Die Grün-Tricks der IAA-Aussteller: Verbrauchertäuschung statt Klimawende
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Frankfurt (ots)
Autobauer schönen Spritverbrauchs- und CO2-Angaben - Wenige Spritsparer und immer mehr Klimakiller unter den Neuwagen des Modelljahres 2008 - Ausgerechnet "CO2-Champion" Smart mit Mehrverbrauch von 45 Prozent gegenüber Firmenangabe - Deutsche Umwelthilfe fordert Bundesverkehrsministerium und Kraftfahrtbundesamt auf, Fehlangaben der Hersteller noch vor Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Bezug zu korrigieren - zum Nutzen des Klimas, der Verbraucher und der Finanzminister
12. September 2007: Der grüne Schein trügt, die Klimawende im Straßenverkehr fällt vorerst aus. Spritsparer bleiben Mangelware, während die Zahl der PS-Monster wächst. Vor allem aber schönt die Autoindustrie seit Jahren systematisch ihre Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Angaben, ohne dass der Staat eingreift. Das ist das ernüchternde Resultat von Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) zum Benzin- und Dieselkonsum der aktuellen und der von der Autoindustrie für das Jahr 2008 angekündigten Modellpalette.
"Die Autoindustrie verhüllt ihre tatsächliche Situation wie einst Christo den Berliner Reichstag", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Jahrelang habe alles dem Wahn des "Größer, Schneller, Schwerer" gefrönt, nun verzichte bei der Frankfurter Autoschau kein größerer Autobauer auf atemberaubende Studien futuristisch anmutender Pkw mit beeindruckend niedrigen Spritverbräuchen. Doch wer glaube, ein ganzer Wirtschaftszweig sei nach jahrelanger Irrfahrt mit fliegenden Fahnen ins Lager der Klimaschützer übergelaufen, werde bitter enttäuscht sein, von dem, was er wirklich kaufen kann. Neben den Spritsparstudien nehmen sich die in Frankfurt vorgestellten durchweg übermotorisierten Serienfahrzeuge aus wie Pkw-Zeugen aus einer vergangenen Zeit. Der prekäre Unterschied: Sie stehen in ein paar Wochen in den Verkaufshallen der Autohäuser, ihre klimaschonenden Nachfolger allenfalls in Jahren - wenn überhaupt.
Resch hielt den Automobilherstellern vor, dass viele von ihnen unter dem Eindruck der neuen Klimadebatte hastig ihren Werbeauftritt modifiziert hätten, nicht jedoch die Produktpalette. Die Deutsche Umwelthilfe hat - jenseits der bunten Welt zukünftiger Wunderfahrzeuge - die CO2-Emissionen der für 2008 angekündigten Modelle von insgesamt 21 Herstellern unter die Lupe genommen. Ergebnis:
Von den Volumenherstellern schneidet Mercedes-Benz mit nur zwei Modellen unterhalb der 140g CO2/km-Grenze und gleichzeitig 81 Fahrzeugen (von 125) über 210g CO2/km besonders ungünstig ab. (140g CO2/km entspricht dem Wert, den die Hersteller 1998 EU-weit für das Jahr 2008 versprochen hatten, Fahrzeuge über 210g CO2/km liegen mehr als 50 Prozent über diesem Zielwert und sollten nach Ansicht der DUH als "Klimakiller" nicht mehr zulassungsfähig sein). An zweitschlechtester Stelle folgt Audi mit nur vier Modellen (von 99) unter 140g CO2/km und 43 Fahrzeugen über 210g CO2/km. BMW belegt Platz drei der Negativliste mit 15 Modellen (von 98) unter 140g CO2/km aber immer noch 30 Fahrzeugen über 210g CO2/km. Dass es auch anders geht zeigen beispielsweise die Franzosen: 16 Citroën-Modelle (von 64) liegen unter 140g CO2/km, nur fünf über 210g CO2/km. Renault hat gar 29 Modelle unter 140g CO2/km im Angebot und zehn über 210g CO2/km.
Dabei geben diese offiziellen Angaben allenfalls die halbe Wahrheit wieder. "Im realen Leben liegen Spritverbrauch und CO2-Emissionen regelmäßig 10 bis 25 Prozent höher als von den Herstellern behauptet," erläuterte Resch. Aufmerksame Autofahrer stellten in den vergangenen Jahren eine "wachsende Kluft" zwischen den offiziellen Spritverbrauchsangaben der Fahrzeughersteller und dem tatsächlichen eigenen Verbrauch fest. Die Differenz addiere sich auf durchschnittlich 500 bis 1.000 Euro Mehrkosten pro Jahr.
