Rußfilterskandal: Bundesregierung muss verlorenes Vertrauen in Filtertechnik wieder herstellen
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Berlin (ots)
Deutsche Umwelthilfe wirft Bundesregierung vor, den Einbau betrügerischer Billigfilter trotz frühzeitiger Erkenntnisse nicht verhindert zu haben - Staatliche Kontrollen sollen künftige Wiederholungen verhindern - Unwirksame Filter müssen flächendeckend und zeitnah ausgetauscht werden
Berlin, 28. November 2007: Der Einbau von etwa 60.000 mangelhaften Nachrüstfiltern in Diesel-Pkw war nicht unvermeidbar. Er hätte von der Bundesregierung verhindert werden müssen, weil bereits vor über einem Jahr bekannt war, dass technisch unzureichende, zum Teil sogar vollkommen unwirksame Billigfilter am Markt angeboten wurden. Die im Herbst 2006 vorliegenden Untersuchungsergebnisse reichten aus, um zwischen seriösen und unseriösen Filtern zuverlässig zu unterscheiden. Das erklärten die Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch und Rainer Baake heute in Berlin in Reaktion auf eine Pressekonferenz von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zum Rußfilterskandal.
Im Einzelnen belegte die DUH, dass das Bundesumweltministerium bereits vor über einem Jahr über die zum Teil verheerenden Ergebnisse der Prüfungen von Filtern der Firma GAT unterrichtet war, ohne das für die Zulassung zuständige Kraftfahrtbundesamt (KBA) entsprechend zu unterrichten. Die Probleme waren am 1. Dezember 2006 sogar Gegenstand einer internen Anhörung mit allen wesentlichen Anbietern von Nachrüstfiltern. Gleichzeitig tat das Bundesumweltministerium alles, damit die Prüfergebnisse nicht an die DUH und damit an die Öffentlichkeit gelangten. Einzelheiten dazu wurden der DUH, die das Bundesumweltministerium erstmals am 3. November 2006 um die Herausgabe der Ergebnisse gebeten hatte, durch umfassende Akteneinsicht im Rahmen der Untätigkeitsklage bekannt, die am vergangenen Freitag (23. November 2007) vor dem Verwaltungsgericht Dessau mit einem Sieg für die Umweltorganisation endete.
Aus den internen Akten, die der DUH durch das Verwaltungsgericht Dessau zugänglich gemacht wurden, geht hervor, dass sich das Umweltbundesamt (UBA) aus rechtlichen Gründen dafür aussprach, die Prüfergebnisse zugänglich zu machen, das Bundesumweltministerium (BMU) dies jedoch aktiv verhinderte. "Statt den Hinweisen auf unwirksame Partikelfilter seit dem Herbst 2006 zügig und konsequent nachzugehen, haben die Verantwortlichen sich monatelang interne Auseinandersetzungen um die Frage geleistet, ob die Messdaten als ´Ergebnisse´ oder als ´Zwischenergebnisse´ zu werten seien und ob diese der DUH zugänglich gemacht oder geheim gehalten werden müssen", kritisierte Baake die merkwürdige Prioritätensetzung. Über diesen internen Streit hätten es die Verantwortlichen versäumt, "sich um ihre eigentliche Aufgabe zu kümmern, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Luftschadstoffen wie Dieselruß."
Nach Überzeugung der DUH hätte der Einbau von etwa 60.000 mangelhaften und großenteils sogar vollkommen unwirksamen Partikelfiltern bei angemessenem Handeln des Umweltministeriums verhindert werden können und müssen. Die Filter seien weit überwiegend erst nach dem Beschluss zur steuerlichen Förderung im März 2007 eingebaut worden. Baake: "Mit der Behauptung, der zigtausendfache Einbau untauglicher Filter sei quasi unvermeidbar gewesen, weil keine belastbaren Informationen vorgelegen hätten, stellt sich das Umweltministerium selbst ein Armutszeugnis aus." Baake forderte das Bundesumweltministerium und das für das Kraftfahrtbundesamt als Zulassungsbehörde zuständige Bundesverkehrsministerium auf, jetzt endlich konsequent durchzugreifen, um einen nachhaltigen Schaden für die Umweltpolitik in Deutschland zu verhindern. Die nachrüstungswilligen Autofahrer müssten sich in Zukunft sicher darauf verlassen können, dass nur funktionstüchtige Partikelfilter am Markt zugelassen werden. Vor allem hätten die Menschen in den mit Feinstaub hoch belasteten städtischen Gebieten einen Anspruch darauf, "dass der Staat alle erforderlichen Maßnahmen ergreift um zu verhindern, dass Dieselfahrzeuge mit Filtern, die nicht filtern, in die Umweltzonen einfahren."
