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Minister Sanders Hang zur Kettensäge

Berlin (ots)

Die vom niedersächsischen Umweltminister Anfang
Januar bejubelte wissenschaftliche Bestätigung seiner 
Kettensägenaktion in der Elbtalaue entpuppt sich als Schnellschuss 
eines als Anti-Ökologen ausgewiesenen Pensionärs - Mit seinem Urteil 
greift Sander einem von ihm selbst in Auftrag gegebenen Gutachten vor
- Neue Bewertung mit alten Fehlern
Berlin, 13. Januar 2008: Mit einer geradezu euphorischen Erklärung
hat sich der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander 
(FDP) zu Jahresbeginn Selbstabsolution erteilt: Die von ihm 
angeordnete und im November 2006 unter Verletzung europäischen 
Naturschutzrechts eigenhändig vorangetriebene  Kettensägenaktion im 
streng geschützten Biosphärenreservat "Niedersächsische Elbtalaue" 
sei zum Schutz gegen Hochwasser notwendig gewesen. "Endlich wird mir 
auch von Seiten der Wissenschaft Recht gegeben", jubelte der Minister
in einer Pressemitteilung am 2. Januar.
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), auf deren Beschwerde hin die
EU-Kommission im Frühjahr 2007 wegen der Kettensägenaktion ein 
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland 
angestrengt hatte, hat nachrecherchiert. "Es war ein echter Sander", 
urteilt DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Schnell geschossen, 
nicht rechts und links geschaut, die falschen Schlüsse gezogen und 
wieder mal den eigenen Amtsauftrag vergessen."
Nach DUH-Informationen gründete Sander seine Presseäußerung 
ausschließlich auf ein kurzes Radiointerview, das der NDR am Morgen 
des 2. Januar ausgestrahlt hatte. Als Kronzeuge des 
Kettensägenministers war dort Rudolf Adolf Dietrich aufgetreten, der 
die Quintessenz eines zuvor von ihm in der Zeitschrift "Wasser und 
Abfall" (Heft 12/2007) veröffentlichten Aufsatzes noch einmal 
vorgestellt hatte. Tenor der Wortmeldung: Die nach den verheerenden 
Hochwasserkatastrophen der vergangenen Jahre aus Politik und 
Umweltverbänden erhobene Forderung "gebt den Flüssen mehr Raum" müsse
sofort vom Tisch, stattdessen seien "schnellstens" Finanzmittel 
bereitzustellen, "um die enorme Verbuschung im Abflussbereich des 
Hochwassers der Elbe zu beseitigen" - und zwar gründlich, denn auch 
das Nachwachsen müsse "nachhaltig vermieden" werden. Andernfalls sei 
eine "drastische Erhöhung der Deiche zwingend und schnellstens 
erforderlich." Die von der DUH und vielen Fließwasserexperten 
geforderten Deichrückverlegungen an geeigneten Elbabschnitten wischte
Dietrich, der sich auf eigene Berechnungen beruft, gleich mit vom 
Tisch. Begründung: Hilft nichts, weil auch die neuen Auen "in kurzer 
Zeit verbuscht sein werden".
Wer ist Rudolf Adolf Dietrich, der offensichtliche Bruder im 
Geiste des niedersächsischen Kettensägen-Ministers? Zunächst ist er 
regionalen Umweltgruppen kein Unbekannter. Der Rentner aus Hohnstorf 
an der Elbe, der zu seiner berufsaktiven Zeit im Forschungszentrum 
GKSS in Geesthacht am Institut für Küstenforschung tätig war, gehört 
zum Umfeld des "Verein zum Schutz der Kulturlandschaft und des 
Eigentums im Elbtal e. V.". Der hatte sich 1997 gegen Bestrebungen 
gegründet, an der niedersächsischen Elbe zwischen Schnackenburg und 
Lauenburg einen Nationalpark zu errichten. Zu den vorrangigen Zielen 
des Vereins gehört "die Sicherung der freien Verfügung über das 
Eigentum und der traditionellen Gewohnheitsrechte der ortsansässigen 
