Klima- oder gesundheitsschädliche Kältemittel: Mensch und Umwelt weiter Versuchskaninchen für die Autoindustrie
Berlin (ots)
Gemeinsame Pressemitteilung
Die Autoindustrie setzt in Klimaanlagen weiterhin auf Klimakiller und gefährliche Chemiecocktails und umgeht EU-Vorgaben - Berufsverband der Feuerwehren beklagt ungeklärte Sicherheitsrisiken beim Kältemittel 1234yf für Rettungskräfte und Insassen bei Unfällen - DUH fordert von Autoherstellern und Behörden Verzicht auf die gefährliche Chemikalie 1234yf und die kurzfristige Einführung natürlicher Kältemittel
Die seit Januar 2011 EU-weit vorgeschriebene Einführung eines umweltfreundlichen Kältemittels für Klimaanlagen neuer Pkw-Modelle findet auch im zweiten Jahr des Verbots klimaschädlicher Mittel nicht statt. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) in einer Umfrage unter Automobilherstellern (siehe Tabelle). Nur wenige Modelle von überwiegend ausländischen Herstellern verzichten auf den bisherigen Klimakiller R 134a. Diese sind jedoch mit der im Falle eines Fahrzeugbrandes lebensgefährlichen Chemikalie 1234yf befüllt. Angesichts der damit für den Autofahrer verbundenen Gefahren haben die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) und der Berufsverband Feuerwehr e.V. heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin Alarm geschlagen und vor der Verwendung des neuen chemischen Kältemittels gewarnt.
Der Berufsverband Feuerwehr e.V. fordert, nach dem Motto "die Maxime Sicherheit geht vor Geschäft" zu verfahren. Die von seinem Verband vertretenen 28.000 hauptberuflichen Feuerwehrleute hätten immer noch den Eindruck, dass die Sicherheitsbedenken heruntergespielt werden. "Wir verlangen die Veröffentlichung von Testreihen und Sicherheitsanalysen sowie neue Versuche unter realistischen Bedingungen", erklärte Andreas Thöne, Vorstand des Berufsverband Feuerwehr e.V. "1234yf wird als Drop-In-Kältemittel angepriesen. Ob die Fahrzeughersteller aber die Auflage erfüllt haben, entsprechende sicherheitstechnische Änderungen am Motorraum vorzunehmen, um die Gefahren nach einem Unfall zu mindern, ist völlig unklar." Sollte im Brandfall nach Unfällen Fluorwasserstoff (HF) in nennenswerter Konzentration in die Umgebung geraten, sei Hilfe für Unfallopfer nur durch Rettungspersonal in speziellen Schutzanzügen möglich. Thöne regte an, die mit dem Kältemittel 1234yf befüllten Pkw mit einem entsprechenden Gefahrenkennzeichen auszustatten.
Nach Beobachtung der DUH verzögern die Automobilhersteller seit Jahren die auch von der EU-Kommission geforderte Umstellung auf ein weniger klimaschädliches Kältemittel. Die Autohersteller haben sich für den von Honeywell und DuPont entwickelten Chemiecocktail 1234yf als Ersatz für R134a entschieden, obwohl Autoklimaanlagen mit dem natürlichen Kältemittel CO2 bereits bis zur Serienreife entwickelt sind. Doch mehr als ein Jahr nach der verpflichtenden Einführung klimaschonender Kältemittel steht das bislang einzige chemische Ersatzprodukt 1234yf, aus dem im Brandfall in hoher Konzentration giftiger Fluorwasserstoff (HF) entsteht, nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung. Grund ist ein in China gegen die dort in der Herstellung befindliche 1234yf-Produktionsstätte verhängter Baustopp. Er soll zurückgehen auf fehlende Entsorgungsnachweise für giftige und umweltgefährdende Zwischenprodukte, die bei der Herstellung anfallen.
