Ukraine: Situation der Menschen mit Behinderung und Versorgung von Schwerverletzten besonders schwierig
HI-Bericht über den massiven Bedarf an humanitärer Hilfe
München (ots)
Nach einem Bericht der Hilfsorganisation Handicap International (HI) ist die Situation von Menschen mit Behinderung in der Ukraine besonders bedrohlich. Ihre Versorgung ist stark eingeschränkt. Viele haben keinen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Evakuierung vor Bombenangriffen ist schwierig. Bombardierungen führen zudem zu komplexen Verletzungen. Viele Kliniken sind völlig überlaufen.
Der Bericht "War in Ukraine: A focus on people with disabilities and the provision of emergency health services" beruht auf Beobachtungen der HI-Teams vor Ort und Datenauswertungen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gibt es bei 25 % der binnenvertriebenen Familien in der Ukraine mindestens ein Familienmitglied mit einer Behinderung. In Krisen oder Notsituationen sind Menschen mit Behinderung in unverhältnismäßig hohem Maße Gewalt und Misshandlung ausgesetzt. Sie haben auch größere Schwierigkeiten, Zugang zu humanitärer Hilfe und den von ihnen benötigten Dienstleistungen zu erhalten. Die Krise in der Ukraine macht hier keine Ausnahme.
Menschen mit Behinderung müssen gleichen Zugang zu Hilfe haben
Die Leiterin für Notfallhilfe von Handicap International, Fanny Mraz:
"Humanitäre Organisationen stehen vor großen Herausforderungen, Menschen mit Behinderung und schweren Verletzungen ausfindig zu machen und sie zu unterstützen. Dies liegt vor allem am fehlenden Zugang zu bestimmten Gebieten und dem Mangel an Informationen und Daten über Menschen mit Behinderung. Es ist die Pflicht aller, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderung den gleichen Zugang zu humanitärer Hilfe haben wie alle anderen auch."
Handicap International weist auf folgende Missstände hin
- Aufgrund mangelnder Hilfe bei der Evakuierung werden Menschen mit Behinderung, die sich nicht bewegen können (z. B. bettlägerig sind), zurückgelassen und sind den Bombardierungen ausgesetzt.
- Viele Menschen mit Behinderung haben keinen Zugang zu Informationen darüber, wie sie evakuiert werden können.
- Die meisten Luftschutzbunker und Sammelunterkünfte sind für Menschen, die einen Rollstuhl benutzen oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, nicht zugänglich.
- Viele Menschen mit Behinderung haben keinerlei Zugang zu humanitärer Hilfe.
- Viele Kinder mit Behinderung leben unter schlimmen Bedingungen, oftmals wurden sie von ihren Familien oder Betreuungskräften getrennt und in Einrichtungen evakuiert, die völlig überlaufen sind.
- Da auch viele Pflegefachkräfte und Reha-Expert*innen geflüchtet sind, werden Menschen mit Behinderung häufig nicht ausreichend versorgt und leiden unter schlechten Hygienebedingungen.
Komplexe Verletzungen durch Explosivwaffen
- Aufgrund der bisherigen Erfahrungen von HI im Irak, in Syrien, im Jemen usw. wissen wir, dass die Zahl der Menschen mit Behinderung aufgrund von Verletzungen durch Sprengstoff- und Waffengewalt noch steigen wird. Bombardierungen und Beschuss sind in der Ukraine massiv und systematisch. Explosive Gewalt verursacht komplexe Verletzungen, die zu Amputationen oder dauerhaften Behinderungen führen können und langfristige Rehabilitationsmaßnahmen erfordern.
- Der Konflikt führt zu einem dramatischen Anstieg an Amputierten. Viele Menschen mussten sich nach einer Notoperation an der Front einer Oberschenkelamputation unterziehen.
- Die Krankenhäuser und Gesundheitsdienste sind überlastet. Um die Situation zu bewältigen, müssen sie die Verweildauer verkürzen und die Menschen frühzeitig entlassen.
Starker Anstieg von Menschen mit Behinderung
- Vor Kriegsausbruch lebten mindestens 2,7 Millionen Menschen mit Behinderung in der Ukraine, darunter 164.000 Kinder (2018). Gemäß verschiedener Schätzungen beläuft sich die Anzahl inzwischen auf 6,6 Millionen Menschen.
- Viele Menschen mit Behinderung mussten zusammen mit ihren Familien und Helfer*innen ihre Heimat verlassen und leben in Sammelunterkünften, bei Gastfamilien usw. Es gibt keine genauen Daten über die Zahl der vertriebenen Menschen mit Behinderung und keinen Überblick darüber, wo sie sich aufhalten. Aber aus jüngsten Daten der IOM geht hervor, dass in 25 % der binnenvertriebenen Familien mindestens ein Familienmitglied mit einer Behinderung lebt. 7 Millionen Menschen sind derzeit in der Ukraine Binnenvertriebene.
Pressekontakt:
Huberta von Roedern
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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