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Getränkekartons noch "ökologisch vorteilhaft"?

Berlin (ots)

Zwei von drei Recyclinganlagen für deutsche
Getränkekartons haben Kapazitäten stillgelegt - Unbestimmte Mengen 
werden offensichtlich verbrannt oder zur Verwertung nach Spanien 
verbracht - Deutsche Umwelthilfe bezweifelt die "ökologische 
Vorteilhaftigkeit" von Getränkekartons
Seit Ende der neunziger Jahre werden Getränkekartons für Milch, 
Fruchtsäfte und andere Getränke auf Basis zuvor durchgeführter 
Ökobilanzen als "ökologisch vorteilhafte Verpackungen" definiert. 
Wegen dieser Einstufung sind die aus Kunststoff, Papier und Aluminium
bestehenden Verbundverpackungen von der Pfandpflicht befreit, wenn 
darin pfandpflichtige Getränke abgefüllt sind. Sie sind daher 
gegenüber anderen Einweg-Getränkeverpackungen privilegiert. Die 
aktuelle Praxis beim Recycling und bei der Verwertung lässt 
befürchten, dass diese Einstufung nicht mehr gerechtfertigt ist. Die 
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) fordert daher eine Überprüfung der 
angeblichen ökologischen Vorteilhaftigkeit von Getränkekartons durch 
das Bundesumweltministerium.
Die Einstufung als "ökologisch vorteilhaft" setzt ein qualitativ 
und quantitativ hochwertiges Recycling voraus: Mindestens 60 Prozent 
der so genannten Verbundverpackungen - zu ihnen gehören auch die 
Getränkekartons - müssen stofflich verwertet werden. Ende 2008 und 
Anfang 2009 haben jedoch zwei von drei Verwertungsanlagen, in denen 
die deutschen Getränkekartons zuvor verwertet wurden, ihre 
Kapazitäten stillgelegt. Infolge der damit verbundenen erheblichen 
Engpässe bei der Verwertung leidet die Recyclingqualität und steigt 
die Umweltbelastung. "Seit Anfang 2009 wird in keiner Recyclinganlage
mehr das Aluminium aus den deutschen Getränkekartons zurück gewonnen,
große Chargen leerer Getränkekartons aus Deutschland per Lkw bis nach
Spanien verschoben und schließlich werden Getränkekartons in 
Deutschland offensichtlich zu 'Ersatzbrennstoffen' verarbeitet und 
anschließend verbrannt. Unter solchen Umständen ist die Ökobilanz von
Getränkekartons äußerst fragwürdig", erläuterte Jürgen Resch, 
DUH-Bundesgeschäftsführer.
Jährlich werden in Deutschland über 220.000 Tonnen 
Getränkeverpackungen in den Verkehr gebracht. Im vergangenen Jahr 
wurden 65 Prozent davon, etwa 145.000 Tonnen, erfasst und verwertet. 
Bislang wurden die Getränkekartons aus den deutschen "Gelben Tonnen" 
und Säcken in drei Verwertungsanlagen recycelt. Doch seit Dezember 
2008 und Januar 2009 haben zwei dieser Anlagen, nämlich die der 
Corenso United Oy Ltd. in Varkaus (Finnland) und der Mondi Packaging 
Raubling GmbH, ihre Kapazitäten stillgelegt. In der einzig übrig 
gebliebenen Anlage, Niederauer Mühle bei Kreuzau, in der im 
vergangenen Jahr 67 Prozent der in Deutschland gesammelten 
Getränkekartons (insgesamt also rund 97.000 Tonnen) verwertet wurden,
wurden in den ersten vier Monaten 2009 allerdings nur 14.000 Tonnen 
Getränkekartons stofflich verwertet.
Nach DUH-Berechnungen bestünden in Deutschland selbst bei 
maximaler Auslastung der Niederauer Mühle zwischen Mai und Dezember 
2009 und einem kurzfristigen Einsatz von Kapazitäten der Fa. Mondi 
Packaging Raubling GmbH im zweiten Halbjahr 2009 nur theoretische 
Verwertungskapazitäten für insgesamt rund 110.000 der insgesamt 
anfallenden 220.000 Tonnen bzw. der gesammelten 145.000 Tonnen 
deutscher Getränkekartons. "Damit fehlen selbst nach unseren 
ausgesprochen wohlwollenden Berechnungen für das Jahr 2009 in 
Deutschland Verwertungskapazitäten für mindestens 35.000 Tonnen der 
in Deutschland gesammelten Getränkekartons. Die Menge füllt fast 
1.500 große LKW, das entspricht einer LKW-Reihe von über 27 
Kilometern Länge", erklärte die Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der 
DUH, Maria Elander. Legt man die Vorjahreszahlen zugrunde, wurden im 
ersten Halbjahr 2009 bislang etwa 70.000 Tonnen Getränkekartons aus 
der haushaltnahen Wertstoffsammlung erfasst. "Nach den von uns 
ermittelten derzeitigen Anlagenkapazitäten und den Angaben des 
Verbandes Kartonverpackungen für flüssige Nahungsmittel zum 
tatsächlichen Betrieb der einzigen deutschen Anlage, die derzeit 
regelmäßig in Betrieb ist, ist zu befürchten, dass nicht viel mehr 
als die Hälfte der im ersten Halbjahr 2009 angefallenen Mengen in 
Deutschland verwertet wurde", erläuterte Elander.
Seit Anfang des Jahres häufen sich nach Brancheninformationen die 
Getränkekartons auf den Geländen der Sortieranlagen. Die Duales 
System Deutschland GmbH (DSD) - derzeit für die Verwertung von rund 
zwei Dritteln (ca. 100.000 Tonnen) der gesammelten Getränkekartons 
verantwortlich - bestätigte der DUH auf Anfrage, dass derzeit ein 
