Vier Pfoten - Stiftung für Tierschutz
Medikamentenskandal - Gefahren für Konsumenten
Welchen Stellenwert hat der Konsumentenschutz in der Politik?
Hamburg (ots)
Nun hat der sich ausweitende Medikamentenskandal bei österreichischen und bayerischen Schweinebauern, der von den VIER PFOTEN maßgeblich ins Rollen gebracht wurde, das Fass zum Überlaufen gebracht. Gestern gab Staatsministerin Barbara Stamm ihren Rücktritt bekannt. Über anderthalb Jahre sammelten die VIER PFOTEN Beweise, die das unfassbare Ausmaß dieses Medikamentenmissbrauchs, offen legen sollten. Kundenlisten der beschuldigten Tierärzte ergaben Hinweise auf Hunderte von möglichen Empfängern in Deutschland und Österreich. Die in diesen Listen aufgeführten rund 1500 landwirtschaftlichen Abnehmer wurden inzwischen von den VIER PFOTEN angezeigt. Dem Verein anonym zugespielte Filmaufnahmen dokumentieren die Lagerung von nicht zugelassenen oder verbotenen Antibiotika, Impfstoffen, hochsensiblen Reinsubstanzen und Hormonen auf deutschen und österreichischen Höfen.
Nach Aussagen deutscher und österreichischer Experten können gesundheitliche Gefahren für Konsumenten nicht ausgeschlossen werden. Der Cheftierarzt der Bayer Austria GmbH, Dr. Uhlig, hält das Risiko an einem resistenten Keim zu sterben für größer als an Kreuzfeld-Jacob zu erkranken. Das Robert Koch-Institut warnte bereits 1998 vor Auswirkungen des Einsatzes von Antibiotika in der Tiermast: "Die am RKI (...) erzielten Forschungsergebnisse legen nahe, zukünftig auf antibiotische Mastbeschleuniger in der Tiermast völlig zu verzichten, um nicht mehr kalkulierbare Risiken für die Gesundheit des Menschen zu vermeiden", sagte der Leiter des RKI, Prof. Reinhard Kurth. In einem den VIER PFOTEN vorliegenden Bericht der Umweltabteilung der niederösterreichischen Gendarmerie heißt es wörtlich: "Durch den Einsatz verbotener, gesundheitsschädlicher Substanzen ist eine Gesundheitsgefährdung der Konsumenten zumindest anzunehmen. Da die Verabreichung solcher Substanzen meist von den Landwirten selbst ohne entsprechende tierärztliche Kontrolle vorgenommen wird und teilweise Unwissenheit über die erforderlichen Wartefristen (...) nach Verabreichung herrscht, kann von einer nicht kalkulierbaren, latenten Gefahr für die Bevölkerung ausgegangen werden". Warum aber sollten sich die Zustände in Deutschland von denen in Österreich unterscheiden? In unserem Nachbarland wird nur ein minimaler Prozentsatz tierischer Erzeugnisse auf Medikamente hin überprüft. Auch in Deutschland wird nur ein sehr geringer Teil des für den Handel bestimmten Schweinefleisches getestet. So wurden bspw. in Hamburg im Jahr 1999 gerade einmal 62 Proben untersucht. Und falls Wirkstoffe eingesetzt werden, auf die in staatlichen Untersuchungsstellen nicht getestet wird, können Spuren davon unbemerkt in die Nahrungskette gelangen. So wurde die Untersuchung eines Medikaments vom Schwarzmarkt in einem Fachlabor nach zwei Wochen abgebrochen, da sich die chemische Zusammensetzung nicht ermitteln ließ.
Der längst überfällige Rücktritt von Frau Barbara Stamm ist als Konsequenz einer langen Reihe von Schlampereien und Versäumnissen folgerichtig. Schon beim Versuch die BSE-Krise zu bewältigen, zeigte sich Ihr Ministerium sichtlich überfordert. Der jahrelange laxe Umgang mit tiermehlverseuchten Futtermitteln im Freistaat, brachte ihr mehr als einmal den Vorwurf ein, der Agrar- und Bauernlobby allzu nahe zu stehen. Auch der Schweinemastskandal zeigt wiedereinmal, dass wirtschaftliche Interessen offenbar höher bewertet werden als der Schutz von Verbrauchern.
Die Frage warum Frau Stamms Ministerium anscheinend nicht in der Lage war wirksame Maßnahmen gegen den mutmaßlichen Medikamentenmissbrauch in Bayern zu ergreifen, wird sich die Ministerin a. D. auch nach ihrem Rücktritt gefallen lassen müssen.
Weitere Informationen: Thomas Pietsch, Nutztierreferent - VIER PFOTEN E. V. Telefon: 040 399249-70 / 0171 4910784
Britta Büchter, Pressestelle - VIER PFOTEN E. V. Telefon: 040 399249- 35 / 0160 3373552
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