Tschetschenien: Rückkehr in die Hölle
Hilfsorganisationen in Sorge um Flüchtlinge
München (ots)
Kurz vor den Wahlen in Russland wenden sich Handicap International und die Ärzte der Welt an die Öffentlichkeit, um auf die prekäre Situation der tschetschenischen Bevölkerung sowohl in Inguschetien als auch in Tschetschenien aufmerksam zu machen. Die beiden Hilfsorganisationen sowie die Action contre la Faim berichten heute bei einer Pressekonferenz in Paris von ihren Beobachtungen und Erfahrungen vor Ort.
Tagtäglich versuchen die russische und die im Oktober 2003 eingesetzte tschetschenische Regierung zu beweisen, dass es keinen Konflikt mehr gibt in Tschetschenien. Nichts hindere den Wiederaufbau des Landes und seiner Institutionen sowie die - angeblich freiwillige - Rückkehr der Flüchtlinge aus Inguschetien. Wie zum Beweis war das Jahr 2003 geprägt von einem Referendum sowie von Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien und gleichzeitig von der Schließung der Flüchtlingslager in Inguschetien, die im Frühjahr 2004 beendet sein soll.
Die Realität des täglichen Lebens der Tschetschenen in Inguschetien und in Tschetschenien selbst, die wir als humanitäre Organisationen vor Ort beobachten können, ist jedoch fern jeder Normalität. Die Flüchtlinge in Inguschetien wollen aufgrund der fortdauernden Unsicherheit keineswegs nach Tschetschenien zurückkehren, doch sie sollen mit verschiedenen Mitteln dazu gedrängt werden: mit Versprechen auf Rückkehrhilfen, aber auch mit der Androhung von Zwangsmaßnahmen gegenüber Familien, die bleiben wollen.
Hilfsprogramme für die Flüchtlinge werden an ihrer Arbeit gehindert, obwohl sich die humanitäre Situation in den Flüchtlingsunterkünften von Tag zu Tag verschlechtert. Polizei- und Militäreinsätze häufen sich - bis hin zur faktischen Zerstörung der Lager ohne jede Aussicht für die Entkommenen, sich noch einmal in Inguschetien niederzulassen.
"Das Wichtigste für uns ist Sicherheit. Wir wollen in Ruhe leben und arbeiten. Wir wollen nachts schlafen können ohne Angst. Doch bereits vier meiner Verwandten sind verschwunden, nachdem sie von Militärs oder Sicherheitskräften verhaftet wurden," erzählte uns eine junge Frau aus einem der Flüchtlingslager.
Diejenigen, die nach Tschetschenien zurückgekehrt sind, müssen die Konsequenzen eines Konflikts ertragen, der einerseits im Verborgenen stattfindet, sich aber andererseits in allen Bereichen des täglichen Le-bens zeigt: Infrastruktur und Produktionsmittel sind weitgehend zerstört, Familienökonomien ausgeblutet, die Menschen finden kaum Zugang zu Unterstützung, wobei viele unter Kriegsverletzungen leiden und wei-terhin immer wieder Menschen in Kriegshandlungen oder durch die zahlreichen Minen verwundet werden.
Unsere Organisationen fordern deshalb:
- Einen Bericht über den Stand humanitärer Sicherheit in Tschetschenien und Inguschetien vom General-sekretär der UN - Druck der internationalen Gemeinschaft auf alle Kriegsparteien, damit die fundamentalen Rechte der tschetschenischen Bevölkerung gewahrt bleiben - Garantie durch die internationale Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit russischen und tschetschenischen Autoritäten, dass Flüchtlinge in Inguschetien, die nicht nach Tschetschenien zurückkehren wollen, in Inguschetien untergebracht werden und Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten
Die internationale Gemeinschaft riskiert in diesem Konflikt, dass humanitäre Hilfe missbraucht wird, um Menschen zu zwingen, in eine feindliche Umgebung zurück zu kehren.
Ärzte der Welt ist seit 1995 in der Region präsent und bietet in Inguschetien und Tschetschenien Unterstützung im medizinischen und psychologischen Bereich an.
Handicap International unterstützt seit März 2000 verletzte und behinderte Menschen in Inguschetien und Tschetschenien mit orthopädischem Material und Physiotherapie.
Beide Organisationen arbeiten mit lokalen Partnern und setzen Auslandspersonal aus Sicherheitsgründen nur sporadisch ein. Weitere Informationen und ein ausführlicher Bericht über unsere Beobachtungen mit Aussagen Betroffener finden Sie auf: www.handicap-international.de und www.aerztederwelt.org
Pressekontakt:
Handicap International
François De Keersmaeker, Dr. Eva M. Fischer,
089-54 76 06-0
Ärzte der Welt
Volker Stapke, 089-65 30 99 71
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