Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V.
Die RSV-Meldepflicht hilft niemandem
Berlin (ots)
In seiner jüngsten Sitzung hat der Bundesrat eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes passieren lassen, wonach das RS-Virus namentlich meldepflichtig wird. Dabei waren die hohen Erkrankungszahlen der letzten beiden Erkältungssaisons hausgemacht. Die Fragen nach Sinn und Zweck der Neuregelung bleiben.
Am 15. Juni 2023 hat der Bundestag eine Änderung des Katalogs der meldepflichtigen Krankheiten im Infektionsschutzgesetz (IfSG) beschlossen. Eingerahmt in ein Gesetzespaket ("Gesetz zur Änderung des Bevölkerungsstatistikgesetzes, des Infektionsschutzgesetzes, personenstands- und dienstrechtlicher Regelungen sowie der Medizinprodukte-Abgabeverordnung"), wurde dank des Omnibusverfahrens beinahe klammheimlich die Meldepflicht für das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) verankert. Da es sich um ein Einspruchsgesetz handelt und der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wurde, passierte es den Bundesrat ohne weitere Debatte.
Künftig soll RSV als Nummer 38a der Liste der meldepflichtigen Krankheitserreger in § 7 IfSG geführt werden. Ärzte und Labore müssen dann jeden direkten oder indirekten Nachweis melden, soweit er auf eine akute Infektion hinweist. Vorgesehen ist die namentliche Meldung der erkrankten Person mit zahlreichen persönlichen Angaben (§9 IfSG).
Begründet wird die Meldepflicht für das Erkältungsvirus mit den vergangenen beiden Erkältungssaisons "mit einer hohen Anzahl erkrankter Kinder", was "überregional zu einer deutlichen Überlastung pädiatrischer Kliniken geführt" habe. Außerdem gewinne RSV "wegen des Fortschritts in der Impfstoff- und Prophylaxe-Entwicklung zunehmend an Bedeutung bei der internationalen Gesundheitsüberwachung" ( Bundestags-Drucksache 20/7235).
Corona-Maßnahmen für Kinder zogen mehr RSV-Erkrankungen nach sich
Tatsächlich traten jeweils im Herbst 2021 und 2022 RSV-Erkrankungen früher als üblich und deutlich mehr als üblich auf. Auch ältere Kinder waren stärker als sonst betroffen. "Die Maßnahmen während der Corona-Infektzeit wie Maskenpflicht, soziale Isolationspflicht für Kinder durch KiTa- und Schulschließungen haben die RSV-Erkrankung künstlich in die Zeit der jeweiligen Lockerung bzw. der Beendigung dieser Maßnahmen verlegt", erklärt Dr. med. Alexander Konietzky, ärztlicher Geschäftsführer und Sprecher des ÄFI-Vorstandes. "Deshalb mussten ungewöhnlich viele Klein-, aber auch Schulkinder mit klinisch relevanten RSV-Infektionen stationär behandelt werden. In den Jahren bis 2020 waren dies eher Ausnahmefälle."
Die Risikogruppen für eine RSV-Erkrankung sind klar definiert: Frühgeborene, die vor der 35. Schwangerschaftswoche geboren werden, eine Lungenreifestörung oder eine kardiopulmonale Anpassungsstörung durchgemacht haben, gelten als gefährdeter, einen schweren Verlauf mit RSV zu entwickeln. Dann kann auch eine intensivmedizinische Behandlung notwendig werden. Zur Infektprophylaxe werden Frühgeborenen daher Immunglobuline im monatlichen Rhythmus intramuskulär gespritzt, bis die Saison im Frühjahr vorüber ist. Außerdem gefährdet sind Menschen mit eingeschränktem Immunsystem sowie ältere Menschen.
Es existiert bereits ein funktionierendes System
Bringt eine Meldepflicht also einen Nutzen? Bislang wurde der Beginn einer RSV-Saison hauptsächlich durch Sentinel-Praxen und durch die meldenden Kliniken erfasst, die RSV-positiv getestete Kinder und Säuglinge stationär zur Behandlung aufnehmen. "Das führte in den ambulanten Einheiten zu einer höheren Aufmerksamkeit für die spezifische Klinik dieser Erkrankung. Insofern existierte für die Frühgeborenen, Säuglinge und Kleinkinder also bereits ein funktionierendes System", sagt Dr. Konietzky. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin weiter: "Ob hier die Verpflichtung zur Meldung eine Verbesserung bringt, ist fraglich. Die Windpockeninfektion wird auch verpflichtend gemeldet, die Sinnhaftigkeit dieser Meldepflicht darf ebenso in Frage gestellt werden."