Teil dieser Flüssigkeitskartons in Spanien verwertet werde. 
Gleichzeitig verweigerte DSD weitere Auskünfte hinsichtlich ihrer 
Verwertung. Weder ist die in Spanien eingesetzte Anlagentechnik 
bekannt noch sind es die dort verwerteten Mengen. Teilweise lagern 
die sortierten Getränkekartons im Freien und werden anschließend nach
nicht abschließend bestätigten Informationen in unbekanntem Ausmaß 
zum Teil als Ersatzbrennstoffe verbrannt. Ein auf die Produktion von 
Ersatzbrennstoffen spezialisiertes Unternehmen bestätigte gegenüber 
der DUH die Annahme von leeren Getränkekartons zu einem Preis von 60 
Euro pro Tonne.
Getränkekartons gelten nach der Verpackungsverordnung weiter als 
"ökologisch vorteilhaft" und sind deshalb generell von den 
Pfandregelungen ausgenommen. "Die Einstufung als ökologisch 
vorteilhaft basiert unter anderem auch auf der Annahme eines 
funktionierenden Recyclings der insgesamt in Verkehr gebrachten 
Getränkekartons. Das entspricht einfach nicht der derzeitigen 
Situation in Deutschland. Verbrennung oder Transport von 
Getränkekartons über mehr als 1.000 Kilometer ist ökologischer 
Irrsinn. Die aus einem festen Verbund von Plastik, Karton und 
Aluminium bestehenden Einwegverpackungen als 'ökologisch vorteilhafte
Verpackungen' zu verkaufen, grenzt an Verbrauchertäuschung", sagte 
Resch.
Da den Getränkekartons über die Befreiung von der Pfandpflicht 
explizite Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Verpackungsarten 
eingeräumt würden, fordere die DUH neben der durch die DUH 
geforderten Überprüfung der derzeitigen Praxis durch das BMU, dass 
diesem Segment der Verbundverpackungen eine explizit nachzuweisende 
eigene Mindestverwertungsquote abverlangt wird.
Hintergrund
Im Dezember 2008 wurde die Anlage der Corenso United Oy Ltd. in 
Varkaus (Finnland) "permanent stillgelegt". Als einzige der drei für 
das Recycling deutscher Getränkekartons regelmäßig eingesetzten 
Anlagen verfügte die finnische Fabrik über eine 
Aluminium-Rückgewinnung. In Deutschland wurde diese Technik über 
viele Jahre hinweg versprochen aber nicht realisiert. Im Januar 2009 
wurde die Verwertung von Getränkekartons auch in der Anlage der Mondi
Packlaging Raubling GmbH eingestellt. Seitdem werden dort nach 
Aussage des Unternehmens ausschließlich kleinere Mengen angenommen 
und verarbeitet. In der einzig verbliebenen Anlage, Niederauer Mühle 
bei Kreuzau (NRW), wurden in den ersten vier Monaten 2009 nur 14.000 
Tonnen Getränkekartons verwertet.
Die maximale jährliche Verarbeitungskapazität der Niederauer Mühle
beträgt zwar 130.000 Tonnen. Doch der Anteil der Getränkekartons aus 
der deutschen haushaltsnahen Wertstoffsammlung betrug in den 
Vorjahren lediglich zwischen 70-80 Prozent; der Rest der 
angelieferten Materialien stammte aus anderen Quellen, darunter 
Getränkekartons aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden oder 
Produktionsabfällen. Wenn die Niederauer Mühle in diesem Jahr erneut 
maximal 80 Prozent Getränkekartons von der haushaltnahen Sammlung 
entgegennimmt und zwischen Mai und Dezember ab an der 
Kapazitätsgrenze gefahren wird, könnten nach wohlwollenden 
Schätzungen der DUH dort im Jahr 2009 rund 83.000 Tonnen 
Getränkeverpackungen verwertet werden. In der Verwertungsanlage der 
Fa. Mondi Packaging Raubling GmbH wurden nach Aussage des 
Anlagenbetreibers im ersten Halbjahr 2009 nur sehr geringe Mengen 
Getränkeverpackungen verarbeitet. Selbst für den Fall, dass der 
Anlagenbetrieb im zweiten Halbjahr kurzfristig wieder aufgenommen 
wird, könnten im Jahr 2009 dort nach Informationen der DUH insgesamt 
maximal rund 25.000 Tonnen Getränkekartons verarbeitet werden. 
Insgesamt bestünden in Deutschland folglich theoretische 
Verwertungskapazitäten für maximal 110.000 der 220.000 Tonnen 
anfallender bzw. 145.000 Tonnen gesammelter deutscher 
Getränkekartons.
Im Rahmen der Produktverantwortung sind die 
Getränkekartonhersteller für die ordnungsgemäße Verwertung von 
Getränkeverpackungen zuständig, wobei diese Verantwortung im Rahmen 
der haushaltnahen Wertstoffsammlung auf die dualen Systeme übertragen
worden ist. Die ReCarton GmbH ist für die Verwertung eines Drittels 
(ca. 50.000 Tonnen) und die Duales System Deutschland GmbH für die 
Verwertung von rund zwei Dritteln (ca. 100.000 Tonnen) der in 
Deutschland gesammelten Getränkekartons verantwortlich.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 2400
867-19, E-Mail: resch@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Fax:
030 2400867-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-21, Fax:
030 2400867-19, Mobil: 0171 566 05 77, E-Mail: rosenkranz@duh.de

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