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Warten auf den Aufschwung - Der Osten wird zum Mezzogiorno Deutschlands
Wirtschaftsjunioren Deutschland präsentieren Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung 2002

Berlin (ots)

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl befindet sich
die Stimmung der Deutschen an einem Wendepunkt. Sorgen um die eigene
finanzielle Situation machen sich nur noch wenige; mehr als ein
Drittel der Bundesbürger hofft zudem auf eine baldige Erholung der
Volkswirtschaft. "Negativ formuliert, glauben die Bundesbürger,
schlimmer kann es gar nicht mehr kommen", so Dominique Döttling am
Dienstag in Berlin bei der Vorstellung der Bevölkerungsbefragung
2002. "Positiv formuliert: Sie nehmen an, ab jetzt geht's aufwärts."
Umso alarmierender indessen sei es, dass die Deutschen offenbar immer
weniger Anlass sähen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
"Laut unserer Umfrage haben die Deutschen weder Lust, sich
selbständig zu machen, noch, im Ausland zu arbeiten, noch glauben sie
überhaupt, dass sich Leistung lohnt. Wenn wir nicht aufpassen, wird
die Republik zum Schlusslicht im internationalen Wettbewerb - und der
weiterhin pessimistische Osten zum Mezzogiorno Deutschlands."
Nur 21 Prozent der Bundesbürger erwarten für die nächsten 12
Monate eine Verschlechterung ihrer persönlichen finanziellen
Situation: Das ist der geringste Wert seit 1995. Gut 34 Prozent gehen
von einer Verbesserung aus. Entsprechend hoch ist der Anteil der
Optimisten hinsichtlich der wirtschaftlichen Gesamtsituation:
Immerhin 35 Prozent der Befragten glauben, dass es aufwärts geht.
Dennoch befürchten 31 Prozent, dass wir den tiefsten Punkt der
Talsohle noch immer nicht erreicht haben. Die meisten Pessimisten
finden sich im Osten - und, wahrscheinlich wegen des nicht haltbaren
persönlichen Niveaus, in Bayern. Männer sind optimistischer als
Frauen, Höherqualifizierte optimistischer als Geringqualifizierte.
Ebenfalls die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes wächst mit
abnehmender Qualifikation. In den neuen Bundesländern sind sich 37
Prozent, in den alten nur 20 Prozent unsicher, ob es bei ihnen
beruflich so weiter gehen kann wie bisher. Dominique Döttling: "Je
schlechter ihre Ausbildung ist und je mehr sie sich an den Osten
gebunden fühlen, desto hoffnungsloser sind die Bundesbürger".
Sogar die Überzeugung, dass es noch weiter abwärts geht, setzt
indessen keine Initiativen frei. Gerade die Arbeitslosen und Arbeiter
haben laut Befragung mit Anteilen von 57 bzw. 50 Prozent die
geringste Bereitschaft, einen Arbeitsplatz im Ausland anzunehmen.
Gerade diejenigen, die mobil sein müssten, bleiben ihrem Kirchturm
treu. Am flexibelsten sind dagegen die Selbständigen und Beamten -
und immerhin die Auszubildenden.
Die Möglichkeit, selbst ein Unternehmen zu gründen, sehen immer
weniger Bundesbürger als echte Option. Nicht einmal jeder achte
deutsche Arbeitnehmer denkt ernsthaft daran, sich selbständig zu
machen. Mehr als 50 Prozent haben an dieses Thema noch nie einen
Gedanken verschwendet. Frauen verfügen über noch weniger
Unternehmergeist als Männer, und auch von den Jugendlichen können
sich nur rund 12 Prozent vorstellen, Unternehmer zu werden. Gründe:
Fehlendes Kapital, Angst vorm Risiko und die Aussicht, mehr als