Resch forderte die Bundesregierung auf, durch schnelle und klare Entscheidungen den betroffenen Autofahrern zu helfen, dass diese in einem überschaubaren Zeitraum bis spätestens März 2008 die bei ihnen eingebauten Betrugsfilter durch funktionierende Systeme ersetzt bekommen. Eine Selbstverpflichtungserklärung der betroffenen Filterhersteller und Werkstätten reicht hierzu keinesfalls aus. Wer nach Ablauf der Umtauschfrist noch immer mit einem Betrugsfilter unterwegs ist, muss die steuerliche Förderung zurückzahlen und verliert die Feinstaubplakette. "Wenn die Bundesregierung hier keine klaren Regelungen beschließt werden die meisten der vom Filterskandal betroffenen Autohalter auf einen Austausch des Systems verzichten. Dies wäre nach fünf Jahren härtester Auseinandersetzungen um die Reduktion der Feinstaubbelastung in den Innenstädten ein Desaster. Es muss sichergestellt sein, dass dort wo eine Umweltplakette klebt, auch ein funktionstüchtiger Partikelfilter an Bord ist", sagte Resch.
Um eine Wiederholung dieses Skandals zu verhindern, sei es zudem notwendig, dass zukünftig vor Erteilung einer "Allgemeinen Betriebserlaubnis" durch das Kraftfahrtbundesamt eine Funktionsprüfung durchgeführt wird. Es habe sich gezeigt, dass es nicht genüge, sich auf die von den Filterherstellern bereitgestellten Prüfunterlagen zu verlassen. Ausserdem müsse dringend ein amtlicher Kurztest entwickelt und verbindlich definiert werden. "Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass derzeit jede Überprüfung eines Systems bis zu 14 Wochen dauert, nur um dann - wie im Falle GAT - festzustellen, dass die Filterwirksamkeit bei Null liegt. Ein solcher Test geht auch in zwei Stunden", so Resch.
Schließlich fordert die DUH die Aufnahme einer Funktionstüchtigkeitsprüfung in die allgemeine Abgasuntersuchung (AU), mit der im Zwei- bzw. Dreijahresrhythmus alle Pkw überprüft werden, was bisher nicht geschehe.
Resch belegte im Detail, dass das Bundesumweltministerium bereits im Oktober 2006 durch die Ergebnisse des in einem schweizerischen Labor durchgeführten Forschungsvorhabens detailliert darüber unterrichtet war, dass bestimmte Nachrüstfilter nicht funktionieren. Darüber gab es über Monate heftige interne Debatten zwischen Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt und mit den Filterherstellern, nur wurden daraus keine Konsequenzen gezogen. So wurde das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Zulassungsbehörde nicht unterrichtet. "Wer heute behauptet, die Ergebnisse hätten nicht ausgereicht, weil sie sich nicht an dem staatlich festgelegten Prüfzyklus orientiert hätten, wirft Nebelkerzen und verdreht die Tatsachen", sagte Resch. Das bereits im Jahre 2005 in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben sei eben nicht als Wiederholung dieser für die Zulassung vorgeschriebenen Testreihen gedacht gewesen, sondern um festzustellen, ob die Filter im realen Leben eine angemessene Filterleistung erbringen. Die dabei zu Tage getretenen Ergebnisse seien bei dem inzwischen als Betrugsfilter enttarnten Produkt der Firma GAT schon damals so eindeutig gewesen, dass sofort das zuständige Kraftfahrtbundesamt hätte informiert werden müssen. Nur dieses ist im Übrigen für die Erteilung beziehungsweise den Widerruf der Zulassung dieser Systeme verantwortlich.
Der DUH-Bundesgeschäftsführer verwies insbesondere auf eine vom BMU anberaumte Einzelanhörung der Filterhersteller, die am 1. Dezember 2006 als Reaktion auf die offensichtlich erkannten Defizite bestimmter Filter stattfand. Nur seien aus den Erkenntnissen leider keine Konsequenzen gezogen worden. Stattdessen habe das BMU den Forschungsauftrag an das schweizerische Labor in einen Nachprüfauftrag für den staatlichen Prüfzyklus umwidmen wollen. Dadurch seien unnötig viele Monate Verzögerung eingetreten, in deren Verlauf die billigen Betrugsfilter am Markt ihren Siegeszug begannen.
Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil.: 0151 55 01 69 43,, E-Mail: baake@duh.de
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail:
resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Öffentlichkeitsarbeit,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030
258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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