Auch für die Risikogruppe der Älteren ist zu fragen: Bietet die geplante Prophylaxe mit einem bereits für Erwachsene zugelassenen Impfstoff und einer absoluten Risikoreduktion für schwere Verläufe von 0,76% tatsächlich einen Vorteil gegenüber der konventionellen Behandlung? Immerhin müssten ca. 370 Menschen geimpft werden, um einen Erkrankungsfall zu vermeiden. Ein enormer Kostenaufwand für einen kleinen Effekt.
Eine Meldepflicht wird in erster Linie den bürokratischen Aufwand für jeden daran Beteiligten ohne einen größeren, nachvollziehbaren Nutzen erhöhen. Außerdem steht zu befürchten, dass auf die Meldepflicht in nicht allzu ferner Zukunft eine RSV-Impfpflicht folgen könnte. Schließlich befinden sich unterschiedliche Impfstoffe, auch mit unterschiedlichen Technologien, in Entwicklung und Zulassung.
Folgt auf die Meldepflicht eine Impfpflicht?
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre scheint es ohne Weiteres möglich, dass die STIKO die von der EMA zugelassenen Impfstoffe oder modRNA-Präparate in den Impfplan einpflegen würde. Im nächsten Schritt wäre auch eine Impfpflicht durch die Hintertür nicht mehr abwegig.
Mit Blick auf COVID-19 sagt Dr. Konietzky: "Wenn sich nicht grundsätzlich die Einstellung zu Freiheitseinschränkungen im Land ändert, dann ist es in naher Zukunft möglich, eine einrichtungsbezogene Verpflichtung zur Impfung gegen das RS-Virus schnell und unauffällig in das vorhandene Infektionsschutzgesetz einzugliedern. Etwa über ein Omnibusgesetz, wie jetzt bei der Meldepflicht."
Tatsächlich bedarf es nicht einmal eines Gesetzes. Sollte etwa die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) eine Impf-Empfehlung in ihre Statuten übernehmen, hätte dies haftungsrechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung für die Institutsleiter und Arbeitgeber in Kliniken und Pflegeheimen. "Da die Kinder ohnehin keine Lobby haben, ließe sich auch für sie sicher schnell eine Verpflichtung in den Impfplan integrieren, falls es ein Impfstoff in die Zulassungsverfahren schafft. Aktuell wird an einer Impfung von Schwangeren gearbeitet, die schon im jetzigen Studienstadium andeutet, das Risiko für Frühgeburten zu erhöhen", warnt der ÄFI-Vorstand.
Unbekannte Risiken durch RSV-Impfung
Mit einer RSV-Impfung drohen unbekannte Risiken nicht nur für geimpfte Erwachsene, sondern auch für Kinder. "Das RS-Virus würde erstmalig mit Impfungen oder anders hergestellten Immunitäten konfrontiert werden. Völlig unklar ist, was die eher ineffektive Impfung bei Erwachsenen für Veränderungen am Virus nach sich ziehen wird. Auf Kinder und Säuglinge übertragen, könnten sie dann andere, möglicherweise auch grundsätzlich schwerere Verläufe zur Folge haben. Jede Einflussnahme in ein biologisches System hat unabsehbare Folgen. Dessen sollten wir uns bei jeder medizinischen Intervention vor allem im Bereich der gut gemeinten Prävention immer bewusst sein."
Das Fazit des ÄFI-Vorstandssprechers: "Mit der Meldepflicht für RSV ist niemandem geholfen. In der aktuellen Logik des Public-Health-Gedankens ebnet sie den Weg zur Einführung einer weiteren Impfpflicht mit einer wenig sinnvoll hergeleiteten Verhältnismäßigkeit. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung sollte zudem stets eine individuelle sein, wofür sich die ÄFI einsetzen."
Dass die Einführung einer Impfverpflichtung von Erfolg gekrönt sein könnte, dafür spricht auch die mangelnde öffentliche Resonanz auf die Änderung des IfSG. In den Medien fanden sich vorab kaum kritische Beiträge zum Thema (außer hier und hier - Letzterer unter Einbeziehung des ÄFI-Standpunktes).
In Sachen RSV-Erkältungswellen hat Dr. Konietzky einen leicht umsetzbaren Rat zur Hand: "Kindern einfach keine Masken mehr aufzwängen, ihnen keine Kontaktverbote aufbürden und sie nicht für fremden Nutzen impfen - schon lässt sich wieder mit der Infektionslage für Atemwegsinfektionen umgehen."
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