bisher arbeiten zu müssen.
Dass sich Leistung lohnt, glaubt gerade noch die Hälfte der
Bundesbürger. Fast ein Drittel ist vom Gegenteil überzeugt. Je jünger
die Deutschen sind, desto weniger glauben sie ans Leistungsprinzip.
In den neuen Ländern sind nur 44 gegenüber 51 Prozent in den alten
Ländern der Meinung, dass sich Leistung auszahlt.
Nicht einmal jeder vierte Deutsche geht davon aus, dass unser Land
zu den Gewinnern der Globalisierung gehören wird. Die größten
Wettbewerbsnachteile - zu hohe Steuern und Sozialabgaben sowie eine
ausufernde Bürokratie - hat ihrer Auffassung nach die Politik zu
verantworten. Dennoch wünschen sich insbesondere die Menschen aus den
neuen Ländern mit fast 40 Prozent einen größeren Einfluss der Politik
auf die Wirtschaft.
Ost und West, so lässt sich überhaupt feststellen, sind sich auch
mehr als 10 Jahre nach der Vereinigung ziemlich fremd. Vor allem die
Wertesysteme unterscheiden sich noch immer deutlich. Während in den
alten Bundesländern Gerechtigkeit und Eigenverantwortung ganz oben
stehen, sind es in den alten Bundesbürgern Gerechtigkeit und
Vertrauen. Im Zusammenleben werden von den Menschen der neuen
Bundesländer deutlich die Werte der Solidarität, Glaubwürdigkeit,
Offenheit, Würde - und eben der Gerechtigkeit vermisst. Die unter
18jährigen gewichten Respekt, Vertrauen und Gerechtigkeit höher als
alle anderen Altersgruppen.
Gerade mal ein Drittel der Bundesbürger erkennt in unserem
Bildungssystem einen Standortvorteil. Vor allem die über 30-jährigen
und damit die Eltern schulpflichtiger Kinder sind der Meinung, dass
bundeseinheitliche Verbesserungen im Bildungssystem notwendig sind -
und fordern deshalb die Abschaffung der Kulturhoheit der Länder.
Die Auswertung der Interviews lässt, so Dominique Döttling,
"bedrückende" Rückschlüsse auf die Seelenlage der Deutschen zu.
Gerade diejenigen, die sich am stärksten von der Rezession getroffen
fühlten, seien am wenigsten dazu bereit, etwas zu ändern. Gerade im
Osten scheine sich der Fatalismus weiter auszubreiten. "Schon das
aber ist Grund genug, jetzt grundlegende Reformen anzugehen."
Nötig sei insbesondere eine Stärkung des Unternehmertums in
Deutschland: "Wir brauchen einen neuen, qualitätsorientierten
Gründerboom. Es müssen Unternehmen gefördert werden, die der
brain-drift, der Abwanderung der Qualifiziertesten ein Ende machen.
Entstehen muss ein Mittelstand, der international mithalten kann."
Darüber hinaus sei eine gründliche Reform des Bildungswesens nicht
nur überfällig, sondern offensichtlich auch von der Mehrheit der
Bevölkerung erwünscht: "Die Kulturhoheit der Länder muss fallen."
Mit der Bevölkerungsbefragung 2002 haben die Wirtschaftsjunioren
Deutschland bereits zum siebzehnten Mal eine der republikweit größten
Straßenumfragen durchgeführt. Ingesamt 6884 Interviews konnten in die
Auswertung einbezogen werden. Mit der Konstruktion des
Interviewleitfadens, der statistischen Auswertung mit SPSS sowie der
Analyse der Ergebnisse haben die Wirtschaftsjunioren wie in den
Vorjahren die Zwickauer Megatrend GmbH beauftragt. Die Studie wurde
Anfang August abgeschlossen.
Markus Wilms, Dipl.-Pol.
Wirtschaftsjunioren Deutschland  
Breite Straße 29 
10178 Berlin 
Fon: +49 (0)30 20 308 -15 20; 
Fax:                 - 15 21 
Markus.Wilms@wjd.de

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