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Bundesregierung knickt vor der Müllverbrennungslobby ein

Berlin (ots)

Pressemitteilung

EU-Kommission und Deutsche Umwelthilfe kritisieren Entwurf des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) übereinstimmend als EU-rechtswidrig - Stoffliches Recycling soll gerade von Abfällen mit hohem Energiegehalt wie Kunststoff durch Verbrennung ersetzt werden können - Fünfstufige Abfallhierarchie wird auf den Kopf gestellt - Recycling soll auch insgesamt nicht verbessert werden: Für 2020 definierte Recyclingziele sind schon heute Realität - Diskussion im Umweltausschuss des Bundestags ohne Beteiligung von Umweltorganisationen

Der Entwurf für ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) verstößt in Teilen gegen die in der EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG festgelegten Vorgaben und legt darüber hinaus viel zu niedrige nationale Recyclingziele für Siedlungs-, Bau- und Abbruchabfälle fest. Sollte der Gesetzentwurf, der am kommenden Montag den Umweltausschuss des Bundestages beschäftigt, nicht grundlegend überarbeitet werden, will die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) bei der EU in Brüssel Beschwerde einlegen. Die DUH kann ihre Kritik allerdings nicht direkt bei der Anhörung im Umweltausschuss vortragen, weil zu der entsprechenden Anhörung kein einziger Sachverständiger aus Umwelt- oder Verbraucherschutzverbänden geladen wurde.

"Die Bundesregierung knickt vor der Müllverbrennungslobby ein", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Statt Stoffkreisläufe zu schließen, wie es das Gesetz verspricht, sollen zukünftig Abfälle mit hohem Energiegehalt pauschal zur Verbrennung freigegeben werden. Damit verstößt die Bundesregierung gegen EU-Recht und verzichtet auf eine echte Rohstoffpolitik und Ressourceneffizienz in Deutschland." Die DUH sieht sich in ihrer Kritik durch die EU-Kommission bestätigt, die ebenfalls eine grundlegende Überarbeitung des in Brüssel zur Notifizierung eingereichten Gesetzentwurfs fordert.

DUH und EU-Kommission sehen durch den KrWG-Entwurf der Bundesregierung die in der europäischen Abfallrichtlinie 2008/98/EG vorgegebene Abfallhierarchie verletzt. Die Abfallhierarchie legt eine fünfstufige Prioritätenfolge für den Umgang mit Abfällen fest: Vermeidung vor Vorbereitung zur Wiederverwendung vor Recycling vor energetischer Verwertung vor Beseitigung. Zwar können die Mitgliedstaaten für eng umgrenzte Fälle Ausnahmen von der Abfallhierarchie zulassen, dies jedoch nur dann, wenn sich daraus auf der Basis so genannter Lebenszyklusbetrachtungen im Einzelfall Vorteile ergeben. Der Entwurf der Bundesregierung sieht jedoch pauschal für alle Abfälle mit einem Heizwert von mehr als 11.000 Kilojoule pro Kilogramm (kJ/kg) die Gleichwertigkeit von energetischer Verwertung (vulgo: Verbrennung) und stofflicher Verwertung ("Vorbereitung zur Wiederverwendung" oder "Recycling") vor. Er stellt damit die in der Abfallrahmenrichtlinie gewollte Abfallhierarchie auf den Kopf.

Damit setzt der Regierungsentwurf die Richtlinie nach Überzeugung der EU-Kommission nicht europakonform um. In einer Mitteilung der Europäischen Kommission an die Bundesregierung (SG(2011) D/51545) heißt es im Zusammenhang mit der geplanten Pauschalausnahme für Abfälle mit einem höheren Heizwert unmissverständlich: "Der notifizierte Gesetzentwurf würde [...] zu einer Schwächung der Priorität für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling führen, die nicht mit der Abfallhierarchie und den Zielen der Richtlinie 2008/98/EG in Einklang steht. [...] Vor diesem Hintergrund fordert die Kommission die deutschen Behörden auf, [die entsprechenden Paragraphen] des notifizierten Gesetzentwurfs zu überarbeiten [...]." Mit ihrer Mitteilung greift die EU-Kommission auch kritische Hinweise auf, die die DUH Ende Mai 2011 gemeinsam mit anderen Umweltverbänden an die Kommission gerichtet hatte. "Wenn Bundesregierung und Bundestag die Bedenken der Europäischen Kommission ignorieren und die EU-weit angestrebte Abfallhierarchie im neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht im Sinne des Umweltschutzes umsetzen, werden wir erneut in Brüssel intervenieren", kündigte Resch an.

Der KrWG-Entwurf ist nach Überzeugung der DUH auch jenseits der Debatte über Pauschalausnahmen von der Abfallhierarchie völlig mangelhaft. So gibt der Entwurf für das Jahr 2020 Recyclingziele vor, die bereits im Jahr 2008 erreicht oder sogar übertroffen wurden. Konkret: 65 Prozent der jährlich anfallenden Siedlungsabfälle sollen bis 2020 recycelt werden - 2008 waren es bereits 64 Prozent. Bei den Bau- und Abbruchabfällen lautet das Ziel für 2020 im KrWG-Entwurf 80 Prozent - 2008 wurden in Deutschland jedoch schon 89 Prozent der Bau- und Abbruchabfälle recycelt und stofflich verwertet. "Recyclingziele für das Jahr 2020 in einen Gesetzentwurf zu schreiben, die heute schon überholt sind, offenbart ein erschreckendes Maß an Ignoranz und Desinteresse für ein Thema, das immer wichtiger wird. Recycling und Ressourceneffizienz sind für diese Regierung offensichtlich kein vordringliches Thema", kritisiert Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der DUH. Deutschland drohe als rohstoffarmes Land, den Einstieg in die Recyclinggesellschaft zu verpassen. Die DUH fordert für 2020 rechtsverbindliche Recyclingquoten von 85 Prozent bei Siedlungsabfällen und 95 Prozent bei den Bau- und Abbruchabfällen.

Die Umweltorganisation verlangt darüber hinaus die Festlegung von Qualitätskriterien für das Recycling. "Es muss klar definiert werden, welche Abfallbehandlungsmaßnahmen bei der Erfüllung von Recyclingquoten eingerechnet werden dürfen und welche nicht. Wer hier nicht genau hinschaut öffnet den so genannten Downcycling-Verfahren Tür und Tor, die letztlich nicht in die Recyclingwirtschaft, sondern in die Sackgasse führen", erklärte Elander.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil.: 0171 3649170, E-Mail: resch@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Mobil: 0160 5337376, E-Mail:
elander@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, 0171 5660577, rosenkranz@duh.de

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