Aufgerüttelt von einer wachsenden Zahl von Autofahreranfragen, hat die DUH sich in den vergangenen Monaten eingehender mit dem offiziellen Messverfahren beschäftigt und einzelne Automobilunternehmen über die von ihnen beauftragten Prüfinstitute, über die bei den Tests eingesetzten Reifen, den Reifendruck und den so genannten Ausrollwert um Auskunft gebeten. Die Beantwortung einer entsprechenden, an die DaimlerChrysler AG gerichteten Anfrage wurde erst in der letzten Woche zum wiederholten Mal abgelehnt. Mitarbeiter einzelner deutscher wie internationaler Autohersteller waren dagegen im informellen Gespräch bereit, über die derzeit in unterschiedlicher Intensität durchgeführte verfälschende Praxis bei der Ermittlung der offiziellen CO2-Emissionen beziehungsweise des damit direkt gekoppelten Spritverbrauchs, Auskunft zu geben.
Für den EU-weit normierten CO2- und Verbrauchstest verwenden einzelne Hersteller offensichtlich ein besonders rollwiderstandarmes "goldenes Auto" mit speziellen Motoren- und Getriebeölen, mit Ultraleichtlaufreifen und einem massiv erhöhten Reifendruck. Elektrische Verbraucher wie Autoklimaanlagen werden deaktiviert. Besonders günstige "Ausrollwerte" erzielt man anscheinend in spanischen Prüfinstituten. Auf der Basis des ermittelten Ausrollwertes beginnt die eigentliche Verbrauchsmessung auf einem Rollenprüfstand. Bei diesem Messdurchgang entwickeln manche Pkw-Modelle ein ausgeprägtes Eigenleben. In früheren Fällen erkannten Prüffahrzeuge am Umstand, dass sich die Vorderräder drehten, gleichzeitig aber die Fahrertür geöffnet war, dass sie sich auf einem Prüfstand befinden und wechselten automatisch in einen besonders Sprit sparenden Fahrmodus. Darüber hinaus hilft eine zu Beginn der Prüfung voll aufgeladene Autobatterie, die CO2-Emissionen im Test zu senken.
Eine "rekordverdächtige" Abweichung beim Spritverbrauch ergab sich ausgerechnet beim so genannten "CO2-Champion" der Daimler AG, dem neuen Dieselsmart cdi. Dieser Kleinwagen ist der DUH bereits früher aufgefallen und angesichts des fehlenden geregelten Dieselpartikelfilters zum "Schmutzfink von Mercedes" umgetauft worden. Inzwischen sind viele Smart-Fahrer erneut verunsichert, zum Beispiel Mitglieder des größten deutschen Smart-Internetforums, weil der neue Smart 42 cdi einen Spritdurst entwickelt, der die versprochenen Verbrauchswerte aus der aktuellen Werbung "CO2-Champion Smart 42 cdi mit 3,3l/100km" bei weitem übertrifft.
Begnügte sich das Vorgängermodell nach Messungen von Smart-Fahrern im realen Betrieb noch mit 3,89 Litern Diesel pro 100 km, übersteigt der neue cdi mit einem Alltagsverbrauch von 4,9 Litern den von DaimlerChrysler behaupteten Wert gar um 45 Prozent. "Dieser CO2-Champion entpuppt sich jetzt nicht mehr nur als Dieselstinker - er ist auch noch gedopt", meinte Resch. Darüber erregt sich inzwischen auch das Flaggschiff der deutschen Automobil-Szene "Auto, Motor und Sport": Mit seinen Verbrauchswerten liege der 45 PS-Smart sogar einen halben Liter über denen des VW Polo "Bluemotion", der immerhin über 80 PS und vier Sitze verfüge.
Resch nannte die gegenüber den offiziellen Herstellerangaben überhöhten Verbrauchswerte eine "systematische Verbrauchertäuschung." Die DUH werde Bundesumwelt- und Bundesverkehrsministerium sowie das für die Typenzulassung zuständige Kraftfahrtbundesamt (KBA) über ihr bekannt gewordene überhöhte Kraftstoffverbräuche und damit auch zu hohe CO2-Emissionen von mehreren auffällig gewordenen Neufahrzeugen informieren. Entsprechende Serienfahrzeuge müssten umgehend am Markt überprüft und die Verbrauchsangaben korrigiert werden.
Von den Herstellern verlangt die DUH zudem die Offenlegung aller Prüfberichte und insbesondere der so genannten Ausrollwerte. Notwendig erscheine zudem eine aktive und automatische Kontrolle der CO2- und Verbrauchsangaben der Hersteller durch Umweltbundesamt (UBA) und KBA und die anschließende öffentliche Nennung der "schwarzen Schafe".
Resch warnte die Bundesregierung davor "die skandalöse Praxis der Verbrauchsminderung auf dem Papier weiter zu tolerieren". Noch in dieser Wahlperiode wolle die Große Koalition bekanntlich die Hubraumsteuer durch eine am CO2-Ausstoß orientierte Kfz-Steuer ersetzen. Der Wechsel werde den Anreiz für die Autohersteller, ihre Kraftstoffverbräuche schön zu rechnen, noch einmal dramatisch erhöhen - schließlich bestimmten die dann die Höhe der Steuer. "Spätestens mit der Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Bezug muss die Verbrauchsangabe nicht nur die Autokäufer, sondern auch die Finanzminister interessieren", schloss Resch.
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