"Wer den bisherigen Klimakiller R134a mit dem im Brandfall akut lebensbedrohenden Chemiecocktail 1234yf ersetzen will, treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Gerade die deutschen Autobauer haben vor Jahren versprochen, zukünftig auf chemische Kältemittel zu verzichten und fristgerecht alle neuen Klimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln zu befüllen. Wir fordern VDA-Präsident Matthias Wissmann dazu auf, Wort zu halten."
Darüber hinaus kritisierte Resch, auf welcher Grundlage derzeit Typzulassungen für Fahrzeuge erteilt und damit EU-Klimaschutzvorgaben umgangen werden. Nach offizieller Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) gibt es für Ausnahmeregelungen keine Rechtsgrundlage. Dennoch erhielt die Mercedes-B-Klasse 2011 eine neue Typzulassung und muss nach EU-Vorgaben mit einem neuen Kältemittel befüllt sein. "Automobilhersteller und Genehmigungsbehörden setzen sich stillschweigend über EU-Recht hinweg und lassen zu, dass selbst neue Pkw-Modelle weiterhin mit R134a befüllt werden. Das ist ein Skandal", sagt Resch. "Wenn es um deutsche Pkw-Nobelmarken geht, leben wir rechtlich offenbar in einer Bananenrepublik."
Der DUH-Geschäftsführer wirft den Autoherstellern vor, mit ihrer Fixierung auf die neue Chemikalie 1234yf bewusst auf Zeit zu spielen. Damit hätten sie auch klare Entscheidungen der EU-Kommission ignoriert, die mehrmals erklärt hatte, dass sie bei der Umsetzung der Vorgaben keine Verzögerungen über den 1. Januar 2011 zulassen werde. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ist als zuständige Behörde für den Fall der Verletzung der EU-weiten Regelungen für Sanktionsmaßnahmen zuständig. "Wir verlangen von der Bundesregierung und den verantwortlichen Behörden, dass sie EU-Recht in Deutschland durchsetzen und einen auf der Hand liegenden Rechtsbruch nicht stillschweigend dulden", sagte Resch. Die Autoindustrie dürfe ihre Kunden nicht als Versuchskaninchen missbrauchen. Stattdessen sollte sie die Sicherheit der Autofahrer vor ihre eigenen Profitinteressen stellen und auf das natürliche Kältemittel CO2 setzen. Eine Auflistung der Pkw-Modelle, die 2012 mit dem Kältemittel 1234yf befüllt sein werden, sowie weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.autoklimaanlage.info/de/presse/artikel/d52cd6373a826f000197fa51bdd1f1c4/pm.html
oder hier: http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2789
Hintergrund:
Die von dem chemischen Kältemittel 1234yf ausgehende Gefahr wird unterschiedlich bewertet. Aus Sicht der DUH geht es von Seiten der Befürworter vor allem darum, die Risiken zu verschleiern. In einem Gutachten des TÜV-Rheinland wird der Chemikalie zwar Unbedenklichkeit bescheinigt. Wie die Gutachterorganisation zu ihrer Einstufung kommt, ist jedoch völlig unklar, da die Grundlagen für diese Erkenntnisse verschwiegen werden. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) verweist in seinen Veröffentlichungen, die 1234yf als ungefährlich einstufen, auf eine entsprechende Erklärung des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), der die freiwilligen Feuerwehren vertritt. Dieser Verband wiederum begründet seine Einschätzung mit der des VDA. Beide beziehen sich auf TÜV-Publikationen, deren Grundlagen seit Monaten auch auf Nachfragen von Medien unter Verschluss gehalten werden.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3649170, E-Mail:
resch@duh.de
Eva Lauer, Projektleiterin PRO KLIMA bei der Deutschen Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-76, E-Mail:
lauer@duh.de
Andreas Thöne, Bundesvorstand Berufsverband Feuerwehr e.V.,
Sportallee 41, 22335 Hamburg, Tel.: 0177 7584232, E-Mail:
laenderbeauftragter@bv-feuerwehr.eu
Daniel Eckold, Pressesprecher Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-22, Mobil: 0151 55017009,
E-Mail: eckold@duh.de
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