Bevölkerung". Ansonsten unterstützt der Mathematiker seit seiner 
Pensionierung Initiativen gegen Windkraftanlagen mit eigenen 
Stellungnahmen, in denen er die Grundlagen der für die Genehmigung 
erstellten Schallprognosen in Zweifel zieht. Auf Internetseiten 
obskurer Organisationen, die sich der Atomenergie und dem Kampf gegen
erneuerbare Energien verschrieben haben, veröffentlicht Dietrich 
Pamphlete gegen die Stromerzeugung aus Sonnenenergie ("staatlich 
subventionierte Vernichtung von Volksvermögen").
"Hans Heinrich Sanders Kronzeuge für den Auenkahlschlag ist 
pensionierter Mathematiker - und offensichtlich anti-ökologischer 
Überzeugungstäter. Insofern bilden beide ein Traumpaar", sagte der 
Leiter Naturschutz der DUH Frank Neuschulz. Mit ihren 
"Kahlschlag-Phantasien in der streng geschützten C-Zone des 
Biosphärenreservats stehen die beiden ziemlich allein da". 
Wissenschaftler des Instituts für Wasser- und Gewässerentwicklung der
Universität Karlsruhe hatten bereits 2006 das Gutachten eines 
Schweriner Ingenieurbüros als nicht haltbar bewertet, das die 
Grundlage für Sanders Kahlschlag-Erlass bildete. Das seinerzeit 
gewählte eindimensionale Strömungsmodell sei ungeeignet, auch weil 
das elastische Weidengebüsch wie feste Säulen modelliert werde. 
Analoge Mängel weisen auch Dietrichs Berechnungen auf. "Falls 
überhaupt Eingriffe notwendig sind, dann an wenigen möglicherweise 
auftretenden hydraulischen Flaschenhälsen", sagte Neuschulz. Die 
müssten, wenn es sie denn gebe, lokalisiert werden. Doch genau daran 
hätten weder Sander noch Dietrich irgendein Interesse. Neuschulz: 
"Die wollen die Radikallösung".
Neuschulz erinnerte daran, dass Ergebnisse eines von Sander selbst
beauftragten Gutachtens des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau in 
Braunschweig (Prof. Dr. Andreas Dittrich) noch nicht vorliegen. Diese
Expertise soll aber unter anderem gerade prüfen, ob und welche 
Engstellen möglicherweise in Verbindung mit Auengehölzen bei 
Hochwasser punktuelle Abflusshindernisse bilden könnten. "Die 
Tatsache, dass es Sander für nötig hielt, den Ergebnissen der von ihm
selbst beauftragten Wissenschaftler zugunsten des Schnellschusses 
eines antiökologischen Einzelkämpfers vorzugreifen, spricht für 
sich", sagte Neuschulz. Die DUH hoffe und gehe davon aus, dass "die 
Wissenschaft in Niedersachsen weiter frei ist, die Braunschweiger 
Gutachter sich von den brachial vorgetragenen Erwartungen ihres 
Auftraggebers nicht irritieren lassen und ihre fachlich qualifizierte
Arbeit tun".
DUH-Geschäftsführer Baake erinnerte daran, dass aufgrund der 
Intervention der Umweltorganisation bei der EU die Auwälder in der 
geschützten C-Zone des Biosphärenreservats in der Folgezeit von 
weiteren Sägeaktionen verschont blieben und voraussichtlich auch in 
diesem Jahr bleiben. "Es waren nicht nur missachtete Formalia, die 
das Vertragsverletzungsverfahren der EU auslösten, es waren vielmehr 
handfeste und rechtswidrige Eingriffe in die Natur."

Pressekontakt:

Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil: 0151 55 01 69 43, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Gartenstraße 7, 29475
Gorleben; Mobil: 0160 8950556, Fax: 05882 220; E-Mail:
neuschulz@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, 0171 5660577, Tel.: 030 258986-15, Fax: 030 258986-19,
E-Mail: rosenkranz@duh.de

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