser nachvollziehen und die Therapie gezielter anpassen zu können, empfiehlt Hölzel eine kontinuierliche Überwachung des Therapieverlaufs durch Fragebogenverfahren.
Digitale Lösungen zur Entlastung des Therapienetzes
Zudem kann die Digitalisierung des Gesundheitswesens das Therapienetz entlasten. Innovative Lösungen wie das von den Oberberg Kliniken entwickelte Psychometrie- und Therapie-Steuerungssystem (OPT) bieten neue Möglichkeiten, den Therapieverlauf effizient zu steuern und die Therapiebedürfnisse sowie die Therapiedauer bedarfsgerecht anzupassen. Diese Optimierung kann dazu beitragen, dass mehr Menschen, die dringend therapeutische Hilfe benötigen, diese auch schneller erhalten können.
Tipps für Betroffene in der Warteschleife
Für PatientInnen, die auf der Suche nach einem kassenärztlichen Therapieplatz sind, zeigt Dr. Hölzel Möglichkeiten auf, die Wartezeit zu überbrücken und alternative Hilfsangebote wahrzunehmen.
- Erste Anlaufstelle Allgemein- oder Hausarztpraxis: In den meisten Fällen kann die Hausarztpraxis bereits viele Fragen klären und PatientInnen gezielt innerhalb eines Therapeutennetzes weiterüberweisen oder sogar eine geeignete Therapie selbst etablieren.
- Akutbehandlung: In akuten Phasen bieten Notfallambulanzen oder psychiatrisch-psychotherapeutische Kliniken kurzfristige Unterstützung in Form von Gesprächen oder medikamentöser Behandlung. Für Betroffene gibt es immer eine lokale und für den Wohnort zuständige Klinik, oft mit Ambulanz.
- Hilfe bei der Therapieplatzsuche: Wird eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung benötigt, bietet die Kassenärztliche Vereinigung auf ihrer Homepage eine Suchmaschine an. Unter der Nummer 116117 ist zudem die Patientenservicestelle erreichbar, die ebenfalls bei der Suche unterstützt.
- Unterstützung durch die Krankenkasse: Auch viele Krankenkassen helfenbei der Suche nach einer geeigneten Behandlung und bieten spezielle Angebote an, um die Wartezeit zu überbrücken. Zum Beispiel digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) über das Internet oder als App.
- PsychotherapeutInnen ohne Kassensitz: Diese Fachleute können häufig schneller Termine anbieten, jedoch ist die Option meist nur für privat Versicherte oder Selbstzahler möglich. Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen nur in Ausnahmen diese Kosten.
- Beratungsstellen: Unterschiedliche Beratungsstellen wie beispielsweise die Suchtberatung oder die Kinder- und Jugendberatung, bieten kurzfristig Gespräche an und können Empfehlungen für weiterführende Maßnahmen geben.
Über die Oberberg Gruppe
Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten in Deutschland. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden Therapeutinnen und Therapeuten sowie Selbsthilfegruppen.
[1] Bühring, P. (2023). Evaluation der Psychotherapie-Strukturreform: Keine wirkliche Verbesserung. Dtsch Arztebl International, 22(11), 487.
[2] Zi-Trendreport: Weiter steigende Inanspruchnahme von Arzt- und Psychotherapiepraxen. (2023, 9. November). Kassenärztliche Bundesvereinigung. https://www.kbv.de/html/1150_66247.php Christian Huber, Alexandre Wullschleger, Stefan Kaiser, Michael Kaess, Kerstin von Plessen, Erich Seifritz, Undine Lang Ist eine "hohe Inanspruchnahme" gleich Überversorgung? Schweiz Ärzteztg. 2023;104(16). https://doi.org/10.4414/saez.2023.21481
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